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Klimawandel

Warum ein halber Grad zählt

Daniela Jacob beim Helmholtz-Horizons-Talk im November in Berlin. Bild: Helmholtz

Was für einen Unterschied es macht, ob es uns gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 oder 2 Grad zu begrenzen erklärt die Klimaforscherin Daniela Jacob.

Der Klimawandel ist schon heute deutlich spürbar. Auf der Erde wird es immer wärmer – seit Beginn des industriellen Zeitalters im Durchschnitt um fast 1 Grad. „Die vergangenen fünf Jahre waren die wärmsten, die jemals aufgezeichnet wurden“, sagte Daniela Jacob beim Helmholtz Horizons Symposium „Climate Chance – from Knowledge to Action“ im November in Berlin. Die Wissenschaftlerin leitet das Climate Service Center Germany (GERICS); eine selbstständige wissenschaftliche Organisationseinheit des Helmholtz-Zentrums Geesthacht, die sich dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft verschrieben hat. 

Als eine der Leitautorinnen hat die Klimaforscherin maßgeblich an dem Sonderbericht über die Auswirkungen der globalen Erwärmung um 1,5 Grad mitgearbeitet, den das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Herbst 2018 veröffentlicht hat. Darin haben sich die Wissenschaftler explizit mit der Frage beschäftigt, wie groß der Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad Erderwärmung für Mensch und Umwelt ist. Extremwetter, Meeresspiegelanstieg, Verlust der Biodiversität, Ozeanversauerung, sinkende Erträge in Fischerei und Landwirtschaft, unsichere Wasserversorgung oder gesundheitliche Auswirkungen – schon bei einem Anstieg der Temperaturen um 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit sind die Folgen erheblich.  Bei zwei Grad steigt das Risiko dieser Bedrohungen deutlich stärker an als bisher erwartet.

Um abschätzen zu können, was für einen Unterschied ein halber Grad ausmacht, reicht schon ein Blick in die Vergangenheit. Die mittlere Lufttemperatur ist zwischen 1960 und 2010 um einen halben Grad gestiegen. Wetterdaten zeigen, dass die Anzahl und Intensität von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Dürren oder Starkregen in dieser Zeit signifikant zugenommen hat. „Auch ohne in die Klimamodellierung einsteigen zu müssen, kann man sich vorstellen, dass jeder weitere halbe Grad Erwärmung zu weiteren Veränderungen führt“, schilderte Jacob in einem Panel auf der diesjährigen re:publica im Mai in Berlin. Sensible Ökosysteme wie die tropischen Korallenriffe oder auch die der Arktis sind davon besonders bedroht. Doch es geht nicht nur um das Extremwetter. „Bei einer Erderwärmung um 1,5 Grad würde der Meeresspiegelanstieg um 10 Zentimeter reduziert, wodurch etwa 10 Millionen Menschen weniger betroffen wären“, so Jacob weiter. Hinzu kommen Risiken für Gesundheit, Ernährungssicherheit und Wasserversorgung, menschliche Sicherheit und Wirtschaftswachstum, die reduziert werden könnten, wenn sich die Erde um 1,5 Grad erwärmt statt um 2 Grad.

Der IPCC-Sonderbericht zeigt jedoch auch, dass die Begrenzung auf 1,5 Grad machbar ist – sofern die Weltgemeinschaft jetzt entschlossen handelt. „Um die Emissionen entsprechend zu senken, ist Eile geboten“, sagt Jacob. „In der Mitte des Jahrhunderts werden wir die 1,5-Grad-Marke kurzfristig überschreiten. Je länger wir aber mit wirksamen Maßnahmen warten, umso stärker fällt dieses Überschwingen aus. Und umso schwieriger wird es sein, die notwendigen Technologien zur Reduktion zu finden.“ Der Bedarf ist groß: Gefragt sind Technologien, um die CO2-Emissionen in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen weitreichend zu senken, aber auch um Kohlenstoffdioxid direkt aus der Atmosphäre zu entnehmen. Dies kann beispielsweise durch Aufforstung, Wiedervernässung von Mooren oder durch technische Prozesse erfolgen.

Die Helmholtz-Gemeinschaft hat deshalb im vergangenen Jahr eine Klimainitiative ins Leben gerufen. Darin erforschen Wissenschaftler aus insgesamt 15 Helmholtz-Zentren, wie die Menschheit Emissionen einerseits vermeiden kann, sich andererseits aber auch an die Folgen des Klimawandels anpassen muss. Ziel ist, die Entwicklung einer Strategie zur Klimaneutralität Deutschlands bis zum Jahr 2050 wissenschaftlich zu unterstützen. „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir an der Schwelle einer neuen Ära stehen“, sagt Jacobs. „Dafür brauchen wir einerseits faktenbasierte, belastbare Informationen. Andererseits müssen wir diese in alle Phasen der Anpassung einfließen lassen. Deshalb ist es sehr wichtig, alle beteiligten Akteure zusammenzubringen.“

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