Bioprinting
Transplantate aus dem 3D-Drucker

3D-gedruckten Baby-Herzklappe. Bild: Uli Deck/dpa
Am KIT in Karlsruhe tüftelt ein Team um die Biochemikerin Ute Schepers an Herzklappen aus dem 3D-Printer. Bioprinting könnte in wenigen Jahren zum Standard in der Transplantationsmedizin werden.
- Am Karlsruher Institut für Technologie druckt ein Forschungsteam um Ute Schepers mit einem Bioprinting-Verfahren funktionstüchtige Herzklappen für Babys aus patienteneigenen Zellen.
- Die gedruckten Herzklappen wachsen im Körper des Kindes mit und werden nicht vom Immunsystem abgestoßen.
- Mini-Organe aus dem 3D-Drucker ermöglichen personalisierte Medikamententests und können Tierversuche reduzieren.
- Bereits in fünf bis zehn Jahren könnten solche Transplantate klinischer Standard sein – langfristig sogar ganze Organe.
Eine neue Herzklappe in wenigen Minuten? Kein Problem! Der Drucker dafür ist nur etwa so groß wie ein Kasten Mineralwasser. Schicht für Schicht entsteht darin ein solches „Ersatzteil“. In nur 120 Sekunden. Form und Struktur der Klappe haben Forschende vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vorgegeben. Passgenau für das Herz eines Kleinkindes.
„Im Grunde funktioniert das 3D-Bioprinting ähnlich wie bei einem Tintenstrahldrucker“, sagt die Biochemikerin Ute Schepers, die die Arbeitsgruppe leitet. Nur dass die Patronen, statt mit flüssiger Farbe mit sogenannter Biotinte gefüllt sind: menschliche Körperzellen in einem neuartigen Kollagen als Stützmaterial. Dieses Kollagen, das die KIT-Forschendengemeinsam mit den Unternehmen Carl Zeiss Meditec AG und Evonik Healthcare entwickelt haben und patentieren ließen, wird – anders als klassisches Kollagen - nicht aus Tieren gewonnen, sondern mithilfe von Bakterien hergestellt. Es ist vegan. Und das Druckverfahren haben die Wissenschaftler inzwischen modernisiert: Sie setzen nun auf sogenanntes Digital Light Processing (DLP), bei dem ein digitaler Lichtprojektor die Biotinte Schicht für Schicht aushärtet. Exakt nach einem zuvor erstellten 3D-Modell.
Künstliche Herzklappen werden dringend benötigt. Allein in Deutschland kommen jedes Jahr Tausende Babys mit Fehlbildungen der Herzklappen zur Welt. In manchen Fällen kann ihr Herz das Blut nicht mit genug Kraft durch den Körper pumpen. Und durch die Fehlbelastung wird das Organ immer schwächer. „Dann hilft oft nur eine Transplantation“, sagt Ute Schepers.
Bisher stammen Herzklappen-Transplantate meist von Schweinen. Der große Nachteil: Im Körper des Empfängers oder der Empfängerin wachsen sie nicht mit. Denn durch die Operation kommt es zu Vernarbungen und Verkalkungen, und in der ungewohnten Umgebung stellt das tierische Gewebe die Zellteilung ein. Die betroffenen Kinder müssen daher mehrfach operiert und mit immer wieder neuen Herzklappen versorgt werden, bis ihr Herz die endgültige Größe erreicht hat.
Die Herzklappen aus dem KIT sollen solche Zusatz-OPs überflüssig machen. Das Prinzip dabei ist so simpel wie raffiniert: Zur Herstellung im 3D-Drucker werden Stammzellen genutzt, die aus der Haut des Kindes gewonnen wurden, das das Transplantat erhalten soll. Den Forschenden um Ute Schepers gelang es nicht nur, diese Körperzellen zu kultivieren und vermehren. Nach der Operation teilen sie sich weiter - und die Klappe wächst mit. Ein weiterer Vorteil: Da das Transplantat keine körperfremden Zellen enthält, wird es durch das Immunsystem des Kindes nicht attackiert. So zumindest die Theorie.
Prof. Dr. Ute Schepers, Abteilungsleiterin Chemische Biologie am Karlsruher Institut für Technologie. Bild KIT
Weltweit experimentieren mehr und mehr Forschergruppen, Pharmafirmen und Start-ups mit 3D-Biodruckern, um aus menschlichen Zellen Gewebe oder ganze Organe herzustellen. Aus einer kleinen Hautprobe oder etwas Nabelschnur-Blut lassen sich im Labor Stammzellen gewinnen, die sich in andere Zelltypen umwandeln lassen. Daraus entsteht dann jeweils das gewünschte Gewebe.
Einige Hürden aber gilt es noch zu meistern: Die KIT-Forschenden um Ute Schepers etwa testen nun zusammen mit Klinikern an OP-Trainergeräten, wie Herzklappen aus dem 3D-Bioprinter mit den chemisch-physikalischen Bedingungen zurechtkommen, die im menschlichen Körper vorherrschen. Ute Schepers ist zuversichtlich. „Ersatzteile aus dem 3D-Biodrucker könnten in der Humanmedizin zum Standard werden“, sagt sie: im Fall von Herzklappen bereits in fünf bis zehn Jahren. Mittelfristig sollen auch ganze Herzen im Drucker entstehen.
Schepers hat noch eine weitere Anwendung ihrer Forschung im Blick: An Mini-Organen aus dem 3D-Drucker können Wirkstoffe für die Medizin getestet werden. „Bereits heute lassen sich auf diese Weise Tierversuche vermeiden oder zumindest reduzieren“, sagt die Biochemikerin. „Und für die Zukunft sehe ich da gewaltiges Potenzial.“ Ein zusätzlicher Vorteil von solchen Abklärungen auf der Basis von Gewebe aus dem Biodrucker: Immer deutlicher wird in der Medizin, dass Wirkstoffe und Medikamente nicht bei allen Menschen die gleichen Effekte erzielen. Insbesondere individuelle Unterschiede im Erbgut scheinen dafür ausschlaggebend zu sein. An aus Biotinte gedruckten Mini-Organ-Systemen aber - die ja die Körperzellen einer Person enthalten - lässt sich schnell und gezielt testen, welche Arzneien genau bei dieser Person besonders effizient helfen. Sei es bei Nierenleiden, Herzrhythmusstörungen oder einer Krebserkrankung.
Leser:innenkommentare