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Astronomie

„Wir sind endlich auf dem Weg zur echten Gravitationswellen-Astronomie!“

<b>Verschlungen</b> Gigantische Schwarze Löcher bilden den Mittelpunkt der meisten Galaxien. Kommt ein Stern ihnen zu nahe, zieht das Loch ihn an. Der Stern wirbelt um das Schwarze Loch herum, erhitzt sich, leuchtet ein letztes Mal hell auf und wird dann verschluckt. Bilder: Dana Berry/NASA

Auf den Fersen von Einstein haben deutsche Wissenschaftler einen Durchbruch erreicht, von dem sie sich einen völlig neuen Zugang zum Universum versprechen.

Die Forschung im Bereich der Gravitationswellen geht auf ein Prinzip zurück, das Albert Einstein vor hundert Jahren entdeckt hatte. Er erkannte, dass die Schwerkraft (Gravitation) keine Kraft im üblichen Sinne ist, sondern eine Eigenschaft von Raum und Zeit. Um dies zu verstehen, vereinfacht man meist in Gedanken den dreidimensionalen Raum auf eine zweidimensionale Fläche. Jede Art von Materie verbiegt den Raum um sich herum; ein Himmelskörper liegt dann gewissermaßen in einer Mulde, ähnlich wie eine Eisenkugel in einem Gummituch.

Alle Körper und auch Licht müssen dieser Krümmung folgen, was wie der Einfluss einer unsichtbaren Kraft erscheint. Einstein sagte voraus, dass jede Art von beschleunigter Masse Wellen auslöst, etwa so wie ein ins Wasser geworfener Stein. Das gilt insbesondere für schwere Himmelskörper. Aus solchen Gravitationswellen können die Wissenschaftler weitreichende Rückschlüsse über kosmische Vorgänge ziehen. Genau an dieser Stelle setzt die jüngste Forschung an: Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und schrumpfen und dehnen überall dort, wo sie auftreten, kurzfristig den Raum – allerdings nur um den Bruchteil eines Atomkerndurchmessers. Was lange nicht messbar erschien, wurde jetzt durch den Einsatz eines speziellen Detektors namens LIGO möglich. Der Detektor in den USA ermöglicht Messungen, die bislang nicht möglich schienen: Mit der gewaltigen Anlage wiesen Forscher die Schrumpfung und Dehnung des Raums nach. Zusammen mit verbesserter Technik und spektakulären Rechenmodellen, die Forscher in Deutschland mitentwickelt haben, könnte das den Weg zu Quellen auf der unbekannten Seite des Universums ebnen.

LIGO besteht aus zwei rechtwinklig zueinander verlaufenden Röhren, die jeweils vier Kilometer lang sind. Darin breitet sich ein Laserstrahl aus, der an den Enden der Röhren zurückgespiegelt und in einem Punkt zusammengeführt wird. Rauscht eine Gravitationswelle über diese Anlage hinweg, so schrumpft sie für den Bruchteil einer Sekunde den Raum und damit die Längen der beiden Laserstrahlen. Das lässt sich am Schnittpunkt der beiden Strahlen mit unglaublicher Genauigkeit nachweisen.

Ab Herbst hoffen die Forscher, vielleicht jede Woche ein Gravitationswellensignal von Schwarzen Löchern, Neutronensternen oder Supernovae zu empfangen

Am 15. September und 26. Dezember 2015 registrierten die beiden LIGOAntennen ein nur wenige Zehntelsekunden dauerndes Zittern. Eine Analyse der beiden sinusförmigen Signale ergab eine Fülle von Details über die Quellen. Im ersten Fall hatten sich in einer 1,3 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie zwei Schwarze Löcher umkreist und strahlten dabei Gravitationswellen ab. Dadurch verloren sie an Bewegungsenergie, näherten sich auf einer spiralförmigen Bahn einander an, bis sie kollidierten und zu einem neuen Schwarzen Loch verschmolzen. In den finalen zwei Zehntelsekunden strahlten die beiden Körper 50-mal mehr Energie in Form von Gravitationswellen ab als alle Sterne im Universum in Form von Licht und anderer elektromagnetischer Strahlung zusammen – das erklärt das erste Zittern, das die LIGO-Detektoren wahrgenommen hatten. Das zweite Ereignis vom 26. Dezember ging auf einen ähnlichen Vorgang zurück, bei dem die beiden Schwarzen Löcher etwas kleiner waren.

„Nach so vielen Jahren von Forschung, Entwicklung und Vorbereitung ist es sehr befriedigend, unsere Vision endlich wahr werden zu sehen“

Sowohl das Herausfischen eines nur wenige Zehntelsekunden lange dauernden Gravitationswellensignals aus dem unentwegten Datenstrom als auch die spätere Analyse bilden einen Schwerpunkt der Forschung am Max- Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam-Golm.

Das Hauptproblem sind die Einstein- Gleichungen, mit denen man den gekrümmten Raum berechnet. Diese sind so kompliziert, dass es bis vor knapp zehn Jahren noch nicht möglich war, den Umlauf von zwei Schwarzen Löchern umeinander zu berechnen. Das Computerprogramm stürzte bereits nach einem Umlauf ab oder lieferte unsinnige Ergebnisse. Die Max-Planck-Forscherin Alessandra Buonanno hat neue Lösungswege entwickelt, die die jetzige Entdeckung und Analyse der Daten ermöglicht.

Für eine Viertelmillion möglicher Doppelsysteme berechnete ihr Team die zu erwartenden Gravitationswellen-Signale. Diese dienen quasi als Muster-katalog dazu, um eine Welle in den Daten zu finden und aus der Wellenform die physikalischen Informationen zu destillieren. Auch diese Verbesserungen waren einer der Gründe für die aktuelle Entdeckung.

Ab Herbst dieses Jahres sollen die beiden LIGO-Antennen mit höherer Empfindlichkeit wieder anlaufen. Dann hoffen die Forscher, vielleicht jede Woche ein Gravitationswellensignal von Schwarzen Löchern, Neutronensternen oder Supernovae zu empfangen. „Wir sind endlich auf dem Weg zur echten Gravitationswellen- Astronomie und können anfangen, eine Vielzahl von Quellen auf der unbekannten dunklen Seite des Universums zu erforschen“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Universität Hannover: „Nach so vielen Jahren von Forschung, Entwicklung und Vorbereitung ist es sehr befriedigend, unsere Vision endlich wahr werden zu sehen.“ Daran hat er mit seinen Kollegen einen bedeutenden Anteil: Sie steuerten unter anderem das weltweit stabilste Lasersystem sowie eine neue erschütterungsfreie Aufhängung für Spiegel im Innern von LIGO bei.

In den kommenden Jahren werden weitere Anlagen mit einem ähnlichen Funktionsprinzip in Italien, Japan und Indien hinzukommen. Zusammen mit dem deutsch-britischen Detektor GEO600 in der Nähe von Hannover würden dann sechs Observatorien ins All lauschen. Dank dieses Netzes wird es künftig wohl möglich sein, die Richtung zu bestimmen, aus der die Wellen kommen. Ein globales Netz von Teleskopen wird dann bei jedem Ereignis alarmiert, um am Himmel nach einem aufleuchtenden Körper zu suchen. Wenn zum Beispiel zwei Neutronensterne kollidieren, sollte es einen hellen Blitz vom Radio- bis zum Gammabereich geben, dazu jede Menge Neutrinos. Ein wahres Feuerwerk in allen Spektralfarben.

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