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Blickwinkel

Braucht Deutschland mehr Eliteförderung?

Bild: Jindrich Novotny

Harvard, Oxford und Yale – bekannte Namen, die sofort mit Elite in Zusammenhang gebracht werden. Doch wie ist die Lage in Deutschland? Braucht es auch hierzulande mehr Eliteförderung? Zwei Blickwinkel.


Christian HammLeiter Bionischer Leichtbau und Funktionelle Morphologie am AWI in Bremerhaven. Bild: Jindrich Novotny

„Der Begriff Elite sollte nicht zu eng gefasst werden.“

Das Wort Elite hat in der Politik eine zunehmend negative Konnotation bekommen.Gemeint sind damit oft Personen, die aufgrund politischer oder finanzieller Macht in die eigene Tasche wirtschaften, oder die Bedürfnisse der Bürger nicht wahrnehmen bzw. bewusst ignorieren. Eliteförderung in der Wissenschaft soll dagegen keinesfalls einen privilegierten Personenkreis bevorzugen. Vielmehr will man damit exzellente Forschungsergebnisse ermöglichen, die Voraussetzung für Fortschritte in Technik, Medizin und Gesellschaft sind. Eliteförderung in der Wissenschaft ist damit Teil der Exzellenzinitiative.

Exzellenz im Sinne von herausragender Kompetenz entsteht immer dann, wenn begabte Menschen intensiv und über einen längeren Zeitraum in einem bestimmten Feld (z.B. Musik, Handwerk) arbeiten und lernen. Für exzellente Ergebnisse in der Wissenschaft, d.h. Erkenntnisse, die Technologien, Medizin oder Wissen erheblich voranbringen oder sogar revolutionieren, reicht dies jedoch nicht aus. Kompetenz muss dafür durch Aspekte wie Diversität und Innovationskultur, Autonomie, Transparenz, Motivation und Identifikation ergänzt werden. Auch sollte der Begriff Elite nicht zu eng gefasst werden: Dazu gehören nicht nur Personen, die klassische Kriterien wie herausragende Publikationsleistung erfüllen, sondern auch solche, die in anderen Bereichen talentiert sind. Eine schöne Analogie findet sich im Fußball: Teams mit Stars aus der Weltelite verlieren erstaunlich oft gegen solche mit scheinbar mittelmäßigen Spielern - wenn diese eine intelligente Zusammensetzung und ein passendes Umfeld haben. Motivation und fruchtbare Interaktion zwischen den Teammitgliedern sind offenbar genauso wichtig wie die Qualität einzelner Spieler.

Top-Universitäten erfüllen ähnliche Kriterien:Dort arbeiten sozial und ethnisch diverse Personen mit unterschiedlichen Talenten und Interessen in einer inspirierenden Umgebung zusammen. Die Antwort muss deshalb heißen: Ja, Deutschland braucht eine Eliteförderung. Besonders kompetente, begabte Personen müssen die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und optimal einzusetzen. Dazu gehört zwingend ein entsprechendes Umfeld, in dem unterschiedliche Charaktere mit Mut, Kreativität und Motivation interdisziplinär zusammenarbeiten und ihre Talente entfalten können. So wird nicht nur die bestehende Elite gefördert, sondern es entsteht auch eine neue.Im besten Fall bekommt das Wort Eliteförderung also eine doppelt positive Bedeutung. Wollen wir exzellente Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz, müssen wir diese Förderung systematisch vorantreiben.


Sabine KunstPräsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin. Bild: Jindrich Novotny

„Die Einführung der Eliteuniversitäten hat bereits viel Positives bewegt.“

Eliteförderung war in Deutschland politisch lange umstritten. Doch in den letzten Jahren hat sich hier einiges getan: In der Politik, an den Universitäten und in den Forschungseinrichtungen hat man erkannt, dass wir Spitzenkräfte brauchen und unterstützen müssen, um international konkurrenzfähig zu sein.

Die Einführung der Eliteuniversitäten hat bereits viel Positives bewegt. Wir bilden auf sehr hohem Niveau aus und unterstützen unsere Nachwuchstalente auf ihrem Karriere weg durch gute Rahmenbedingungen und mit verschiedenen Stipendien. Wie gut unsere Absolventen sind, zeigt sich daran, wie gefragt sie auf dem Arbeitsmarkt und bei wissenschaftlichen Einrichtungen sind - sowohl national als auch international.

Um Spitzenkräfte ausbilden und fördern zu können, muss man zunächst einmal die Leute finden, die das größte Potenzial für eine bestimmte Tätigkeit mitbringen. Das gilt sowohl für den universitären als auch für den außer universitären Bereich, für den wissenschaftlichen und den administrativen.

Aus universitärer Sicht reicht es bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht, akademisch herausragend zu sein und exzellente Qualifikationen vorzuweisen. Die Fähigkeit Wissen zu vermitteln, ist mindestens genauso wichtig. Darauf legen wir sehr viel Wert, denn diese Fähigkeit gehört nach unserer Definition von Spitzenkräften dazu.

Es gibt aus meiner Sicht viele tolle Ansätze, um Spitzenkräfte zu fördern, aber natürlich auch noch einige Baustellen. Ich sehe für uns als HU das Hauptproblem nicht mehr darin, Spitzenleute zu gewinnen oder sie auszubilden. Das Problem ist eher, sie zu halten. Da haben wir als Universitäten und Hochschulen im internationalen Vergleich, aber auch gegenüber den außeruniversitären Forschungseinrichtungen, noch einiges zu tun. Aber wir kommen in Bewegung: Die Tenure Track-Professuren geben einen wichtigen Impuls. An der Humboldt-Universität sollen künftig ein Drittel der Professuren als Tenure Track ausgeschrieben werden - immer verbunden mit dem Ziel, jungen Spitzenkräften eine langfristige Perspektive zu geben und sie somit zu halten.

Bei aller Förderung unserer Spitzenkräfte und herausragenden Talente, dürfen wir nicht vergessen, dass wir als Universität einen breiten Bildungsauftrag haben. Obwohl uns Eliteförderung sehr wichtig ist und wir den Ausbau dieses Bereichs begrüßen, nehmen wir diesen Auftrag sehr ernst.


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