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Festschrift der Helmholtz-Gemeinschaft

25 5. Wiedervereinigung und Umbenennung in Helmholtz- Gemeinschaft: Die Großforschung in den 1990er Jahren Vor einer so radikalen und die strukturellen Probleme sicherlich nicht behebenden Lösung schreckten alle Beteiligten freilich zurück. Doch eine Stellungnahme der AGF zum Bericht des Bundesforschungsministeriums zu „Status und Perspektiven der Großforschungseinrichtungen im vereinigten Deutschland“ vom Herbst 1991 bilanzierte, dass „die Großforschungseinrichtungen in den 1980er Jahren ihr Stellenplanpersonal um fast 1.000 Stel- len reduziert“ haben und „über ein Viertel der rund 120 Institute (…) durch Auflösung, Zusammenlegung und Umorientierung völ- lig neu ausgerichtet“ worden seien.56 Dennoch wuchsen in die- ser Zeit die Ausgaben für die Großforschungseinrichtungen überproportional und betrugen fast 30 Prozent des Gesamthaus- haltes des Bundesforschungsministeriums. Dies nährte die virulente Befürchtung, der Etat der BMFT werde von den Groß- forschungseinrichtungen „langfristig aufgezehrt“ und damit dem Staat jegliche Möglichkeit der forschungspolitischen Lenkung und Prioritätensetzung genommen.57 Als Ausweg aus dem Dilemma wurden von den Zentren Umstrukturierungskonzepte eingefordert, mit denen sich das „grundfinanzierte Personal“ erheblich reduzieren ließe und anstehende Institutsschließungen nicht mit neuen Forschungsfeldern umgangen würden; vielmehr sollten „Mechanismen zur Identifizierung der richtigen Felder für Schließungen und Reduzierungen entwickelt werden“; auch müssten verstärkt Ausgründungen, Überführungen an Hoch- schulen oder an die Fraunhofer-Gesellschaft betrieben werden.58 Die „behäbigen Tanker“ und „morschen Kähne“ sollten also flexibler werden, wobei eine stete und strenge Evaluierung der Forschungseinrichtungen den Weg weisen sollte. Mit der deut- schen Wiedervereinigung erfuhr die Debatte um eine grund- legende Reform der Institution „Großforschung“ und konkret die Evaluierung der Großforschungseinrichtungen zunächst eine Atempause, und das Problem der Etablierung von Zentren in den neuen Bundesländern rückte in den Vordergrund. Damit erhielt es dann aber auch eine neue Dimension. Dank der intensiven Forschung zu Wissenschaft und Technik im Kalten Krieg wissen wir heute, dass jenseits der politischen Blockbildung in Europa eine Vielzahl von systemüberwindenden wissenschaftlichen Kooperationen möglich war. Deren Intensität mochte im Rhythmus der globalen politischen Großwetterlagen variieren, stets aber bestanden Löcher im Eisernen Vorhang, die durch verschiedene Formen „verdeckter“ Zusammenarbeit aus der Mitte der Wissenschaft selbst heraus ermöglicht wurden.59 Allerdings war an der unmittelbaren Frontlinie des Kalten Krie- ges diese Zusammenarbeit am wenigsten ausgeprägt. Dort beob- achteten sich die beiden deutschen Staaten gerade auch bezüg- lich ihrer wissenschaftlich-technischen Leistungsfähigkeit eng- maschig und argwöhnisch, nicht zuletzt, weil gerade für die DDR die Bundesrepublik die primäre Referenz war, um den erstrebten ‚Weltstandard‘ der eigenen Innovationsleistungen zu bestimmen. Dieses Bild gilt ceteris paribus auch für die Großforschung. Nachdem der Kalte Krieg und speziell die Abgrenzungspolitik der DDR lange Zeit kaum Kontakte zu Wissenschaftlern oder Wissenschaftsinstitutionen in der DDR zugelassen hatten, begannen sich ab Mitte der 1980er Jahre die Beziehungen zwischen den westdeutschen Großforschungsinstituten und Wissenschaftseinrichtungen in der DDR zu verbessern. Dabei blieben die Kontakte zunächst auf wechselseitige Vortrags- einladungen beschränkt, und es gab keine weiterreichenden Kooperationen. Erst mit Abschluss des Abkommens zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der DDR und der BRD im Herbst 1987 intensivierten sich die wissen- schaftlichen Kontakte, die allerdings nach wie vor auf beschei- denem Niveau verblieben und insbesondere in der DDR speziel- len politischen Einschränkungen und Kontrollen unterlagen. Eine bezeichnende Ausnahme bildete die Hochenergiephysik, die seit den 1950er Jahren als Hort grenzüberschreitender wissenschaftlicher Kooperation jenseits politischer Einfluss- nahme galt. So bestand zwischen dem CERN als führendem Zentrum für Kernforschung und Hochenergiephysik des Westens und seinem sowjetischen Pendant in Dubna bei Moskau eine Vielzahl von Kooperationen, die durch den legendären Besuch des KPdSU-Parteichefs Nikita Chruschtschow im britischen Kernforschungszentrum Harwell initiiert wurde. Dieser erfolgte nicht zufällig im Anschluss an die erste Internationale Konferenz zur friedlichen Nutzung der Kernenergie 1955, die generell das Eis gebrochen hatte.60 Dem hohen Grad der internationalen Kooperationsbeziehungen entsprechend, gab es auch eine Forschungsreaktor Rossendorf WWR-S. Foto: Bundesarchiv

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