Standpunkt
Wie kann die Digitalisierung Deutschlands gelingen

Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler. Bild: Phil Dera
Um Deutschlands Rolle als führenden Wissenschafts- und Innovationsstandort zu sichern, sind jetzt entscheidende Weichenstellungen gefragt. Ein Standpunkt von Helmholtz-präsident Otmar D. Wiestler.
Die digitale und technologische Transformation gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, denn nur im Zusammenspiel dieser Akteure lässt sich die notwendige Souveränität aufbauen, die Deutschland im globalen Wettbewerb langfristig stärkt. Um Deutschlands Rolle als führenden Wissenschafts- und Innovationsstandort zu sichern, sind jetzt entscheidende Weichenstellungen gefragt. Investitionen in Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz und Materialsystemforschung, der Ausbau energieeffizienter Infrastrukturen, die Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sowie der Aufbau einer digitalen Medizin sind ebenso zentral wie attraktive Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Mit der vom Bundesministerium für Bildung, Forschung und Technologie (BMFTR) vorgestellten „Hightech Agenda Deutschland“ wurde hier bereits ein kraftvolles Signal gesetzt: Die Hightech Agenda markiert den Beginn einer neuen Ära, in der Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und technologische Souveränität gestärkt werden. Damit legt sie insbesondere ein zukunftsfestes Fundament für den digitalen Transformationsprozess.
Um den Standort Deutschland auf dem Sektor KI und Digitalisierung international zu positionieren, sind vier Bausteine erforderlich:
- die Verfügbarkeit großer und validierter Datensätze in allen Bereichen
- potente Computing-Infrastruktur
- eine neue Generation junger Datenexpert:innen
- eine systematische Verknüpfung mit den relevanten Anwendungsfeldern
Ein entscheidender Baustein, damit eine grundlegende Digitalisierung in Deutschland gelingen kann, ist der Aufbau leistungsfähiger Datenökosysteme. Dazu braucht es einen gezielten, flexiblen und dynamischen Förderrahmen, getragen von der Expertise wissenschaftlicher Disziplinen und eingebettet in Infrastrukturen wie die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Neben relevanten Datensätzen und großen Basismodellen ist ein moderner Rechtsrahmen nötig, der offenen Zugang zu Forschungsdaten garantiert. Nur wenn Daten frei fließen und durch KI-gestützte Methoden erschlossen werden, lässt sich ihr Potenzial als Rohstoff der Zukunft voll ausschöpfen. Ebenso unverzichtbar sind die konsequente Digitalisierung aller Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsprozesse, die systematische Speicherung von Daten und Schnittstellen für KI- und robotergestützte Systeme, die künftig zunehmend autonom arbeiten werden. Um solche Prozesse der Datenspeicherung, Digitalisierung und Automatisierung zu befördern, sind konkrete Anreize nötig. Daher begrüßen wir die prioritären Vorhaben des BMFTR, nicht nur die nationalen Kapazitäten im Bereich der übergreifenden Datenspeicherung, -verarbeitung und -bereitstellung systemisch zu stärken, sondern auch europäische Datenbankressourcen weiter auszubauen, um die Resilienz und Redundanz von Daten-Ökosystemen nachhaltig zu sichern.
Von zentraler Bedeutung ist weiterhin der Aufbau einer leistungsfähigen Recheninfrastruktur als Schlüsselelement für KI-basierte Innovationsprozesse. Mit dem europaweit ersten Exascale-Computer Jupiter am Forschungszentrum Jülich steht uns ein herausragendes System zur Verfügung. Die nächste Entwicklungsstufe auf Feldern wie neuromorphes Computing oder Quantencomputing zeichnet sich bereits ab.
Für die originellen Ansätze von generativer KI bis zum Aufbau sogenannter Foundation Modelle benötigen wir eine neue Generation von Datenexpert:innen, die sowohl mit modernem Informationsmanagement als auch mit der jeweiligen Anwendungsdomäne vertraut sind. Hier liegt eine enorme Ausbildungsaufgabe.
Damit die Digitalisierung Deutschlands gelingen kann, kommt nicht zuletzt der Materialforschung auf Basis digitaler Zwillinge eine Schlüsselrolle zu. Ob Photovoltaik, Katalyse, Energiematerialien, Leichtbau Mobilität, Raumfahrt oder Gesundheitsvorsorge – in diesen Bereichen entscheidet sich, wie innovativ und wettbewerbsfähig Deutschland in Zukunft sein wird. Eine enge Verzahnung von Grundlagen- und angewandter Forschung – von Beginn an in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft – ist dabei unverzichtbar. So entstehen international wettbewerbsfähige Produkte und automatisierte, teils KI-gesteuerte Fertigungsprozesse mit hohem Innovationspotenzial. Eine maßgeschneiderte Kombination dieser Kompetenzen wird die Grundvoraussetzung dafür sein, kompetitive Anwendungen auf Gebieten wie KI-basierter Energiesysteme, Mobilität, Medizin, Materialien, Produktionsprozesse oder Raumfahrt in Deutschland zu entwickeln.
Die Hightech Agenda Deutschland setzt wichtige Impulse, um die digitale und technologische Transformation des Landes voranzubringen, und greift dabei viele unserer zentralen Forderungen auf. Mit unseren sechs Forschungsbereichen, die zentrale Schnittmengen mit den Schlüsseltechnologien der Agenda aufweisen, sehen wir uns in der Helmholtz-Gemeinschaft als verlässlichen Partner, entscheidende Beiträge zur Umsetzung der Agenda zu leisten und den digitalen Wandel Deutschlands aktiv mitzugestalten.
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