
Story #12
Unsere Mission: Energie gewinnen wie in der Sonne
Kernfusion ist die einzige klimaneutrale Energiequelle, die die Menschheit noch nicht erschlossen hat. Das Großexperiment Wendelstein 7-X in Greifswald soll den Weg zu einem Fusionskraftwerk ebnen. Diese weltweit leistungsfähigste Anlage ihrer Art entstand in enger Zusammenarbeit zwischen Helmholtz und Max-Planck.
Für die Energieversorgung der Zukunft haben wir ein gewaltiges Vorbild: die Sonne. Ohne sie wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Die Energie, die sie in Form von Licht und Wärme ausstrahlt, entsteht durch Kernfusion – das Verschmelzen leichter Atomkerne in einem Millionen Grad heißen Plasma. Forscher:innen wollen diesen Prozess auf der Erde nachahmen und verfolgen dazu mehrere Strategien. Die weltweit fortschrittlichste und leistungsfähigste Anlage dafür vom Typ Stellarator betreibt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP): Wendelstein 7-X. Das IPP war bis 2021 Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und ist seitdem wissenschaftlich assoziiert.
Die Anlage in Greifswald sperrt ein mehrere Millionen Grad Celsius heißes Gas – ein Plasma – so in einem ringförmigen Magnetfeld ein, dass es weitgehend berührungsfrei in einem Donut-förmigen Vakuumgefäß schwebt.
Aufgebaut wurde die hochkomplexe Anlage unter Leitung des IPP gemeinsam mit Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen aus ganz Europa, darunter auch die Helmholtz-Zentren Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Forschungszentrum Jülich. Nach der Inbetriebnahme 2015 erreichte sie 2022 ihre volle Ausbaustufe.
Fusionsanlage Wendelstein 7-X – animiert aus Konstruktionsdaten
Wendelstein 7-X besteht aus fünf nahezu baugleichen Modulen, die vormontiert und in der Experimentierhalle kreisförmig zusammengesetzt wurden. 70 supraleitende Spulen, aufgefädelt auf ein stählernes Plasmagefäß, sind von einer ringförmigen Hülle umschlossen. In ihrem luftleer gepumpten Innenraum werden die Magnetspulen mit flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur bis nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt – so verbrauchen sie nach dem Einschalten kaum Energie. 50 dieser bis zu 3,5 Meter hohen und 6 Tonnen schweren Spulen sind nicht eben, sondern komplex gewunden.
Neben diesen Großkomponenten waren kilometerweise Kühlrohre, Stromleiter und Messkabel, zahlreiche Beobachtungsstutzen und Sensoren zu verbauen, stets begleitet von Kontrollvermessungen und Dichtigkeitsprüfungen der vielen tausend Schweißnähte.
Ohne die intensive Zusammenarbeit der beteiligten Forschungszentren wäre dieses Großprojekt kaum zu stemmen gewesen. Jedes von ihnen brachte dabei seine spezielle Expertise ein: Das KIT etwa übernahm die Verantwortung für den Bau des wichtigsten Plasmaheizsystems – der Elektronen-Zyklotron-Resonanzheizung (ECRH) – und entwickelt es bis heute weiter. 2024 konnte das weltweit leistungsfähigste Modul dieser Art in Betrieb gehen: Das von der Firma Thales gebaute Gyrotron kann deutlich mehr als ein Megawatt Leistung über Mikrowellen ins Plasma koppeln. Zudem entwickelte und fertigte das KIT die Stromzuführungen der Spulenstromkreise: Sie verbinden die normalleitende Stromversorgung mit den supraleitenden Spulen. Unter Verwendung von Hochtemperatursupraleitern ist es möglich diese neuartigen Stromzuführungen platzsparend unter der Anlage anzubringen – und damit gegen die Richtung der normalen Wärmekonvektion, mit dem warmen Ende unten und dem kalten Ende oben.
Das Forschungszentrum Jülich entwickelte die supraleitenden Zuleitungen für die Magnetspulen von Wendelstein 7-X. Dieses Spinnennetz-artige System muss im Magnetfeld großen Kräften standhalten, weshalb es geometrisch sehr komplex geformt ist. Zusammen mit dem belgischen Forschungsinstitut ERM/KMS entwarf das Forschungszentrum Jülich außerdem die Ionen-Zyklotron-Resonanz-Heizung (ICRH) für Wendelstein 7-X.
Für die Vermessung der Plasmaeigenschaften entwickelte das Forschungszentrum Jülich zudem neuartige Geräte, darunter
- HEXOS, ein Spektrometer für den ultravioletten Wellenbereich, mit dem sich Verunreinigungen im Plasma entdecken lassen,
- endoskopische Spektrometer zur Untersuchung der Plasma-Wand-Wechselwirkung,
- einen Multipurpose Manipulator, der Sondenköpfe für Sekundenbruchteile ins heiße Plasma einführen kann.
Bild: Jan Hosan
Beteiligte Zentren
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching betreibt Forschungen zur Kernfusion. Das Ziel: die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen.