Standpunkt

Seltene Erden – wie wir geostrategischen Abhängigkeiten begegnen können

Prof. Dr. Jens Gutzmer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie. Bild: André Wirsig

Seltene Erden sind unverzichtbar für viele moderne Technologien. Damit wir von Monopolregionen unabhängig bleiben, müssen wir in geeignete Forschungsinfrastrukturen investieren, sagt Jens Gutzmer, Mineraloge und Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie.

Geschichte wiederholt sich. Im Jahr 2010 waren seltene Erden schon einmal in aller Munde. Die Presse berichtete täglich über Dysprosium oder Neodym – und darüber, dass Europa von Lieferungen aus China abhängig sei. Damals hatte China sein Monopol auf seltene Erden zum ersten Mal als geostrategisches Werkzeug eingesetzt und ein Exportverbot verhängt. Die daraus resultierende Panik in Industrie und Politik verdeutlichte, dass man die Rolle der Rohstoffe als Grundlage industrieller Produktion zu lange ignoriert hatte.

Man suchte zunächst nach kurzfristig verfügbaren alternativen Quellen. Die geologische Erkundung boomte: Es wurde schnell klar, dass es weltweit – auch in der Europäischen Union – eine große Zahl von Lagerstätten mit seltenen Erden gibt. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch Regierungen reagierten rasch auf deren Verknappung. So formulierte die Bundesregierung im Jahr 2010 eine „Nationale Rohstoffstrategie“, stimulierte mit Förderprogrammen gezielt Forschung und Innovationen und rief zwei neue Institutionen ins Leben: Die Deutsche Rohstoffagentur in Berlin sammelt Rohstoffdaten und steht der deutschen Industrie beratend zur Seite. Das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie erforscht Technologien für einen effizienten Umgang mit mineralischen und metallischen Rohstoffen. So ist die Rohstoffforschung mittlerweile fester Bestandteil des Portfolios der Helmholtz-Gemeinschaft.

Man könnte nun annehmen, dass wir aus der „Seltene Erden“-Krise im Jahr 2010 unsere Lehren gezogen hätten, und dass sich das Monopol Chinas nach 15 Jahren relativiert hat. Doch weit gefehlt. Preise für seltene Erden normalisierten sich mit der Erleichterung chinesischer Exportbeschränkungen schon im Jahr 2012. Seltene Erden aus China zu importieren, war also wieder billiger, als alternative Rohstoffquellen zu erschließen, und so erschien die Notwendigkeit eines strategischen Schulterschlusses zwischen Industrie und Politik für eine resiliente Rohstoffversorgung nicht mehr dringlich. In der Folge versäumte man es, Lieferketten zu diversifizieren, strategische Rohstofflager zu etablieren, eigene Förder- und Verarbeitungsstrukturen aufzubauen, in systematisches Recycling zu investieren oder Substitute für die seltenen Erden zu etablieren. Auch die vielversprechenden Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung – zum Beispiel zum Recycling von Neodymmagneten – fanden keinen Eingang in die heimische Industrie: Es fehlten Abnehmer und Kapital. Auch die im Jahr 2023 von der EU verabschiedete Verordnung zu kritischen Rohstoffen hat daran bisher nichts geändert. So wuchs die Dominanz Chinas entlang der Wertschöpfungskette seltener Erden in den vergangenen 15 Jahren sogar noch weiter.

So kam es, wie es kommen musste – Geschichte wiederholt sich: Seit Beginn des Jahres 2025 nutzt China sein Monopol ein zweites Mal als geostrategisches Werkzeug – dieses Mal im Zollkonflikt mit den USA. Und wieder zeigen sich Industrie und Politik wenig vorbereitet.

Im Zuge dieser zweiten Versorgungskrise darf man sich nun fragen, ob die öffentlich finanzierte Forschung in Deutschland im Jahr 2025 eine andere Rolle einnehmen kann als 2010. Vor 15 Jahren musste zunächst Pionierarbeit geleistet werden; Forschung zu Rohstoffen hatte für über 30 Jahre keinerlei Priorität mehr genossen. Es mussten neue Kompetenzen und Kapazitäten aufgebaut werden. Diese sind heute im Gegensatz zu 2010 verfügbar. Rohstoffforschung im Jahr 2025 benötigt daher eine deutlich kürzere Anlaufzeit – rasche Fortschritte können erwartet werden. Dabei steht ein breites Portfolio an attraktiven Forschungsthemen zur Verfügung, das von der Materialforschung zur Substitution bis zum Aufbau einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für seltene Erden reicht.

Es gibt jedoch ein wichtiges Hindernis, welches die Wirksamkeit von Forschung und Innovation auch im Jahr 2025 begrenzen wird: Es ist das Fehlen geeigneter Forschungsinfrastrukturen, um neuartige Rohstofftechnologien rasch zu skalieren und zum Transfer in die Industrie vorzubereiten. Innovation braucht Investitionen, dies gilt besonders für die Forschung zu Rohstoffen in Deutschland. Die Zeit für diese Investitionen drängt, wenn wir dem Einsatz von seltenen Erden als geostrategisches Werkzeug in der Zukunft gelassener begegnen wollen.

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