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Interview

„Wir sind vom europaweiten Interesse überwältigt“

Die Zeit ist reif für ein Wasserzentrum, sagt DESY-Direktor Helmut Dosch. Bild: DESY

Das interdisziplinäre Centre for Molecular Water Science (CMWS) soll die Erforschung der ungewöhnlichsten Flüssigkeit der Welt vorantreiben. 

DESY plant ein Zentrum, das sich auf die Erforschung von Wasser konzentriert. Was sind die Beweggründe?

Wasser ist für das Leben auf unserer Erde unverzichtbar. In Umwelt, Biologie und Medizin spielt es eine wesentliche Rolle. Aber auch für die Technologie ist es essenziell: Viele katalytische Prozesse laufen in wässriger Umgebung ab, und die Schäden, die Korrosion jährlich anrichtet, sind enorm. Wir tun also gut daran, Wasser so genau wie möglich zu verstehen. Dafür müssen wir sein Verhalten auf der molekularen Ebene untersuchen. Nur so lassen sich seine Besonderheiten ergründen, etwa jene Anomalie, dass es seine größte Dichte bei vier Grad Celsius besitzt. Für solche Studien betreiben wir bei DESY die geeigneten Forschungswerkzeuge – hochmoderne Röntgenquellen, die beispielsweise die extrem schnellen Bewegungen der Wassermoleküle als Momentaufnahme sichtbar machen können. Deshalb nehmen wir uns das Thema jetzt vor.

Wie hat sich die Idee überhaupt entwickelt?

Bei DESY haben wir Expertinnen und Experten, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen. Aber auch andere Fachleute waren von Anfang an engagiert, allen voran der Physiker Anders Nilsson aus Stockholm. Dann starteten wir einen Testballon: Wir schrieben die unterschiedlichsten Leute in Europa an und luden sie zu einem Brainstorming-Workshop nach Hamburg ein, um zu sehen, wie groß das Interesse der Wissenschaft ist. Die Reaktion war enorm, wir waren überwältigt. Mittlerweile hat sich das zu einer beeindruckenden europäischen Initiative entwickelt: Bis heute haben mehr als 40 Institutionen ihre Absicht erklärt, sich beim Centre for Molecular Water Science (CMWS) zu engagieren, auch finanziell. Also: Die Zeit scheint reif für ein Wasserzentrum.

Welche Relevanz hat das CMWS für Wirtschaft und Gesellschaft?

Es geht vor allem um Grundlagenforschung, um Antworten auf fundamentale Fragen. Doch wenn wir diese Antworten finden, könnte das für viele anwendungsorientierte Bereiche wichtig sein. Denken Sie an die Bekämpfung der Korrosion oder an Katalysereaktionen in wässriger Umgebung. Wenn man die besser in den Griff kriegt, bedeutet das enorme wirtschaftliche Vorteile. Auch Umweltaspekte sind wichtig, etwa beim Trinkwasser. Um Rückstände von Medikamenten und Hormonen aus dem Wasser zu entfernen, braucht man spezifische molekulare Filter. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der jetzt enorm an Bedeutung gewonnen hat, ist das detaillierte molekulare Verständnis des viralen und bakteriellen Geschehens in wässrigen Umgebungen – das betrifft Mensch und Umwelt. Auch dafür könnte das CMWS wichtige Grundlagen schaffen.

Wie geht es weiter mit dem Wasserzentrum?

Es gibt ein Grundsatzpapier, das beschreibt, wie genau wir die molekulare Wasserforschung vorantreiben wollen, und es gibt enormes Interesse auf nationaler und internationaler Ebene. Erste Pilotprojekte haben bereits begonnen. Wir sind absolut optimistisch, dass das Zentrum in naher Zukunft kommen wird.

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