Helmholtz weltweit
Auf der Suche nach versteckten Schätzen
Mit Hightechgeräten spürt Richard Gloaguen in den entlegensten Gegenden der Welt Rohstoffe auf. Seine wochenlangen Expeditionen hinterlassen auf der Erde keine Spuren: Statt mit Probebohrungen arbeitet er mit Spezialkameras.
Im Zelt ausharren, während in wenigen Metern Entfernung eine Elefantenherde vorbeizieht – kann man so viel Coolness im sächsischen Wald trainieren? Richard Gloaguen winkt ab. „Wir haben schon viele brenzlige Situationen erlebt, aber nicht wirklich etwas ganz Gefährliches“, sagt der Geowissenschaftler. „Die Zecken im sächsischen Wald machen mir persönlich mehr Angst als die Wildnis Namibias!“ Das klingt nach reichlich Understatement, denn auf seinen Reisen hatte es der 51-Jährige schon mit Schlangen, Wildkatzen und giftigen Spinnen zu tun. Im Auftrag des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) leitet Richard Gloaguen Expeditionen um die ganze Welt. Mehrere Monate pro Jahr verbringt er mit seinem Team in den fernsten Gebieten der Erde – im eisigen Grönland, in der einsamen Steppe Äthiopiens oder auch in der steinigen Wüste Namibias.
„HIF Explo“ heißt die Mannschaft, die Richard Gloaguen leitet, und was sie erforschen, bildet den Grundstein für die Energiewende und die Elektromobilität: Sie suchen wichtige Rohstoffe wie Seltene Erden in Gebieten, die schwer zugänglich sind, ökologisch sensibel – und weitgehend unerforscht. „Dort liegen Materialien wie Neodym, Kobalt oder Lithium unter der Oberfläche, die für viele Zukunftstechnologien dringend gebraucht werden.“
Für seine Suche verwenden Richard Gloaguen und seine Kollegen modernste Technik. Damit können sie spurlos arbeiten – anders als es früher üblich war. „Die klassische Feldforschung sieht zahlreiche invasive Probenahmen vor, deren Analyse zusätzlich lange dauert“, sagt Richard Gloaguen. Statt nach Proben zu bohren und damit die Natur zu belasten, setzt er auf Hightech: Er arbeitet mit Drohnen, um die Vorkommen zu identifizieren und zu kartieren. Ausgestattet mit sogenannten hyperspektralen Kameras verarbeiten sie das von der Sonne reflektierte Licht, mit geophysikalischen Sensoren erfassen sie Anomalien im Untergrund. Dadurch lassen sich Informationen über die physikalischen Eigenschaften der Erdoberfläche ableiten – Anzeichen für Erzkörper und Rohstoffvorkommen. Das Fernerkundungsteam um Richard Gloaguen leistet damit Pionierarbeit und will die klassische Erkundung revolutionieren.
Auf die Anforderungen bereitet sich das meistens sechsköpfige Team einmal im Jahr intensiv im sächsischen Wald vor. Hier werden das Überleben trainiert, der Ernstfall geprobt und Notfälle simuliert. Nur wer sich als tauglich erweist, kann mitreisen. „Man muss es aushalten können, dass plötzlich Zebras oder Schakale neben einem auftauchen“, sagt Richard Gloaguen. Dafür sei man eben privilegiert, außergewöhnliche Gegenden der Erde zu sehen: Mehrmals pro Jahr verreist das Team für jeweils bis zu vier Wochen.
Vor allem in Namibia war Richard Gloaguen in den vergangenen Jahren unterwegs. Das afrikanische Land mit gerade einmal 2,8 Einwohnern pro Quadratkilometer gilt als eines der am dünnsten besiedelten Länder. Hier ist auch die älteste Wüste der Welt, die Namib, zu finden. „In der Regel übernachten wir im Zelt, weil in der Nähe unserer Stationen meist keine anderen Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden sind“, erzählt Richard Gloaguen. Um das Risiko zu minimieren, achte man allerdings darauf, das Lager in Reichweite von Zivilisation zu errichten. Aber nicht immer sei das möglich. „Wenn das nächste Krankenhaus oder die größere Stadt weit weg ist, ist alles potenziell gefährlich.“ Mehrere Zelte dienen dem Team als Basisstation, in der geschlafen und gekocht wird. „Wir stehen morgens mit dem Sonnenaufgang auf und ziehen los nach dem Frühstück, mit dessen Zubereitung wir uns abwechseln“, erklärt Richard Gloaguen. Auch die Zubereitung des Abendessens ist Teamsache. Gegessen wird, was das Team an Konserven mitbringt und lokal einkauft – mittlerweile haben sich im Team auch richtige Geländeköche etabliert. Lange Zeit musste als Sitzgelegenheit eine Decke reichen, mittlerweile aber gehören Klapptisch und Stühle zur Standardausrüstung. „Die sind zwar eigentlich zum Arbeiten gedacht – aber was für ein Luxus ist es, nach einem langen Tag im Gelände einigermaßen gemütlich zu sitzen!“ Die Gegend wird zu Fuß erkundet, Wege gibt es in diesen kaum erkundeten Orten oft keine. Die Forscher kennen sich in den Gebieten mitunter sogar besser aus als die Einheimischen. Kaum eine Straße, die noch nicht inspiziert wurde, wenig erforschte Gegenden, die sie noch nicht von oben gesehen haben oder durchwandert sind.
Diese Ortskenntnisse hängen mit ihrer Erkundungsmethode per Drohne zusammen. Die Multikopter oder auch sogenannte Starrflügler haben eine große Reichweite und sind so stabil gebaut, dass sie auch schwere Kameras und Sensoren transportieren können. Die Drohnen erschweren aber auch die Einreise in manche Länder: Weil die Kameras nicht nur für wissen-schaftliche Ziele genutzt werden könnten, sondern für militärische Zwecke, braucht es Einfuhr- und auch Ausfuhrgenehmigungen. „Oft arbeiten wir aber mit lokalen Instituten zusammen, das erleichtert die Arbeit auf administrativer Ebene ebenso wie auf logistischer im Gelände“, sagt Richard Gloaguen.
Trotz dieses Aufwands: Er ist überzeugt davon, dass die Vorteile überwiegen – und ohnehin setzt er mit seinem Team auf Transparenz: Die Mitarbeiter tragen Warnwesten – auch in der Wüste – und sind damit stets deutlich zu erkennen. Zugleich achten sie darauf, sich vor allem Einheimischen fern der Städte behutsam zu nähern. „Wir fliegen nie über Menschen oder Siedlungen“, sagt Richard Gloaguen. „Und wir passen immer auf, wie wir etwas tun – wir wollen genau den nicht-invasiven Aspekt und die Akzeptanz stärken.“
Für die Forscher sind die Reisen auch körperlich strapaziös. „Wir laufen viel, denn wir müssen immer in der Nähe der Drohnen bleiben. Dabei müssen wir die Instrumente tragen, die bis zu 30 Kilogramm schwer sind“, sagt der Geologe. Mit Walkie-Talkies verständigt sich das Team, hält dabei die Drohnen stets im Blick. Gearbeitet wird, bis es dunkel wird, jede Minute gilt es auszunutzen. Im Lager werden dann die Daten gesichert und die Batterien mit Aggregaten aufgeladen, ab 20 Uhr ist für das erschöpfte Team Nachtruhe angesagt, damit für den nächsten Tag Kraft getankt werden kann. Oft heißt es dann: Lager abbauen, weiterziehen, Hunderte Kilometer entfernt von vorn starten. „Das Reisen während der Expeditionen ist der anstrengendste Teil – sowohl physisch als auch psychisch“, sagt Richard Gloaguen.
Das Klima ist in Namibia heiß – arid, die Luft ist also besonders trocken, die Temperaturen können im Sommer auf über 40 Grad klettern. Es gibt wenig Gegenden auf der Welt, die Richard Gloaguen auf der Suche nach Rohstoffen noch nicht kennengelernt hat. Neuseeland würde ihn reizen, sagt er dann – „aber nicht mit dem Zelt. Wenn ich privat reise, dann genieße ich einen gewissen Komfort.“ Ein Städtetrip mit viel Kultur reizt ihn nach den anstrengenden Dienstreisen viel mehr als Campen und Abenteuerurlaub. „Sehr zum Leid meiner Kinder“, fügt er dann schmunzelnd hinzu.
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