Portrait
Auf Schatzsuche in der Tiefsee
Als junger Forscher pflügte Peter Herzig 1983 durch das Meer, um die bis dahin noch unbekannten Schwarzen Raucher zu finden. Heute sorgt der Geologe als Direktor des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel dafür, dass andere Wissenschaftler solche Expeditionen machen können.
Fast zwei Monate lang auf einem großen Forschungsschiff durch das Meer pflügen und täglich Neues entdecken – für Peter Herzig ging dieser Abenteuertraum 1983 in Erfüllung. Der junge Geologe vom Niederrhein hatte nicht lange gezögert, als er zu der Expedition im Indischen Ozean eingeladen wurde. Die Forschercrew sollte Heißwasserquellen am Meeresgrund aufspüren, sogenannte Schwarze Raucher. Erste Exemplare waren 1979 gefunden worden und ihre Entdeckung hatte mehr als nur akademischen Reiz: Denn hydrothermale Quellen enthalten begehrte Metalle wie Kupfer, Zink, Silber und Gold in hoher Konzentration. „Wir haben fast täglich neue Quellen entdeckt“, schwärmt Herzig rückblickend, „an Bord herrschte eine unglaubliche Euphorie.“
Heute sorgt Peter Herzig als Direktor des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel dafür, dass andere Wissenschaftler solche Expeditionen machen können. Sein Institut zählt zu den international führenden Einrichtungen auf seinem Gebiet und beschäftigt rund 900 Mitarbeiter. Ihnen steht ein moderner Gerätepark zur Verfügung: Forschungsschiffe, ein bemanntes Tauchboot, ferngesteuerte Unterwasserroboter und weitere autonome Systeme. Ein zunehmend wichtiges Forschungsgebiet sind die Rohstoffe aus dem Meer: „Dabei suchen wir nach Wegen zu einer möglichst umweltschonenden Nutzung dieser Ressourcen“, sagt der 61-Jährige.
Seit seiner ersten Expedition vor mehr als dreißig Jahren wurden in den Ozeanen immer mehr Bodenschätze entdeckt. Inzwischen weiß man von gigantischen Vorkommen an Gashydraten zur Energieerzeugung und großen Lagerstätten metallischer Rohstoffe. Viele dieser Stoffe haben Jahrmillionen gebraucht, um in Manganknollen der Tiefsee oder in den Kobaltkrusten an den Flanken untermeerischer Gebirge heranzuwachsen. Vergleichsweise rasant verläuft die Entwicklung an den heißen Quellen vulkanischer Zonen: Dort reifen mit Kupfer und Gold, Indium und Germanium gespickte Metallsulfide in wenigen Jahrtausenden heran.
„Eigentlich müssen wir nicht in die Tiefsee, um uns mit solchen Rohstoffen zu versorgen“, sagt Peter Herzig. Im Prinzip reichten die Vorräte an Land für alle – selbst bei einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen, wie sie für das Jahr 2050 prognostiziert wird. Die Bedingung dafür sei jedoch ein freier Welthandel ohne Monopole wie derzeit bei Platin und Palladium. Viel Aufsehen erregte vor wenigen Jahren ein chinesischer Exportstopp, der zeitweise zu einer bedrohlichen Verknappung bei Seltenen Erden führte. Herzig: „Angesichts solcher Unwägbarkeiten ist die Nutzung mariner Ressourcen durchaus sinnvoll.“
Noch baut kein Land Erze am Meeresboden ab, aber vielerorts laufen schon Vorbereitungen. Auch Deutschland besitzt eine Lizenz auf ein Explorationsgebiet von der Größe Bayerns im Pazifischen Ozean. Sie gilt noch bis zum Jahr 2021 und wird derzeit für die Forschung genutzt. Im Mittelpunkt stehen die empfindlichen Ökosysteme der Tiefsee und ihre Reaktion auf typische Bergbau-Aktivitäten. Problematisch sei vor allem das Aufwirbeln von Sediment, sagt Peter Herzig, weil der dabei entstehende Staubsturm Meeresorganismen beeinträchtigen könne. „Nur wenn wir das mit einer innovativen Methode in den Griff bekommen, ist an einen Abbau zu denken.“
Gern wüsste der Kieler Wissenschaftler dabei einen Industriepartner an seiner Seite: „Aber Deutschland hat seine einst profitablen Explorations- und Bergbaufirmen verloren.“ Um angesichts starker Bergbaunationen wie Australien oder Kanada nicht komplett zurückzufallen, schlägt Herzig die Gründung einer staatlich gestützten Firma vor. Das Bundeswirtschaftsministerium erwäge die Idee zurzeit. Weiteren Zuspruch erwartet Herzig in zwei, drei Jahren: „Voraussichtlich beginnt dann vor Papua-Neuguinea der erste Abbau Erzen aus der Tiefsee ¬– das wird weltweit eine Lawine lostreten.“
Peter Herzig hat ein Faible für anwendungsnahe Forschung: „Dass ich nicht der geborene Grundlagenforscher bin, habe ich schon früh gemerkt.“ Deshalb spezialisierte er sich nach dem Studium der Geologie und Mineralogie an der RWTH Aachen auf die Lagerstättenkunde. Er wollte Rohstoffe finden und er wurde fündig: ob als Geländegeologe auf Zypern, als Nachwuchswissenschaftler im kanadischen Toronto oder als wissenschaftlicher Assistent in Aachen.
Über weite Strecken dieses Wegs begleitete ihn oft seine Frau, später waren auch die gemeinsamen Kinder dabei. Inzwischen ist die Tochter 27; sie ist Journalistin von Beruf. Der 25-jährige Sohn absolviert gerade ein wirtschaftswissenschaftliches Erasmus-Mundus-Masterstudium.
Bald nach der Wende, im Jahr 1993, zog die Familie aus der Nähe von Aachen nach Freiberg in Sachsen, wo Peter Herzig den Lehrstuhl für Lagerstättenlehre und Petrologie an der traditionsreichen Bergakademie übernahm. Zehn Jahre später ging es zunächst ins britische Southampton und anschließend nach Kiel. Dort wurde Herzig erst Professor für Meeresgeologie an der Universität und kurze Zeit später Direktor des Zentrums für Ozeanforschung, das bis 2011 zur Leibniz-Gemeinschaft gehörte.
Der Wissenschaftsmanager ist oft in der Welt unterwegs – auf Konferenzen für das eigene Haus, aber seit Anfang 2015 auch häufig als Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Erst kürzlich konnte er einen langfristigen Forschungsvertrag über 3,4 Millionen Euro mit dem Oman abschließen.
Die Beine hochlegen kann Peter Herzig selten. Zu Hause wartet die Arbeit in einer kleinen Reitanlage auf ihn, die er zusammen mit seiner Frau in einem Dorf nahe Kiel betreibt. Mit seinem Hund, einem Labrador, stromert er gern durch die schleswig-holsteinische Landschaft. Und auf dem Meer sucht er inzwischen vor allem Erholung: als Segler in warmen Gewässern, bevorzugt in der Adria.
Peter Herzig hat an 25 Ozeanexpeditionen teilgenommen, er ist mit dem französischen Tauchboot Nautile 6000 Meter unter dem Meeresspiegel gewesen und in Tiefen vorgedrungen, in denen vor ihm kein anderer Mensch war. Vermisst so einer, trotz aller Geschäftigkeit an Land, nicht irgendwann das ozeanische Abenteuer? „Ja, das stimmt“, sagt Peter Herzig. „Aber vielleicht komme ich ja in ein paar Jahren wieder dazu.“
Heute sorgt Peter Herzig als Direktor des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel dafür, dass andere Wissenschaftler solche Expeditionen machen können. Sein Institut zählt zu den international führenden Einrichtungen auf seinem Gebiet und beschäftigt rund 900 Mitarbeiter. Ihnen steht ein moderner Gerätepark zur Verfügung: Forschungsschiffe, ein bemanntes Tauchboot, ferngesteuerte Unterwasserroboter und weitere autonome Systeme. Ein zunehmend wichtiges Forschungsgebiet sind die Rohstoffe aus dem Meer: „Dabei suchen wir nach Wegen zu einer möglichst umweltschonenden Nutzung dieser Ressourcen“, sagt der 61-Jährige.
Seit seiner ersten Expedition vor mehr als dreißig Jahren wurden in den Ozeanen immer mehr Bodenschätze entdeckt. Inzwischen weiß man von gigantischen Vorkommen an Gashydraten zur Energieerzeugung und großen Lagerstätten metallischer Rohstoffe. Viele dieser Stoffe haben Jahrmillionen gebraucht, um in Manganknollen der Tiefsee oder in den Kobaltkrusten an den Flanken untermeerischer Gebirge heranzuwachsen. Vergleichsweise rasant verläuft die Entwicklung an den heißen Quellen vulkanischer Zonen: Dort reifen mit Kupfer und Gold, Indium und Germanium gespickte Metallsulfide in wenigen Jahrtausenden heran.
„Eigentlich müssen wir nicht in die Tiefsee, um uns mit solchen Rohstoffen zu versorgen“, sagt Peter Herzig. Im Prinzip reichten die Vorräte an Land für alle – selbst bei einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen, wie sie für das Jahr 2050 prognostiziert wird. Die Bedingung dafür sei jedoch ein freier Welthandel ohne Monopole wie derzeit bei Platin und Palladium. Viel Aufsehen erregte vor wenigen Jahren ein chinesischer Exportstopp, der zeitweise zu einer bedrohlichen Verknappung bei Seltenen Erden führte. Herzig: „Angesichts solcher Unwägbarkeiten ist die Nutzung mariner Ressourcen durchaus sinnvoll.“
Noch baut kein Land Erze am Meeresboden ab, aber vielerorts laufen schon Vorbereitungen. Auch Deutschland besitzt eine Lizenz auf ein Explorationsgebiet von der Größe Bayerns im Pazifischen Ozean. Sie gilt noch bis zum Jahr 2021 und wird derzeit für die Forschung genutzt. Im Mittelpunkt stehen die empfindlichen Ökosysteme der Tiefsee und ihre Reaktion auf typische Bergbau-Aktivitäten. Problematisch sei vor allem das Aufwirbeln von Sediment, sagt Peter Herzig, weil der dabei entstehende Staubsturm Meeresorganismen beeinträchtigen könne. „Nur wenn wir das mit einer innovativen Methode in den Griff bekommen, ist an einen Abbau zu denken.“
Gern wüsste der Kieler Wissenschaftler dabei einen Industriepartner an seiner Seite: „Aber Deutschland hat seine einst profitablen Explorations- und Bergbaufirmen verloren.“ Um angesichts starker Bergbaunationen wie Australien oder Kanada nicht komplett zurückzufallen, schlägt Herzig die Gründung einer staatlich gestützten Firma vor. Das Bundeswirtschaftsministerium erwäge die Idee zurzeit. Weiteren Zuspruch erwartet Herzig in zwei, drei Jahren: „Voraussichtlich beginnt dann vor Papua-Neuguinea der erste Abbau Erzen aus der Tiefsee ¬– das wird weltweit eine Lawine lostreten.“
Peter Herzig hat ein Faible für anwendungsnahe Forschung: „Dass ich nicht der geborene Grundlagenforscher bin, habe ich schon früh gemerkt.“ Deshalb spezialisierte er sich nach dem Studium der Geologie und Mineralogie an der RWTH Aachen auf die Lagerstättenkunde. Er wollte Rohstoffe finden und er wurde fündig: ob als Geländegeologe auf Zypern, als Nachwuchswissenschaftler im kanadischen Toronto oder als wissenschaftlicher Assistent in Aachen.
Über weite Strecken dieses Wegs begleitete ihn oft seine Frau, später waren auch die gemeinsamen Kinder dabei. Inzwischen ist die Tochter 27; sie ist Journalistin von Beruf. Der 25-jährige Sohn absolviert gerade ein wirtschaftswissenschaftliches Erasmus-Mundus-Masterstudium.
Bald nach der Wende, im Jahr 1993, zog die Familie aus der Nähe von Aachen nach Freiberg in Sachsen, wo Peter Herzig den Lehrstuhl für Lagerstättenlehre und Petrologie an der traditionsreichen Bergakademie übernahm. Zehn Jahre später ging es zunächst ins britische Southampton und anschließend nach Kiel. Dort wurde Herzig erst Professor für Meeresgeologie an der Universität und kurze Zeit später Direktor des Zentrums für Ozeanforschung, das bis 2011 zur Leibniz-Gemeinschaft gehörte.
Der Wissenschaftsmanager ist oft in der Welt unterwegs – auf Konferenzen für das eigene Haus, aber seit Anfang 2015 auch häufig als Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Erst kürzlich konnte er einen langfristigen Forschungsvertrag über 3,4 Millionen Euro mit dem Oman abschließen.
Die Beine hochlegen kann Peter Herzig selten. Zu Hause wartet die Arbeit in einer kleinen Reitanlage auf ihn, die er zusammen mit seiner Frau in einem Dorf nahe Kiel betreibt. Mit seinem Hund, einem Labrador, stromert er gern durch die schleswig-holsteinische Landschaft. Und auf dem Meer sucht er inzwischen vor allem Erholung: als Segler in warmen Gewässern, bevorzugt in der Adria.
Peter Herzig hat an 25 Ozeanexpeditionen teilgenommen, er ist mit dem französischen Tauchboot Nautile 6000 Meter unter dem Meeresspiegel gewesen und in Tiefen vorgedrungen, in denen vor ihm kein anderer Mensch war. Vermisst so einer, trotz aller Geschäftigkeit an Land, nicht irgendwann das ozeanische Abenteuer? „Ja, das stimmt“, sagt Peter Herzig. „Aber vielleicht komme ich ja in ein paar Jahren wieder dazu.“
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