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5 Fragen an ... Edgar Weckert

Röntgenblick für die Zukunft

Strahlführung für Bio-Bildgebungs- und Beugungsexperimente mit biologischen Proben bei PETRAIII. Bild: DESY / Heiner Müller-Elsner

Edgar Weckert spricht im Interview unter anderem über die Wirkung extrem brillanter Röntgenstrahlung und die Möglichkeiten der Analytik nachhaltiger Materialien von morgen.

Edgar Weckert, Direktor für den Bereich Forschung mit Photonen am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, forscht an PETRA III, einer der brillantesten Speicherring-Röntgenstrahlungsquellen der Welt. Sie bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern exzellente Experimentiermöglichkeiten mit Röntgenstrahlung. Davon profitieren vor allem Experten, die mikroskopisch kleine Proben untersuchen wollen und stark gebündeltes, sehr intensives Röntgenlicht für ihre Analysen benötigen. Edgar Weckert spricht im Interview unter anderem über die Wirkung extrem brillanter Röntgenstrahlung und die Möglichkeiten der Analytik nachhaltiger Materialien von morgen.

Die Bedeutung der Röntgenstrahlung ist bekannt. Was aber ist das Besondere der beschleunigerbasierten Röntgenstrahlung einer Synchrotronstrahlungsquelle wie PETRA III – ein 2,3 kilometerlanger Kreisbeschleuniger zur Erzeugung von Röntgenlicht?

Die Strahlung eines Synchrotrons wie PETRA III ist extrem brillant. Man sagt auch, das Licht ist äußerst gebündelt oder kollimiert. Die Bedingungen für die Streuexperimente können sehr präzise festgelegt werden, die Synchrotronstrahlung ermöglicht extrem hohe Auflösungen der untersuchten Probenstrukturen und ihrer Energiezustände. Die Synchrotronstrahlung ist außerdem um viele Größenordnungen intensiver als das Röntgenlicht konventioneller Röntgenröhren. PETRA III bietet auch die Möglichkeit, Wellenlängen quasi „durchzustimmen“: Wir können Farben des Lichts praktisch nach Belieben auswählen. Das macht unsere Spektroskopie besonders empfindlich für die Unterscheidung der Elemente der untersuchten Proben. Auch die Polarisation des Lichts lässt sich einstellen, die Schwingungsrichtung des Röntgenlichts lässt sich also definiert ausrichten. Dies ermöglicht die Untersuchung magnetischer Proben auf der Mikroskala. All diese Möglichkeiten verschaffen uns bei der Analyse der Experimente viele Vorteile.  

DESY plant ein sogenanntes Upgrade seines Synchrotrons. Was soll PETRA IV können, was PETRA III heute noch nicht kann?

Die Röntgenbildgebung der von uns untersuchten Proben an PETRA III liefert bisher fast nur statische Abbilder. Wir sehen zudem lediglich die Elektronendichte einer Probe bei höchster Auflösung. Der Röntgenstrahl von PETRA IV wird dagegen eine um bis zu drei Größenordnungen höhere Brillanz aufweisen. Der Strahl wird kohärenter, sprich gleichartiger sein, was eine wesentlich effizientere Fokussierung ermöglicht, und auch helfen wird, die Dynamik innerhalb der Proben bei gleichzeitig extrem hoher Ortsauflösung im Nanometerbereich zu erfassen.

Worin bestehen die Herausforderungen bei dem PETRA IV projekttechnisch, physikalisch und managementmäßig?

Technisch betrachtet stehen wir vor höchsten Anforderungen hinsichtlich Stabilität und Zuverlässigkeit der Maschine, und zwar auf allen Ebenen: vom Speicherring über die Strahlführungen bis zu den Experimentierstationen, auch bezüglich der geforderten Stabilität der Experimente, Detektoren und des Datenmanagements. Physikalisch erfordert PETRA IV eine extrem anspruchsvolle Strahldynamik, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Aber auch die damit zusammenhängenden röntgenoptischen Messverfahren und Detektions-Schemata auf Seiten der Nutzer sind herausfordernd. Wir streben einen erhöhten automatischen Messbetrieb an, hier ist eine vernünftige Standardisierung der Experimente und der Analyse-Werkzeuge erforderlich. Entsprechend anspruchsvoll ist die technisch-logistische Umsetzung eines solchen Projekts: ein Großprojekt im wahrsten Sinne des Wortes, das in einem bestehenden Laborumfeld in möglichst kurzer Zeit umgesetzt werden soll – in einem vorher festgelegten Zeit- und Kostenplan.

Bei einer beschleunigerbasierten Lichtquelle kommen unterschiedliche Disziplinen zusammen - auf der einen Seite die Beschleunigerphysik, auf der anderen eine sehr breite Nutzung, von der Medizin über die Strukturbiologie bis zur Quantenphysik. Wie lassen sich solche wissenschaftlichen Themenfelder koordinieren? Wie organisieren sich die entsprechenden Forschergruppen?

Für die Ausarbeitung unseres Plans für eine PETRA IV Anlage haben wir verschiedene Workshops mit allen Beteiligten unternommen: Nutzerinnen und Nutzer auf der einen Seite, Maschinenphysiker und –physikerinnen auf der anderen. Dazwischen die Forscherinnen und Forscher der sogenannten Photon Science, die beide Seiten sehr gut kennen. Damit haben wir versucht, die Anforderungen des Nutzerkreises optimal auf die Strahlparameter abzubilden, die man dann mit den Speicherringexperten diskutiert, die die Anlage konzeptionieren und bauen sollen.

Zu welchem wissenschaftlichen Highlights könnte PETRA IV zukünftig die Grundlage legen?

Fundamentale Erkenntnisse zu physikochemischen und biologisch-funktionalen Prozessen und Wirkweisen des Lebens – von den molekularen Details und deren Wechselwirkungen über die Zellen bis hin zu den Organen und des Gehirns. Hier endlich den Gesamtzusammenhang zu erfassen, dazu könnte PETRA IV wesentlich beitragen. Aber auch im Bereich der Materialforschung wird PETRA IV Durchbrüche ermöglichen: beispielsweise auf dem Gebiet der Struktur- und Prozessanalysen im Bereich der sogenannten Nano-Skala, zum Beispiel zu Batterien und ihren katalytischen Reaktionen, der Photovoltaik, der Chiptechnologie. Kurz: PETRA IV steht für die Analytik der nachhaltigen Materialien von Morgen. Deswegen nennen wir PETRA IV auch das „das hochaufgelöste Röntgen-Prozessmikroskop der Zukunft“.

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