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Interview

Warum zum Mond?

Matthias Maurer war 175 Tage auf der Internationalen Raumstation ISS. Er ist einer der Kandidaten für die nächste bemannte Mond-Mission. Bild: ESA / NASA

Im Interview erklärt ESA-Astronaut Matthias Maurer, warum der Mond für die Wissenschaft so interessant ist und wie seine Chancen stehen, beim nächsten bemannten Flug zum Erdtrabanten an Bord zu sein.

Die NASA hat ja für die Zukunft sehr viel vor: Sie möchte zurück zum Mond fliegen und auf lange Sicht gesehen sogar zum Mars. Wären wir denn schon in der Lage, zum Mars zu fliegen?

Theoretisch ja. Die Rakete wäre allerdings vollgestopft mit Essen, Trinken und Sprit, aber ohne Experimente im Gepäck. Vielleicht wäre noch Platz für eine Flagge und dann machen wir das, was wir bei Apollo gemacht haben: Wir setzen die Flagge in den Marsboden, sagen „wir waren hier, wir können’s. Und tschüss“. Doch das ist definitiv nicht das, was unser Interesse ist.

Warum ist der Mond für die Forschung wieder so spannend?

Es gibt zwei Gründe: Erstens können wir auf dem Mond Antworten auf wichtige Forschungsfragen finden und zweitens Technik ausprobieren, die wir auch für die geplante Mars-Mission benötigen.

Welche Forschungsfragen sind das?

Nach den Apollo-Missionen dachten man noch, der Mond sei ein staubiger Stein-Klops, da gibt’s nix zu holen. Infolge von Satelliten-Missionen wissen wir heute, dass der Mond viele Ressourcen hat. Die wichtigste ist das Wassereis in den Polargebieten. Allein dieses Eis zu bergen und zu untersuchen ist sehr wertvoll. Denn das Wassereis kam vermutlich genauso auf den Mond wie damals auf die Erde: Durch Meteoriten, Asteroiden und Kometen aus dem Weltall. Auf dem Mond existiert dieses Wassereis noch und es beinhaltet vermutlich dieselben organischen Bestandteile wie vor vielen Jahren das Wasser auf der Erde. So könnten wir der Antwort näherkommen auf die Frage: „Wie entstand das Leben auf der Erde?“

Was kann uns der Mond noch verraten?

Die ESA-DLR LUNA-Anlage ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Europäischen Weltraumorganisation ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. Sie wird ein Trainingsgelände für Astronauten und ein Testzentrum für Technologie sein, das Partnern und Nutzern das Wissen vermittelt, das sie für den Weg zum Mond benötigen. Bild: ESA/DLR-F. Rometsch

Der Mond ist fast genauso alt wie die Erde, hat sich aber an der Oberfläche nicht mehr verändert. Er ist wie ein Geschichtsbuch, das wir studieren können. Auch Sonnenstrahlen sind sozusagen „eingefroren“ in der Geologie des Mondes. Deswegen sammeln wir dort Gesteins-Proben. Außerdem wollen wir auf dem Mond ein Observatorium aufstellen, das Radiowellen empfängt, die aus der Frühphase des Universums stammen, bevor noch die allerersten Sonnen geleuchtet haben. Man weiß, dass es diese Signale gibt, aber die Erd-Atmosphäre schluckt sie. Mit einem Teleskop auf dem Mond, am besten auf der Rückseite, könnten wir ungestört diese Radiowellen empfangen und noch weiter zurückschauen, als wir das jetzt mit dem James Webb-Teleskop können.

Was hat sich seit der Mondlandung vor 50 Jahren getan? Wie sind die Voraussetzungen heute?

Der Flug ist einfacher und sicherer geworden. Wir haben heute sehr viel leistungsstärkere Computer, um alles zu steuern und zu überwachen. Die Sicherheits-Standards sind auch andere. Das Risiko, dass etwas schiefgeht bei der Mondlandung, lag früher bei etwa 50 Prozent. Da sind mir meine 99 Prozent Sicherheit heute doch lieber! Unser Wissen über den Mond und über die Raumfahrt ist enorm gewachsen und wir haben viel mehr Technologie in der Breite. Man braucht ja nicht nur ein Raumschiff, sondern auch Navigation, Telekommunikation und Funksysteme. Heute haben wir auch kommerzielle Akteure, die ordentlich Dampf machen. Denken Sie an Elon Musk oder Jeff Bezos. Wenn die beiden sich nicht gegenseitig übertrumpfen wollten, hätten wir ganz andere Preise.

Was hat sich für die Astronauten geändert?

Auf dem Mond erwarten uns deutlich größere Herausforderungen als zu Apollo-Zeiten. Da war es wichtig, sicher zu landen, Proben einzusammeln, sicher wieder zu starten und zurückzukommen – und zwar schneller als die Sowjets. Das Wissenschafts-Programm war eher Beiwerk. Heute stehen Wissenschaft und Forschung im Zentrum. Die wissenschaftliche Ausbildung der Astronauten ist viel umfangreicher. Für die Außeneinsätze auf dem Mond brauchen Raumfahrer heute stabilere und flexiblere Anzüge. Diese werden entscheidend dafür sein, was Astronauten dort oben leisten können. Der Mond-Staub ist sehr aggressiv und scharfkantig. Er setzt sich überall fest und sollte nicht in den Anzug gelangen.

Wie ist der aktuelle Stand der NASA-Mond-Mission?

Der Start der Artemis 1 wurde zunächst verschoben. 2024 soll Artemis 2 stattfinden, der erste bemannte Flug zum Mond, aber ohne Landung. Bei Artemis 3, der bemannten Mondlandung, tippe ich mal auf Ende 2025 oder Anfang 2026.

Das Lunar-Gateway ist Teil der Artemis-Mission. Warum wird es in Zukunft so eine große Rolle spielen?

Das Gateway ist eine Raumstation, die den Mond umkreisen soll und als eine Art Tor zum Mond dient, aber auch zum Mars. Ab Artemis 7 – etwa im Jahr 2030 – können auch europäische Astronautinnen und Astronauten zu dieser Station fliegen und von dort auf dem Mond landen. Die Station dient auch dazu, in einem anderen Umfeld zu forschen. Und Antriebstechnologien zu testen, um eventuell Teile danach als Raumschiff zu nutzen, die Richtung Mars fliegen werden.

Was steuert die ESA und was steuern die Deutschen zur Mond-Mission bei?

Der europäische Beitrag ist ein Service-Modul, sozusagen die Antriebs-Einheit (ESM) für die Orion-Kapsel. Sie wird in Bremen gebaut. Hätten die Amerikaner das ESM in den USA produziert, wäre es viel teurer geworden – ein echtes Schnäppchen für sie!

Wie groß ist Ihre Chance, auf den Mond zu kommen?

Wir sieben aktive ESA-Astronauten könnten alle für Artemis-Missionen ausgewählt werden. Drei Flüge sind für Europäer Richtung Mond in den nächsten Jahren geplant. Von daher ist meine Chance drei Siebtel. Schauen wir mal.

Haben Sie sich schon einen klugen Satz überlegt für Ihren ersten Schritt auf dem Mond?

Noch nicht. Aber da muss was Knackiges her. Neil Armstrong hat da schon ordentlich vorgelegt.

Sie sind nicht nur Astronaut, sondern auch Projektleiter der geplanten Mondsimulations-Anlage LUNA in Köln mit dem schönen Slogan „Wir üben Mond“.

LUNA ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Gesamtfläche beträgt etwa 1000 qm. In der Halle wird es eine reliefartige Mond-Oberfläche geben. Und eine steuerbare Beleuchtung, die verschiedene Licht-Situationen vom Mond nachahmt, vor allem in den Polarbereichen.Dann füllen wir die Anlage mit extrem feinem Lava-Sand aus der Vulkan-Eifel. Der Sand wird die Technik sicher etwas kaputt machen, aber besser auf der Erde als auf dem Mond. Wir möchten auch Bereiche mit gefrorenem Sand haben. Wenn wir auf dem Mond bei -250 Grad in knüppelharten Boden reinbohren müssen, brauchen wir die richtige Technik. Hinzu kommt das „Gravitiy-Offloading-System“. Auf dem Mond reduziert sich das Gewicht eines Körpers oder Gegenstandes auf ein Sechstel. Das System kann für jeden individuell das Gewicht auf ein Sechstel anpassen. Wir werden Seilzüge haben, wo wir dranhängen und uns fortbewegen können. Ein Hammerschlag zum Beispiel hat auch viel weniger Wumms. Das müssen wir alles testen.

Wer wird LUNA nutzen?

Astronauten, Wissenschaftler, Vertreter aus der Industrie, Studenten etc. werden sich hier treffen. Jeder, der Mond-Technologie hat, kann kommen und sie bei uns ausprobieren. Wie bei einem Picknick: Alle bringen was mit und dürfen die Sachen der anderen verwenden. So kann die Technologie viel schneller ausreifen und Astronauten können direkt Feedback geben. Es wird auch öffentliche Touren geben. Sogar die NASA ist total interessiert an unserer Anlage und wird daran mitarbeiten.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Astronauten aus?

Astronau:*in zu sein ist einfach. Aber Astronaut:in zu werden ist unglaublich schwer. Kurz gesagt: Für mich ist ein guter Raumfahrer gesund, fit, fröhlich, ein sehr guter Teamplayer und hervorragend ausgebildet. Und ein guter Kommunikator, um die Begeisterung für das Thema Weltraum zu teilen. „Mond-Tok“ wäre doch mal eine Idee für einen neuen Social Media-Kanal…

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