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Interview

Neues Elementarteilchen entdeckt

Torben Ferber vom DESY

Alle Materie, die wir kennen, besteht aus Quarks. Sie sind die Grundbestandteile unserer Welt, aus Quarks sind Teilchen wie Protonen und Neutronen zusammengesetzt. Maximal drei Quarks pro Teilchen, so lautete bislang die Gleichung. Jetzt haben Wissenschaftler beim japanischen Beschleuniger-Experiment BELLE ein geladenes Teilchen entdeckt, das aus vier Quarks besteht – und viermal so schwer ist wie ein Proton. Eine kleine Sensation, sagen Forscher. DESY-Teilchenphysiker Torben Ferber ist einer der deutschen Mitarbeiter an dem Projekt.

Ganz platt gefragt: Was hat die Welt von der Entdeckung dieses Teilchens?

Dass wir wieder ein bisschen mehr verstehen, wo wir herkommen, was zwischen Urknall und heute passiert ist. Es ist eines von vielen, vielen Puzzlestücken - aber ein besonders Spannendes. In diesem Bereich hatten wir lange gesucht, und endlich haben wir etwas gefunden. Daraus werden nicht morgen oder übermorgen Anwendungen folgen. Aber es gehört zur Grundlagenforschung der Teilchenphysik, um das große Ganze zu verstehen.

Was ist das Besondere an diesem neu entdeckten Teilchen?

Dass man es in dieser Art noch nicht gesehen hatte. Alle Grundbausteine der Materie, die wir bisher kennen und die aus Quarks zusammengebaut sind - etwa das Proton oder das Neutron - bestehen aus zwei oder drei Quarks. Das sind keine spektakulären Teilchen, die sehen wir sehr oft. In dieses Modell passt das gefundene Teilchen nicht rein, weil es aus vier Quarks besteht. Nach diesem Teilchen hatte man lange gesucht; dass wir es jetzt gefunden haben, ist schon eine Sensation.

Wenn man danach gesucht hat, gab es also auch eine Theorie, nach der es existieren musste?

Ja, und zwar nach der Quantenchromodynamik. Sie erklärt, wie Quarks miteinander interagieren, und nach ihr können Teilchen im Prinzip auch aus vier Quarks bestehen - wenn auch nicht in beliebigen Kombinationen. Doch das ist bislang nur unsere Theorie gewesen. Die Natur hätte sich ja in der Realität trotzdem gegen deren Existenz entscheiden können. Hat sie aber nicht. Nun ist es Aufgabe der Theoretiker, zu überprüfen, was das bedeutet und Vorhersagen zu machen, wonach wir Experimentalphysiker weitersuchen müssen. Das ist natürlich das Spannende.

Wenn es Teilchen aus vier Quarks gibt, dann vielleicht auch aus fünf?

Das ist durchaus möglich. Der nächste Schritt ist jetzt, dass uns die Theoretiker sagen, in was dieses neue Teilchen zerfallen müsste. Es lebt ja nur sehr kurz. Nach 10-23 Sekunden (weniger als eine Trilliardstel Sekunde) ist es schon wieder zerfallen. Aber in was genau? Bei seiner Entdeckung gab es noch eine Besonderheit: Das Teilchen wurde fast gleichzeitig beim japanischen BELLE-Experiment und beim BESIII-Experiment in China gesehen. Das ist für uns Physiker immer besonders wichtig, wenn ein zweites Experiment unabhängig das gleiche sieht. Das bestätigt, dass es nicht an einer Messungenauigkeit des Detektors gelegen haben kann.

Wer hat es eher gefunden?

Beide haben am gleichen Tag veröffentlicht.

Ist das reiner Zufall?

Nein, der Zeitpunkt der Veröffentlichung wird schon abgestimmt, man weiß meist schon ungefähr, was die anderen Gruppen machen. In diesem Fall war es sogar so, dass die Autoren sich zum Teil überschnitten haben.

Wie groß ist das Konkurrenzdenken, wenn verschiedene Teams auf dem gleichen Feld forschen?

Der Umgangston ist immer professionell und freundlich. Natürlich ist das immer eine Art Wettrennen, aber gleichzeitig eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, mit anderen Worten: eine gesunde Konkurrenz.

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