Direkt zum Seiteninhalt springen

Blickwinkel

Nur für kurze Zeit?

Bild: Jindrich Novotny

Befristete Anstellungen sind in der Wissenschaft keine Ausnahme, sondern eher die Regel. Doch nicht nur Forscher müssen sich damit abfinden: Auch viele Mitarbeiter aus dem administrativen und technischen Bereich haben Zeitverträge. Ist das vertretbar? Was spricht für eine Befristung, was dagegen? Zwei Blickwinkel

„Befristete Arbeitsverträge für nichtwissenschaftliches Personal in Forschungseinrichtungen und Universitäten sind manchmal erforderlich“, sagt Elke Luise Barnstedt, Vizepräsidentin für Personal und Recht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Qualifizierte und motivierte Beschäftigte sind das Fundament für den Erfolg einer Universität oder einer Forschungseinrichtung. Deshalb ist es jeder Institution höchst wichtig, sichere und verlässliche Arbeitsplätze für ihre Beschäftigten zu schaffen. Trotzdem ist es in manchen Fällen erforderlich, auch für Beschäftigte in Verwaltung und Technik (VT-Personal) befristete Arbeitsverträge abzuschließen. Der Gesetzgeber hat hier mit dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz Rechtsgrundlagen geschaffen, die befristete Arbeitsverträge auch für VT-Personal zulassen. Gründe für diese Regelungen sind der Schutz der Beschäftigten, aber auch der Schutz der Institution. Befristete Arbeitsverträge werden vor allem deshalb geschlossen, um den eigenen Beschäftigten eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zum Beispiel Elternzeit oder die Pflege von Kindern oder nahen Verwandten, zu ermöglichen. Wenn Beschäftigte ihre Familienpflichten wahrnehmen und daher für eine bestimmte Zeit gar nicht oder nur teilweise berufstätig sind, können wegen des Rückkehrrechts ihre Vertreterinnen und Vertreter in der Regel nur befristet eingestellt werden. Ein weiterer Befristungsgrund sind – auch beim VT-Personal – die Drittmittel.

Elke Luise Barnstedt ist Vizepräsidentin für Personal und Recht am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bild: Jindrich Novotny

Forschungseinrichtungen und Universitäten sind aufgerufen, Drittmittel einzuwerben. Sie sind ein Erfolgsindikator, werden aber nur befristet und für bestimmte zeitlich begrenzte Projekte bewilligt. Gerade in den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist dafür oft zeitlich befristet zusätzliches, meist spezialisiertes VT-Personal erforderlich. Vor allem erfolgreiche Einrichtungen mit einem hohen Drittmittelaufkommen – über 40 Prozent des KIT-Haushalts sind drittmittelfinanziert – können die Risiken für den Fall des Versiegens der Mittel nicht durch die Grundfinanzierung absichern, was aber bei Dauerarbeitsverhältnissen notwendig wäre. Die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge abzuschließen, ist für sie (über-)lebenswichtig.

Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Fällen, oftmals an einem anderen Arbeitsplatz in der Forschungseinrichtung, eine dauerhafte Einstellung folgt. Dies belegt den verantwortungsbewussten Umgang mit Befristungen. Es wäre sehr bedauerlich und für die Universitäten und Forschungszentren sehr abträglich, wenn der Befristungsgrund einer Drittmittelfinanzierung von VT-Personal nicht erhalten bliebe.

„Für Daueraufgaben in einer Hochschule oder Forschungseinrichtung muss es Dauerstellen geben“, sagt Andreas Keller, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands sowie stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten – das ist ein besorgniserregender Trend, von dem zunehmend nicht nur das wissenschaftliche, sondern auch das administrative und technische Personal in Hochschule und Forschung betroffen sind. Über die allgemeinen Regeln des Teilzeit- und Befristungsgesetzes hinaus sieht das geltende Wissenschaftszeitvertragsgesetz (Wiss- ZeitVG) vor, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Technik (VT) befristet beschäftigt werden können, wenn ihre Stelle überwiegend aus Drittmitteln finanziert wird. Es ist höchste Zeit, dass dieser Befristungstatbestand aus dem Gesetz gestrichen wird.

Das WissZeitVG war ursprünglich als Qualifizierungsgesetz konzipiert: Wer sich wissenschaftlich qualifiziert, also zum Beispiel eine Doktorarbeit schreibt oder die Voraussetzungen für eine Berufung auf eine Professur erwirbt, kann befristet beschäftigt werden. Es ist daher konsequent, den Geltungsbereich des WissZeitVG auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu begrenzen.

Andreas Keller ist Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands sowie stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Bild: Jindrich Novotny


Administrative und technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen Daueraufgaben im Wissenschaftsbetrieb wahr. Selbstverständlich haben auch sie Anspruch auf Fortbildung, eine wissenschaftliche Qualifizierung streben sie in der Regel nicht an. Für die Wahrnehmung von Daueraufgaben in einer Hochschule oder Forschungseinrichtung muss es aber Dauerstellen geben. Gerade in Technik und Verwaltung ist die Wissenschaft auf Kontinuität und Qualität angewiesen. Erfahrungswissen sammeln und Netzwerke aufbauen – das funktioniert nicht mit dem Hire and Fire-Prinzip.

Das gilt auch für Beschäftigte in Drittmittelprojekten. Eine wissenschaftliche Einrichtung, die heute Drittmittel einwirbt, sollte zuversichtlich davon ausgehen, auch morgen und übermorgen Drittmittel einzuwerben. Beschäftigte, die heute in Drittmittelprojekt A eingesetzt werden, können vielleicht übermorgen in Projekt B mitarbeiten und dazwischen über einen Überbrückungsfonds finanziert werden. Das alles setzt freilich eine aktive Personalpolitik voraus. Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die nach einer Stärkung ihrer Autonomie gerufen und diese über Landeshochschulgesetze beziehungsweise das Wissenschaftsfreiheitsgesetz bekommen haben, müssen unter Beweis stellen, dass sie mit ihrer Autonomie verantwortungsbewusst umgehen können.

Leser:innenkommentare