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Planetary Protection

Der Schutz bewohnbarer Welten

Für Proben, bei denen die Gefahr einer Ausbreitung von möglicherweise vorhandenen extraterrestrischen Lebewesen bestehen könnte, nutzen die Forscher Reinräumen. Bild: DLR

Das Leben ist hart im Nehmen. Durchaus denkbar, dass es auch auf anderen Himmelskörpern existieren könnte – oder mit der nächsten Forschungssonde dort eingeschleppt wird. Das wollen Wissenschaftler wie Petra Rettberg unbedingt verhindern. Ihre Profession: Planetary Protection.

Auf der Erde hat das Leben selbst die unwirtlichsten Nischen erobert. Einzeller, aber auch Flechten und Pilze gedeihen im kochenden Wasser von Geysiren, überstehen Salzkonzentrationen, die einer Pökellake gleichen, lieben eine Umgebung, so sauer wie Batteriesäure oder widerstehen mühelos den eisigen Temperaturen an den Polen. Extremophile Organismen werden sie genannt, denn sie lieben das Extreme. Und es geht noch härter – inden beiden Experimenten BOSS- und BIOMEX des DLR mussten sich die zähesten Vertreter irdischen Lebens 533 Tage lang im Vakuum, unter intensive UV-Strahlung und bei enormen Temperaturschwankungen beweisen. Eine Tortur, die einige von ihnen tatsächlich überlebt haben.

Was dieses Ergebnis für zukünftige Weltraummissionen bedeutet, damit beschäftigt sich Petra Rettberg. Sie leitet die Arbeitsgruppe Astrobiologie am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Im Interview erzählt die Expertin für Planetary Protection, wie heute mit Proben von fremden Welten umgegangen werden wird und warum wir nicht nur unseren eigenen Planeten vor fremden Mikroorganismen schützen sollten.

Frau Rettberg, wen will die Planetary Protection schützen?

Es gibt zwei Gründe für Planetary Protection. Erstens müssen wir die Erde schützen, wenn Proben von möglicherweise habitablen Orten in unserem Sonnensystem hierhergeholt werden. Denn die könnten vielleicht gefährlich sein. Das nennen wir Backward Planetary Protection. Und zweitens müssen wir verhindern, dass wir Verunreinigungen zu anderen Himmelskörpern mitnehmen. Das nennen wir Forward Planetary Protection.

Den eigenen Planeten vor fremden Lebensformen zu schützen, klingt verständlich. Aber warum schließt der Schutz auch andere Himmelskörper mit ein?

Dr. Petra Rettberg, Leiterin der Arbeitsgruppe Astrobiologie im Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Bild: DLR

Es könnte sein, dass es auf Himmelskörpern in unserem Sonnensystem organische Moleküle, präbiotische Verbindungen, oder sogar einfache Lebensformen gibt. Diese Objekte – also hauptsächlich der Mars und in den Ozeanen der Eismonde des äußeren Sonnensystems – sind besonders geschützt. Bei diesen müssen wir sicherstellen, dass wir nicht unbeabsichtigt, organische Verunreinigungen oder Mikroorganismen dorthin bringen. Denn wenn wir diese bei späteren Missionen auf dem Himmelskörper finden, würden wir behaupten, es gäbe Leben oder Vorstufen von Leben auf dem Mars oder Europa oder Enceladus. Das sind dann falsch-positive Ergebnisse und damit ruinieren wir unsere eigenen Untersuchungen. Forward Planetary Protection soll also die Integrität der wissenschaftlichen Analysen für aktuellen, aber auch zukünftige Weltraummissionen sicherstellen.

Kann man denn überhaupt sicherstellen, dass keine Mikroorganismen quer durchs Sonnensystem reisen?

Man kann dafür sorgen, dass sie unterhalb eines bestimmten Limits reisen. Und dafür gibt es eine ganze Serie von Maßnahmen. Das ist aber grundsätzlich nicht neu. Die gab es auch schon für die Viking-Missionen der NASA in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Man muss sich von Anfang an über den Aufwand im Klaren sein; beim Zusammenbau eines Raumfahrzeugs regelmäßig Proben nehmen; alles sorgfältig dokumentieren. Natürlich müssen auch die Einzelteile gereinigt und sterilisiert werden, je nachdem, wie hoch die Anforderungen sind. Das ist machbar. Es muss nur geplant werden. Man kann nicht erst alles fertigbauen und dann im Ganzen sterilisieren.

Gehen wir den umgekehrten Weg. Sample Return Mission bringen ja unbekanntes Material von einer fremden Welt zur Erde. Unter welchen Bedingungen werden diese hier gelagert und untersucht?

Das hängt davon ab, von wo sie kommen. Bisher haben wir noch keine Proben von habitablen Himmelskörpern hier bei uns auf der Erde. Wir haben lediglich Proben vom Mond – und da sehr viele – und Staubproben aus dem Weltraum. Die stammen etwa von der japanischen Mission Hayabusa. Auch OSIRIS-Rex, eine Mission, die jetzt unterwegs ist, wird welche zur Erde zurückbringen. Solche Staubpartikel sind außerordentlich wertvoll. Jedes einzelne Korn wird sorgfältig gelagert und untersucht. Die Lagerung erfolgt in Reinräumen und die Untersuchung sowieso. Man muss ja vermeiden, dass ausversehen Partikel aus der normalen Umgebung auf die Proben gelangen. Denn das würde wieder falsch-positive Ergebnisse liefern. Trotzdem sind die Anforderungen viel geringer, als bei Proben, die von möglicherweise bewohnten Planeten kommen.

Wie würden diese dann aussehen?

Bisher gibt es noch keine Einrichtungen für Proben, bei denen die Gefahr einer Ausbreitung von möglicherweise vorhandenen extraterrestrischen Lebewesen bestehen könnte. Es gibt aber schon sehr konkrete Vorstellungen, wie diese Reinräume technisch ausgestattet sein sollen. Einerseits müssten sie die Sicherheitsanforderungen eines Biosafety Level 4 Labors erfüllen. Solche Labore gibt es ja schon heute in verschiedenen Ländern. Aber die sind eben dazu da, die Personen darin zu schützen, während sie mit pathogenen Organismen arbeiten. Bei einem Reinraum für Proben vom Mars ist aber noch ein zweiter Aspekt wichtig. Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass die wertvollen Proben mit irdischen Partikeln, organischen Verbindungen oder gar irdischen Mikroorganismen verunreinigt werden. Es sind also besondere Vorkehrungen in beide Richtungen zu treffen – einmal zum Schutz der Erde und der Mitarbeiter hier; zum andern aber auch zum Schutz der wertvollen Proben.

Perspektivisch wird es aber sicher nicht bei Proben bleiben. Irgendwann werden die ersten Raumfahrer vom Roten Planeten nach Hause kommen. Schleppen wir damit nicht zwangsläufig außerirdisches Material auf die Erde ein?

Das muss nicht so sein. Und besonders beim Mars darf es auch nicht so sein bevor wir Gefahren für die Erde ausschließen können. Alles, was mit irgendwelchen Marspartikeln, wie zum Beispiel Staub behaftet ist, darf vorher nicht ungeschützt und unkontrolliert auf die Erde gebracht werden.

Und wie soll das verhindert werden?

Marsproben werden in einem etwa fußballgroßen Behältnis zur Erde reisen. Dessen Hülle besteht aus mehreren Schichten. Die äußeren Flächen, die mit der Marsatmosphäre und dem Marsstaub in Berührung gekommen sind, werden schon im Marsorbit abgestoßen. Wir sprechen hier von der Chain of Contact. Es ist ein sehr kompliziertes Verfahren, mit dem man sicherstellen kann, dass die Chain of Contact auf jeden Fall unterbrochen ist, dass nicht einige Partikel unbeabsichtigt vom Mars unkontrolliert bei uns ankommen. Alle anderen Sachen oder Ausrüstungsgegenstände werden auf der Oberfläche oder im Orbit gelassen. Oder sie werden weggeschossen.

Also werden die Marsreisenden selbst ihre Anzüge dort lassen müssen?

Das auf jeden Fall. Und das ist ein sehr interessantes Thema. Es sind ja schon lange bemannte Marsmissionen von verschiedenen Nationen und Organisationen im Gespräch. Dennoch wird es mindestens 20 oder 30 Jahre dauern, bevor so etwas realisiert wird. Aber jetzt werden schon Technologien entwickelt, wie man Habitate baut, wie man sichere Schleusen baut, wie man verhindert, dass Staub in ein Habitat kommt. Denn grade bei den Apollo-Missionen hat man gesehen, dass es schon auf dem Mond ein großes Staubproblem gibt. Und der hat nicht mal den Hauch einer Atmosphäre. Trotzdem kam Staub ins Innere der Raumschiffe. Das heißt, sie war nicht wirklich hermetisch dicht. Nicht nach innen und somit auch nicht nach außen.

Hier mischen sich also Backward und Forward Planetary Protection?

Richtig. Einerseits müssen wir den Mars für schützen solange es für künftige wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich ist. Wir Menschen verbreiten ja auch sehr viele Mikroorganismen, die ein natürlicher Bestandteil von uns sind. Da muss man überlegen, wie man das beschränkt und technische Lösungen finden. Auch daran arbeitet man bereits. Aber es sind eben langfristige Forschungsprogramme. Andererseits müssen wir aber auch den Menschen schützen, der dort landet und ja zur Erde zurückkommen möchte. Und da darf er nicht ausversehen unbekannte Partikel mitbringen. Später, wenn man den Mars sehr genau und intensiv untersucht hat und ausschließen kann, dass es dort Leben gibt, dann entfallen diese ganzen Regelungen. Aber die ersten Jahrzehnte, in denen wir den Mars noch nicht wirklich gut kennen, vor allem bisher ihn nicht bis in die Tiefe untersucht haben, geht das nicht.

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