Seismologie
Mission Mars
Anfang Mai ist eine robotische Mission zum Mars gestartet. Sie soll den roten Planeten seismologisch erkunden. Die Wissenschaftler erhoffen sich durch die Einblicke in das Innere des Planeten sogar neue Erkenntnisse zur Entstehung der Erde.
Wie das Innere unserer Erde aufgebaut ist, steht heute in jedem Erdkunde-Schulbuch. Forscher kennen die Struktur von Erdkern, Mantel und Erdkruste sehr genau – und das obwohl keine Bohrung der Welt jemals auch nur die äußere Kruste durchdrungen hat. Aus dem Erdinneren strömt Wärme an die Oberfläche, was auf ein heißes Inneres hindeutet. Die Erde hat zudem ein vergleichsweise starkes Magnetfeld, was ein elektrisch gut leitendes Metall im Inneren erfordert. Vulkanausbrüche stoßen Material aus dem Erdmantel an die Oberfläche, das aus mehreren hundert Kilometern Tiefe stammen kann. Auch Meteoriten liefern uns wichtige Informationen, denn sie haben sich aus der gleichen Staubwolke gebildet, wie einst unsere Erde. Der Schlüssel zum Erdinneren ist aber die Seismologie, also die Erforschung von Erschütterungen der Erde und ihrer Ausbreitung. Aus seismologischen Daten können Wissenschaftler erstaunlich viele Informationen lesen.
Sogar der innere Aufbau unseres Mondes ist recht gut bekannt. Er wurde mit seismologischen Instrumenten vermessen, welche die Astronauten des Apollo-Programms aufgebaut hatten. Mit der robotischen Mission Mars InSight, die in wenigen Tagen starten und am 26. November 2018 auf dem Mars landen soll, wollen Planetenforscher nun auch den Mars seismologisch "durchleuchten".
Die Wissenschaftler erhoffen sich davon ein genaueres Bild von der Entstehung der Gesteinsplaneten unseres Sonnensystems vor rund 4,6 Milliarden Jahren. Zu dieser "Familie" von Himmelskörpern mit ähnlicher Entstehungsgeschichte zählen die Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars. An den Forschungsinstrumenten für Mars InSight sind Universitäten und Forschungsinstitute vieler europäischer Länder beteiligt.
Die beiden wichtigsten Instrumente kommen aus Frankreich und Deutschland. Das Seismometer mit dem Namen SEIS wird von der französischen Raumfahrtagentur CNES beigesteuert. Dessen Herzstück sind drei hochempfindliche Pendel, die jede noch so kleine Bewegung der Marsoberfläche elektronisch registrieren sollen. Zum Schutz vor Wind und dem feinen Marssand wird das Seismometer nach dem Absetzen auf der Marsoberfläche mit einem Roboterarm von einer eigens entwickelten Schutzglocke bedeckt.
Der Mars als einfache Wärmekraftmaschine
Zudem ist eine Bodensonde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an Bord von InSight. Tilman Spohn vom DLR ist der Forschungsleiter des Experiments mit dem Namen "Paket zur Untersuchung von Wärmefluss und physischen Eigenschaften", englisch abgekürzt HP³. "Wir arbeiten zum ersten Mal auf einem anderen Planeten mit einer Art Ramm-Sonde, die sich selbst in den Boden hämmern kann", erzählt Spohn. "Sie ist etwa 30 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von drei Zentimetern. Beim Eindringen zieht sie eine Kette von Temperatursensoren hinter sich her."
Bis zu fünf Meter tief soll HP³ in den Marsboden vordringen, um Temperaturmessungen unabhängig von tages- und jahreszeitlichen Schwankungen zu machen. Warum interessiert die Forscher die Temperatur im Marsboden? "Das Magnetfeld, die geologische Aktivität und sogar die Bildung einer Atmosphäre: vieles, was einen Planeten ausmacht, hängt mit dem Wärmefluss aus seinem Inneren zusammen", erklärt Spohn.
"Wir wollen deshalb den Mars in seiner Eigenschaft als Wärmekraftmaschine untersuchen, die – vergleichbar einer alten Dampfmaschine – geheizt wird, am Planeten selbst Arbeit verrichtet und schließlich auch Wärme nach außen abgibt." Das verspricht laut Tilman Spohn auch Erkenntnisse über unseren eigenen Planeten: "Im Vergleich zur Erde ist der Mars eine einfachere Wärmekraftmaschine – aber wie so oft, lässt sich ein komplexes System besser verstehen, wenn man ein einfaches Beispiel studiert."
Seismologische Ahnenforschung
Wie lange und welche physikalische Arbeit die Wärme aus dem Inneren verrichtet, bestimmt den Charakter eines Himmelskörpers entscheidend. Die gängige Theorie zur Frühzeit des Sonnensystem vor rund 4,6 Milliarden Jahren besagt Folgendes: Die Gesteinsplaneten bildeten sich aus Zusammenstößen von Staub und Gesteinsbrocken. Mit der Zeit wurde ihr Inneres immer heißer, angetrieben durch die Energie der Kollisionen sowie den Zerfall radioaktiver Elemente.
Die Hitze setzte die sogenannte Differentiation in Gang, bei der sich verschiedene chemische Elemente und Mineralien trennten und schließlich Kern, Mantel und Kruste der Planeten ausbildeten. Diese differenzierte Struktur, angetrieben von der inneren Wärme, brachte schließlich Tektonik und Vulkanismus in Gang und führte zur Ausbildung von Magnetfeldern und Atmosphären.
Sowohl die Erde als auch unser Mond dürften diesen Prozess durchlaufen haben. Beide taugen dafür allerdings nur bedingt als Anschauungsobjekte: Die Erde ist wegen ihrer Größe immer noch so aktiv, dass sie ihre Kruste ständig erneuert. Geologische Spuren aus der Zeit vor über vier Milliarden Jahren sucht man deshalb vergebens. Auf der anderen Seite ist der Mond so klein, dass sein Inneres nie so hohe Temperaturen und Drücke erlebte wie die größeren Planeten.
Hier kommt Mars ins Spiel: Er ist deutlich größer als der Mond, aber immer noch deutlich kleiner als die Erde. Seine frühe Entwicklung, so hoffen die Forscher, war der Erde sehr vergleichbar. Dann kühlte er jedoch wesentlich schneller aus, sodass Vulkanismus und Tektonik zum Erliegen kamen. So blieben große Teile seiner Kruste über Jahrmilliarden erhalten, und bieten nun einen Einblick in diese frühe Geschichte.
Obwohl es also auf dem Mars vergleichsweise ruhig zugeht, erwarten die Seismologen reichhaltige Messdaten, etwa durch Meteoriteneinschläge, die während der Beobachtungszeit stattfinden. Diese können mit etwas Glück nicht nur von InSight erfasst werden: Andere Raumsonden wie der Mars Reconnaissance Orbiter der NASA oder die ESA-Sonde Mars Express könnten aus der Marsumlaufbahn die Einschläge lokalisieren. Die Ausbreitung der Erschütterungen durch die Einschläge wird durch das Seismometer von InSight am Boden gemessen. Aus der Kombination dieser Informationen ließen sich dann reichhaltige geologische Information errechnen.
Die Forscher sind deshalb zuversichtlich, dass InSight nicht nur einen einmalig detaillierten Einblick in unseren Nachbarplaneten liefern wird – die Mission könnte sogar helfen, die Entstehungsgeschichte unserer gesamten Nachbarschaft im Sonnensystem zu entschlüsseln.
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