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Kurzinterview

Sechs Fragen an... Eduardo Zorita

Eduardo Zorita erforscht das Klima der vergangenen Jahrtausende. Er gilt als renommierter Fachmann für Klimamodelle und ist Redakteur der Zeitschrift „Climate Research“. Bild: Jessica Wahl/Helmholtz

Warum sind Sie Wissenschaftler geworden? Und worüber haben Sie sich zuletzt geärgert? In unserer Rubrik wollen wir von unseren Wissenschaftlern so einiges wissen. Diesmal mit Eduardo Zorita vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG). 

Warum sind Sie Wissenschaftler geworden?

Meine Eltern und andere nahe Verwandte hatten einen akademischen Hintergrund – ich vermute, das hat meine Entscheidungen später im Leben zumindest zum Teil vorbestimmt. Ich habe immer daran gedacht, Wissenschaftler zu werden. In der Schule interessierte ich mich für Astronomie und überhaupt für Fächer mit Bezug zur Physik. Einen Abschluss in Physik anzustreben, kam mir daher irgendwie naheliegend vor, und ich hatte das Glück, diesen Weg gehen zu können. Meine Eltern kamen allerdings aus den Biowissenschaften, und wahrscheinlich habe ich andere Bereiche vermisst oder mich zumindest immer auch dafür interessiert. Nach meiner Promotion in Festkörperphysik beschloss ich, etwas mit einem breiteren Spektrum zu probieren. Zu der Zeit, Mitte der 1980er Jahre, wurde Klimaforschung immer wichtiger, und die Vielfalt der dazugehörenden Bereiche und Methoden gefiel mir sehr. Also beschloss ich, nach meiner Promotion umzusatteln.

Was fasziniert Sie an ihrer Forschungsarbeit am meisten?

Dass sie so interdisziplinär ist. In meiner täglichen Arbeit bin ich mit ganz verschiedenen Bereichen befasst: von angewandter Mathematik und Klimaphysik bis hin zur Ökosystemdynamik. Ich habe also mit verschiedenen Sichtweisen auf bestimmte Forschungsfragen, mit ziemlich unterschiedlichen wissenschaftlichen Instrumentarien zu tun. Was mir aber auch Freude bereitet, ist, Gemeinsamkeiten in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (neu) zu entdecken. Es ist ein bisschen so, wie wenn man verschiedene Sprachen lernt: an der Oberfläche sehen sie unterschiedlich aus, aber sie verweisen auch auf ein gemeinsames, darunter liegendes Substrat.

Was ist Ihr größtes Ziel in der Wissenschaft?

Ich habe ein Ziel für jetzt und ein langfristiges Ziel. Mein Ziel für jetzt ist, jeden Tag bei der Arbeit zu genießen, wenigsten fünf Minuten lang. Das erreiche ich, wenn ich Neues lerne, wenn ich ein Aha-Erlebnis habe, sei es auch noch so klein. Das ist sehr erfüllend. Mein langfristiges Ziel ist, unsere Grenzen bei der Prognostizierbarkeit zu verstehen und zu quantifizieren, entweder im Klimabereich oder auf dem Gebiet komplexerer Systeme, in denen das Klima ebenfalls eine Rolle spielt. Prognosen sind der endgültige Beweis dafür, dass man ein System verstanden hat, aber zu verstehen, wo die Prognostizierbarkeit an ihre Grenzen stößt, ist genauso wichtig.

Wenn Sie einen Wunsch bezüglich Ihrer Forschung frei hätten, was wäre es?

Die Kooperation zwischen Institutionen und verschiedenen Gruppen ist tatsächlich sehr hilfreich, doch die Anreize für eine Kooperation sollten konkret und an messbare Ziele geknüpft sein. Sonst werden zu viele Anstrengungen nicht effizient genutzt.

Wer ist aus Ihrer Sicht der bedeutendste Wissenschaftler aller Zeiten?

Darwin - aus mehreren Gründen. Ein Grund ist sein Einfluss auf das Konzept der Kausalität, das sich dem menschlichen Denken tief eingeschrieben hat: Alle Ereignisse müssen eine Ursache haben und sind entweder auf menschliche oder göttliche Eingriffe zurückzuführen, oder sie haben einen anderen physikalischen Antrieb. Darwin brachte die Idee ins Spiel, dass unter bestimmten Umständen auch der Zufall hinter einer Verkettung von Ereignissen stecken kann, die uns teleologisch vorkommen mögen, in Wahrheit aber keinen Zweck haben und keine spezifische Kausalität aufweisen. Seine Ideen, oder auch deren Modulationen, hatten einigen Einfluss auf die Entwicklung der Quantenphysik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und das gilt sogar heute noch für viele mathematische Methoden, die auf der Erzeugung großer Mengen von Zufallszahlen basieren. Ein zweiter, eher menschlicher Grund, ist die Tatsache, dass er dem wissenschaftlichen, politischen und religiösen Establishment seiner Zeit unerschütterlich die Stirn geboten hat, was ich bewundernswert finde. Das, was diese Konfrontation hervorgebracht hat, hatte zweifellos einen Einfluss darauf, wie Menschen sich wahrnehmen; ich denke, es gibt keinen Wissenschaftler, auf den das so sehr zutrifft.

Worüber haben Sie sich zuletzt so richtig geärgert?

Ich fürchte, dass ich auch mit anderen Wissenschaftlern die Wahrnehmung einer zunehmenden und nicht sehr sinnvollen bürokratischen Belastung teile.

Eduardo Zorita studierte Physik in Spanien und forschte nach seiner Promotion im Bereich Klimatologie in Deutschland und Frankreich. Seit 1996 ist er am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG), wo er inzwischen als leitender Wissenschaftler am Institut für Küstenforschung tätig ist. Er forscht darüber hinaus im Rahmen des Exzellenzclusters "Integrated Climate System Analysis and Prediction" (CliSAP) der Universität Hamburg. Eduardo Zorita ist Redakteur der Zeitschrift „Climate Research“ und hat am Vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) mitgewirkt.

Helmholtz Horizons 2019

Zum Thema "Climate Change- From Knowledge to Action" wirdEduardo Zorita auf dem Helmholtz-Horizons Symposium seine innovative Forschung und mutigen Visionen vorstellen. Mehr zur Veranstaltung unter: https://www.helmholtz-horizons.de/

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