Serie zum Quantenjahr 2025

Teil #06: Abhörsichere Quantenkommunikation

Wir sprachen mit dem Physiker David Hunger vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) über Quantenkommunikation, die Dank Quantenteilchen nicht unbemerkt belauscht werden kann.

Die Pioniere der Quantenmechanik haben vor 100 Jahren zeigen können, dass es in der Natur echten Zufall gibt und sich die Objekte im mikroskopisch Kleinen nicht so beschreiben lassen, wie wir es in unserem Alltag gewohnt sind. Dieser Zufall findet seinen Ausdruck in der Heisenbergschen Unschärferelation, der zufolge es nicht möglich ist, Quantenobjekte in einen Zustand zu bringen, in dem Ort und Impuls gleichzeitig beliebig genau bestimmt sind. Die Quantenmechanik hat uns aber nicht nur ein tieferes Verständnis von dem Geschehen im Mikrokosmos eröffnet, sondern sie bietet uns eine Reihe außergewöhnlicher Anwendungsfelder: von Quantenmaterialien mit außergewöhnlichen Eigenschaften wie den Topologischen Isolatoren, über Quantencomputer bis hin zur Quantenkommunikation. Was es mit letzterem auf sich hat, wollen wir im Folgenden ausleuchten:

„Bei der Quantenkommunikation geht es um eine abhörsichere Kommunikation zwischen einem Sender und einem Empfänger“, erklärt der Quantenphysiker David Hunger vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) der Helmholtz-Gemeinschaft. „Sie basiert auf dem quantenmechanischen Grundprinzip, dass ein unbekannter Quantenzustand nicht perfekt kopiert werden kann.“ Die Kommunikation erfolgt über Lichtsignale, die in Glaserfaserkabeln von einem Sender zu einem Empfänger laufen. „Kommunikation per Licht über Glasfaserkabel ist an sich nichts Neues“, sagt Hunger. „Gegenüber herkömmlichen Kommunikationsstrukturen verwenden wir aber bei der Quantenkommunikation nicht klassische Lichtpulse, sondern einzelne Lichtteilchen, sprich Photonen“.  Die Photonen werden kodiert und die eigentliche Information in einzelne Quanten und in deren Quantenzustände übertragen.

„Nun führt das unbefugte Abhören durch Dritte zwangsläufig zu messbaren Fehlern bei der Informationsübermittlung, die dem Empfänger anzeigen, dass ein Abhörversuch stattgefunden hat.“ Wie ein Briefsiegel, das gebrochen werden muss, um den Briefumschlag zu öffnen und das darin verborgene Dokument zu lesen. Voraussetzung bei der abhörsicheren Quantenkommunikation ist, dass sich Empfänger und Sender im Nachgang der Informationsübermittlung nochmals darüber verständigen, ob eine Störung des Quantensignals in Form von messbaren Auffälligkeiten vorgelegen hat“, erklärt David Hunger. „Und genau die zeigt sich als erhöhte Fehlerrate beziehungsweise Rauschrate im Signal. Dann muss die Kommunikation abgebrochen werden.“ Aus diesen Gründen ist die Quantenkommunikation bereits heute in sicherheitskritischen und datenschutzrelevanten Bereichen von staatlichen Behörden oder auch im Finanzwesen im Einsatz.

„Aber noch sind die damit verbundenen Quantentechnologien sehr kostspielig und ressourcenintensiv“, räumt Hunger ein. „Dementsprechend fokussiert sich die Forschung auf die Miniaturisierung der technischen Komponenten einerseits, andererseits auf effizientere Quantenkodierungssysteme wie zum Beispiel der kontinuierliche-Variablen Quantenschlüsselverteilung.“ Bei der Quantenschlüsselverteilung (englisch Quantum Key Distribution, QKD) wird die Information an einzelne Photonen durch stark abgeschwächte Laserpulse übertragen. „Eine weitere Herausforderung besteht in der naturgemäßen Dämpfung der Lichtsignale über große Strecken hinweg“, sagt David Hunger. So gehen nach 100 Kilometern etwa 99 Prozent des Signals verloren. Abhilfe schafft hier der Quanten-Repeater. „Das ist aber in dem Sinne kein Verstärker, denn ein Quantenzustand lässt sich nicht perfekt kopieren und verstärken.“

Der Quanten-Repeater nutzt vielmehr ein weiteres Konzept, die Verschränkung, die auf Zwischenstationen der Übertragungsstrecke in Quantenspeichern gepuffert wird. „Unter Quantenspeichern sind Systeme zu verstehen, die Quantenzustände des Lichts aufnehmen und über eine gewisse Dauer speichern können, so dass in einzelnen Streckensegmenten Verschränkung zwischen Nachbarstationen erzeugt werden kann.“ Bei der Verschränkung werden zwei Quantenspeicher in einen gemeinsamen Zustand gebracht, der stärker korreliert ist als jeder denkbare klassische Zustand. In einem weiteren Schritt werden die verschränkten Einzelsegmente durch Verschränkungstausch so verknüpft, dass schließlich Sender und Empfänger einen verschränkten Zustand erhalten. Sender und Empfänger stehen dann – unabhängig von der Distanz zwischen ihnen - in einer quantenmechanischen Wechselbeziehung. Ein Abhören der Leitung ist notgedrungen mit einer Messung des Quantenzustands des Signals verbunden, wodurch die Quantenverschränkung zerstört wird. Die eigentliche Übertragung des quantenmechanischen Zustands des Photons auf den nächsten Repeater bis schließlich zum Empfänger wird als Quantenteleportation bezeichnet. „Auf diese Weise lassen sich im Prinzip beliebig große Distanzen überwinden“, erklärt David Hunger.

David Hunger arbeitet und experimentiert zurzeit mit seiner Arbeitsgruppe und seinen Kollaborationspartnern an einer Glasfaser-Teststrecke des KIT zwischen dem Campus Süd in Karlsruhe und dem mehr als zehn Kilometer entfernten Campus Nord des Forschungszentrums bei Eggenstein-Leopoldshafen. „Die Faserteststrecke wurde erst im Januar dieses Jahres eingeweiht. Seitdem tauschen wir erfolgreich Quantensignale zwischen den beiden Standorten aus, was uns die Erforschung der Quantenschlüsselverteilung unter echten Umgebungsbedingungen ermöglicht.“ Laut Hunger arbeiten sie bereits am nächsten Schritt in Richtung echtes Quanteninternet: Die abhörsichere Quantenkommunikation auf großer Distanz zur Verknüpfung von Quantencomputern. Eine Zukunftsmusik, deren erste Töne bereits zu vernehmen sind.

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