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Ausgründung

„ExoMatter revolutioniert die Materialentwicklung“

(Bild: shutterstock)

Das Spin-off-Projekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ExoMatter hat einen Weg gefunden, die Suche nach geeigneten und nachhaltigen Materialien für Unternehmen in fast allen Industrien zu erleichtern. Ihr genaues Vorhaben erläutern uns Josua Vieten, Friedemann Call und Barbara Prähofer im Interview.

Mit ExoMatter wollt ihr die Materialforschung umkrempeln. Was ist eure Vision?

Friedemann: ExoMatter revolutioniert die Materialentwicklung in fast allen Industrien. Dafür benutzen wir große Datenbanken und finden neue oder verbesserte anorganische Materialien; zum Beispiel für neue Hochleistungsbatterien oder innovative Solarzellen. Dabei schauen wir nicht nur, was technische und physikalische Kriterien angeht, sondern eben auch Nachhaltigkeitsfragen und Wirtschaftlichkeit.

Josua: Dazu muss man wissen, dass Materialentwicklung im Labor extrem aufwändig ist. Und oft dauert es auch sehr lange herauszufinden, welche Materialien für eine Anwendung überhaupt infrage kommen. Wir haben eine bessere Methode. Wir nutzen Daten, ersetzen damit den Versuch und Irrtum im Labor und können dadurch die Zeit der Materialsuche deutlich verkürzen.

Gründung: Am 04.03.2022 hat das Gründerteam von ExoMatter den Gesellschaftsvertrag unterschrieben. (v.l.n.r.) Friedemann Call, Josua Vieten und Barbara Prähofer (Bild:Team Schnurrbart)

Wie funktioniert das?

Friedemann: Unsere Kunden sagen uns, welche technischen Anforderungen sie an das Material stellen, wie teuer es sein darf, welche Umweltaspekte berücksichtigt werden sollen und was ihnen sonst noch wichtig ist. Und wir schauen in Datenbanken, die mehrere hunderttausend Einträge beinhalten, filtern diese und finden dann eine Auswahl von möglichen Materialien. Wir interpretieren die Ergebnisse auch. Das ist nötig, da die Datenbanken nicht standardisiert sind und gerade bei theoretisch berechneten Materialdaten wichtig ist, die Annahmen und Grenzen der verwendeten Modelle zu kennen und zu berücksichtigen. Dazu benötigt man viel Expertise und Erfahrung.

Josua: Anstelle eines physischen Materials bekommen unsere Kunden dann Zugriff auf ihr individuelles Dashboard. Das ist eine Projektdatenbank mit der Liste der für sie ausgewählten Materialien. Da sind dann nicht nur die Eigenschaften beschrieben, die Friedemann bereits genannt hat. Da erfahren Sie zum Beispiel auch, auf welche der ausgewählten Materialien Patente existieren und erhalten Quellenangaben zu relevanten wissenschaftlichen Publikationen. Das erspart eine Menge Arbeit und Zeit. Denn normalerweise müssen das die Kunden bei der Materialauswahl alles aus verschiedensten Quellen selbst recherchieren.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Materialdesign als Dienstleistung anzubieten?

Josua: Ich war 2015 Masterstudent am DLR und habe Friedemann unterstützt. Meine Aufgabe war es, ein neues Material für eine bestimmte Anwendung zu finden. Ich habe mir gedacht, jetzt alle durchzuprobieren, ist irgendwie blöd. Es gab aber bereits Datenbanken, in denen man die Materialien finden konnte. Und aus diesen habe ich dann eins ausgewählt. Das hat auch gleich wirklich super funktioniert. Das war der erste Punkt, der gezeigt hat, welches Potenzial da drinsteckt. Den Weg habe ich dann in meiner Doktorarbeit weiterverfolgt. Da wir immer wieder gehört haben, dass es bei Firmen großes Interesse gibt, so etwas zu nutzen, haben wir dann die Idee für unser eigenes Startup entwickelt.

Friedemann: Ich saß einige Jahre im Labor und musste die Materialien per Hand auswählen. Deshalb war ich auch verblüfft, als Josua seine Idee mit der Auswahl aus Datenbanken bei uns etabliert hat. Man muss natürlich auch dazu sagen, dass die Datenbanken in dieser Form damals erst im Entstehen waren. Zehn oder fünfzehn Jahre früher gab es diese Möglichkeit ja gar nicht. Dann habe ich die Forschung erstmal verlassen, bin bei der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle für den Weltklimarat  gelandet und habe mich viel mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Und da merkt man, dass es viele Fragen gibt, wo man mit neuen Materialien weiterkommt. Das war mein Antrieb, mit Josua diese Firma zu gründen. Denn unser Ansatz macht es einfacher, neue, effizientere, nachhaltiger, umweltfreundlicher Materialien zu finden.

Barbara: Zwei Naturwissenschaftler mit so einer vielversprechenden Idee brauchen jemanden, der das auch vermarktet und verkauft. Und da komm ich ins Spiel. Ich habe im Bachelor Chemie und BWL studiert und mich dann im Master auf Entrepreneurship und Management spezialisiert. Bisher habe ich auch als Business Development Managerin gearbeitet und den digitalen Sales vorangetrieben. Dann hat mich Josua gefragt, ob ich mithelfen will. Und jetzt gehöre ich zum Gründerteam.

Habt ihr bisher auch auf Unterstützung vom DLR und von der Helmholtz-Gemeinschaft zählen können?

Friedemann: Ja, natürlich. Die Unterstützung durch die Helmholtz-Gemeinschaft ist äußerst hilfreich. Und das Technologiemanagement des DLR betreut uns ebenfalls sehr gut. Wir tauschen uns monatlich aus und zwischendurch gibt es auch immer wieder Workshops: Wie man verhandelt. Wie man ein Team aufbaut. Wie man einen Finanzierungsplan schreibt. Wir bekommen sehr viel Feedback. Dann nutzen wir auch den Slack-Kanal der Helmholtz-Gemeinschaft. Dort können wir mit anderen Gründerteams ins Gespräch kommen und uns austauschen. Es ist eine sehr gute Art, ein Unternehmen zu starten. Es gibt uns eine Menge Sicherheit.

Josua: Es mag jetzt zwar banal klingen, aber auch die finanzielle Unterstützung durch die Gemeinschaft hilft uns wirklich sehr. Mit dem Helmholtz Enterprise Ausgründungsprogramm haben wir 14 Monate finanzielle Sicherheit, sodass wir uns ausschließlich um die Gründung und den Anschub des Unternehmens kümmern können. Das ist eine sehr komfortable Situation. Das hilft uns wirklich weiter.

Lasst uns einen Blick in die Zukunft werfen. Wo seht ihr euch und euer Unternehmen in drei Jahren?

Barbara: Wir wollen eine Plattform kreieren, die nicht nur Unternehmen, sondern jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin in jedem Umfeld nutzen kann, um dort digitale Materialforschung durchzuführen. Das ist unsere Vision. In drei Jahren hoffen wir, dass viele tausend User unsere Plattform nutzen, die sich auch untereinander helfen und voneinander lernen können.

Friedemann: Das Ganze soll dann als Abo-Modell funktionieren. Und wer genauere Untersuchungen wünscht, kann diese dann zusätzlich bei uns beauftragen. Wie ein Premium-Paket, wenn man das so sagen will.

Josua: Genau. Momentan arbeiten wir ja auf eben diese Weise: Wir bieten reine Servicedienstleistungen projektbasiert an. Das ist auf Dauer aber nicht skalierbar. Und deshalb wollen wir perspektivisch hin zu einem Plattformgeschäft, zu einer Software-as-a-Service. Damit wollen wir helfen, das digitale Materialdesign zu etablieren. Das ist unser Beitrag für die Lösung der großen und dringenden Herausforderungen der Zukunft.

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