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ERC Projekt

Flüssige Brücken für feste Materie

Foto: Erin Koos

Erin Koos hat eine neuartige Methode entwickelt, mit der sich die Eigenschaften von Materialien verbessern lassen. Damit könnten beispielsweise maßgeschneiderte Produkte wie Kunststoffe mit wenig Weichmacheranteil hergestellt werden. Seit August 2013 fördert der Europäische Forschungsrat ihre Arbeit zu so genannten Kapillarsuspension am Karlsruher Institut für Technologie mit einem Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler.

Das Bild, das Erin Koos benutzt, um zu erklären, womit sie sich als Forscherin beschäftigt, ist so treffend wie einfach: „Stellen Sie sich vor, ein Kind will eine Sandburg bauen. Mit dem trockenen Sand allein entsteht nur ein Haufen, wenn das Kind aber ein wenig Wasser zum Sand gibt, kann es die schönsten Strukturen kreieren.“ Die promovierte Maschinenbauingenieurin hat selbst eine Methode entwickelt, mit der Eigenschaften von Materialien verbessert werden können. Sie baut auf dem Prinzip der Kapillarkraft auf, dem physikalischen Effekt, der auch das Sand-Wasser-Gemisch zusammenhält: Wassermoleküle setzen sich zwischen die Sandkörner und bilden flüssige Verbindungen, sogenannte kapillare Brücken. Zwischen dem flüssigen und dem festen Medium wirkt die Grenzflächenspannung und sorgt dafür, dass die Verbindung stabil bleibt. „Wir übertragen dieses Konzept auf die Dimension weniger Mikrometer oder Nanometer. Und wenn wir den Effekt auf Suspensionen anwenden, erhalten wir Materialien mit interessanten Eigenschaften“, erklärt Koos.

Suspensionen sind dickflüssige bis gelartige Mischungen aus Flüssigkeit und darin gleichmäßig verteilten Festkörpern, wie etwa Farben oder geschmolzene Schokolade. Bei der von Erin Koos entwickelten Methode wird dem Gemisch eine zweite, nicht-lösliche Flüssigkeit hinzugefügt. Sie bildet Brücken zwischen den festen Teilchen, so dass eine stabile, netzartige Struktur entsteht. Der Vorteil gegenüber herkömmlich hergestellten Suspensionen ist nicht nur ihre Stabilität. „Die neue Methode erlaubt es, die gewünschten Materialeigenschaften im Voraus genau einzustellen, je nachdem, welche Flüssigkeiten ich kombiniere“, sagt Koos. Ultraleichte und dennoch stabile Baumaterialien könnten so hergestellt werden, aber auch Filter aus Glas, die beides zugleich sind: porös und stabil.

Erin Koos leitet die Gruppe Kapillarsuspensionen (CapS) am Karslruher Institut für Technologie. Foto: KIT

Auf dieses Potenzial der kapillaren Kräfte stieß Erin Koos durch Zufall, kurz nachdem sie 2009 vom California Institute of Technology in Pasadena, USA, zur Arbeitsgruppe Angewandte Mechanik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gekommen war. „Wir suchten nach der Ursache von Qualitätsproblemen, mit denen ein Hersteller von PVC-Produkten zu kämpfen hatte und fanden heraus, dass die festen Teilchen bei der Verarbeitung wegen der Luftfeuchtigkeit winzige Mengen Wasser aufgenommen hatten.“ Für Koos war bald klar, dass die Kapillarkräfte dahinter stecken mussten. Sie erkannte den Nutzen für die Materialforschung und entwickelte das Konzept kapillarer Suspensionen. Seit August 2013 fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) ihre Arbeit mit einem Starting Grant für Nachwuchswissenschaftler.

Dass die 33-jährige US-Amerikanerin an das KIT kam, war dagegen alles andere als ein Zufall. Koos hatte ein klares Ziel vor Augen: „Ich wollte den nächsten Schritt auf dem Weg zur Professorin gehen und mit einer eigenen Arbeitsgruppe unabhängig forschen. Und ich wollte eine andere akademische Kultur kennenlernen.“ Am KIT hat sie beides gefunden: eine Fragestellung, die sie interessiert und Kollegen, die bereit sind, sie auf ihrem weiteren Karriereweg zu unterstützen: „Das KIT half mir, mit dem ERC-Grant die passende Förderung zu finden.“

Noch befindet sich ihre Arbeitsgruppe mit zwei Doktoranden und einem Postdoc im Aufbau. Ein Lasermikroskop, das 3-D-Bilder generiert, konnte Koos bereits beschaffen. „Wir untersuchen damit auf der Skala weniger Mikrometer die physikalischen Vorgänge, die durch die Kapillarkräfte verursacht werden“, sagt Koos. Aufgrund der Beschaffenheit der kapillaren Brücken, kann die Forscherin auf die Kraft schließen, die zwischen den festen Teilchen wirkt. „Und wenn wir die Mikrostruktur beschreiben können, hilft uns das vorherzusagen, wie sich das Material in großen Mengen verhält.“

Nach fünfjähriger Förderung will Erin Koos die Grundlagen und die Wirkung kapillarer Kräfte in Suspensionen verstanden haben. Aber das ist noch nicht alles: „Es wäre schön, gemeinsam mit der Industrie einige Prototypen zu entwickeln. Dann könnte ich am Ende sagen: Meine Ideen stecken im Design dieses Produkts.“

CAPS – Capillary Suspensions: A Novel Route for Versatile, Cost-Efficient and Environmentally Friendly Material Design

Förderung: ERC - Starting Grant-2013
Forschungsgebiet: Verfahrenstechnik, Materialwissenschaften
Panel: PE2
Forschungsleiter: Dr. Erin Koos
Gasteinrichtung: Karlsruher Institut für Technologie
Förderzeit: 1. August 2013 – 31. Juli 2018
ERC Förderung: 1.489.618 €

Mehr Informationen zu den ERC Starting Grants finden Sie hier: http://erc.europa.eu/starting-grants/german

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