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Gastkommentar

Tut mehr für die Besten!

Foto: Universität Wien, <a external="1" target="_blank" href="https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de">CC BY-NC 2.0</a>

Im Wettlauf um Exzellenz geraten die Studierenden unter die Räder: Während es für die schwächeren Erstsemester viele Hilfsangebote gibt, bleiben die Starken oft mit sich allein. Ein Gastkommentar von Martin Spiewak

Was tun die deutschen Universitäten eigentlich für ihre besten Studenten, was tun sie, um bereits im Bachelor ihre Talente zu fördern? Die ehrliche Antwort muss lauten: So gut wie gar nichts. Stattdessen herrscht in der Universität ein Gleichheitsdiktat. Erst im Master beginnt eine formale Differenzierung nach Können und Fleiß – und selbst diese Auswahl ist umstritten, gefordert wird ein Master für alle.

Vielleicht war diese Egalität noch vor vier Jahrzehnten sinnvoll, als nur zehn Prozent eines Altersjahrganges die Universität besuchten und das Niveau der Studierenden annähernd gleich war. Heute kann man davon ganz sicher nicht mehr reden. Was Wissen, Neugier und Belastbarkeit angeht, unterscheiden sich Erstsemester mittlerweile fast so stark wie Erstklässler am Schulbeginn. Höchste Zeit also, dass die Universitäten auf diese unterschiedliche Klientel reagieren. Auf der einen Seite des Leistungsspektrums haben sie damit bereits begonnen: In Schreibwerkstätten können Studienanfänger ihre Ausdrucksfähigkeit (manchmal auch ihre Grammatikkenntnisse) nachschulen, und in Vorkursen holen sie das nach, was im Matheunterricht versäumt wurde. Auf der anderen Seite des Leistungsspektrums dagegen fehlen die Angebote.

<b>Martin Spiewak (50)</b> ist Redakteur im Ressort Wissen bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Illustration: Jindrich Novotny

An US-amerikanischen Hochschulen gehört es zum akademischen Grundverständnis, den Studierenden, die mehr können, auch mehr anzubieten. Und zwar nicht nur an den privaten Eliteunis: Gerade staatliche Hochschulen, die oft die ganze Leistungsskala abdecken müssen, bemühen sich dort vom ersten Semester an darum, die besonders Talentierten mit Extrastoff zu versorgen. So kennen fast alle Hochschulen sogenannte Bestenlisten (Dean‘s List) oder Exzellenzkurse. Die Honors Classes dienen der Auszeichnung der Leistungsbesten. Gleichzeitig versuchen die Universitäten auf diese Weise, schon früh potenzielle Wissenschaftler zu entdecken und an sich zu binden. Besondere Tradition in den Geisteswissenschaften haben die Great-Books-Seminare. Hier müssen die Studenten die Klassiker der westlichen Geisteskultur von Aristoteles bis Max Weber lesen, pro Woche ein Buch. Unter Anleitung eines renommierten Forschers tauchen sie in die Welt der großen Denker ein. Dieses Pensum neben dem regulären Lehrplan schaffen nur ganz wenige Studierende – die aber absolvieren so ein bestens betreutes studium generale.

Immerhin: Ein paar deutsche Universitäten haben damit begonnen, dem amerikanischen Beispiel nachzueifern und ihre leistungsstärksten Studierenden von Beginn an zu fördern. Die RWTH Aachen sowie die Universitäten in Köln, Frankfurt und Würzburg führen (meist in den Wirtschaftswissenschaften) eine Dean‘s List. Neben einer Urkunde erhalten die Spitzenstudenten Einladungen zu besonderen Vorträgen oder Kursen. Ein ähnliches Prinzip verfolgen die Honors-Kurse der Universität Bonn. An der Berliner Humboldt-Universität wiederum können Studierende aus allen Disziplinen schon im zweiten Semester Forschungsfragen bearbeiten, die sie sich selbst stellen. Dabei erhalten sie Unterstützung von Professoren und Doktoranden.

Es ist ein Skandal, wie ungleich die Bildungschancen in Deutschland immer noch verteilt sind. Zur Chancengleichheit gehört aber neben der dringend notwendigen Unterstützung der Schwächeren auch, dass die besten Studierenden gefördert werden. Höchste Zeit, dass die Universitäten dieses Thema entdecken

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