Magnetische Sensorfäden machen Kleidung smart

Nahtlose Navigation in einer virtuellen Umgebung unter Verwendung eines gestrickten Ärmels mit überflochtenen Magnetfeldsensoren und einem magnetischen Ring. Bild: Freie Universität Bozen
Intelligente Kleidung, die die Körperfunktionen misst, mit der Umwelt interagiert und sogar Waschgänge bei 30 Grad problemlos übersteht: Daran forscht Denys Makarov vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Denys Makarov legt eine dünne, weiße Schnur auf den Tisch in seinem Büro im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), wenige Kilometer östlich der sächsischen Hauptstadt. Die Schnur ist ein bis zwei Millimeter breit, aus vielen Fäden fein gewebt, ein wenig erinnert sie an den Spaghettifaden aus einer Strickliesel. In der Mitte, kaum sichtbar, ein nur wenige Millimeter länglicher Knubbel. „Das ist der Sensor, in ein Polymer gegossen und in den Faden eingewebt.” Am Ende der Schnur treten kaum sichtbare kupferfarbene Einzeldrähte heraus. „Das ist die Verkabelung, damit übertragen wir die Signale aus dem Sensor und versorgen ihn mit ein bisschen Strom”, sagt Makarov, der der Leiter der Abteilung „Intelligente Materialien und Funktionselemente des Instituts für Ionenstrahlphysik und Materialforschung” amHZDRist. Während er das Konstrukt beschreibt, merkt man ihm an, wie begeistert er immer noch ist, angesichts der winzigen Dimensionen: „Und das alles kann man mit industriellen Webmaschinen produzieren.”
Was Makarov da präsentiert, ist der nächste Schritt, um Menschen per Sensoren mit der Umwelt interagieren zu lassen. Parallel zur Digitalisierung der letzten Jahrzehnte ging eine Miniaturisierung einher, die es ermöglichte Sensoren in immer kleinere Geräte zu packen. Jedes Smartphone ist vollgepackt mit Messzellen. Neben dem lichtempfindlichen Kamerasensor gibt es Beschleunigungsmesser für die Orientierung im Raum oder als Wasserwaage, ein Magnetometer für den Kompass oder ein Barometer für den Luftdruck. Smartwatches packen vieles davon in noch kompaktere Form und messen auch noch Signale des Körpers wie Blutdruck oder die Körpertemperatur. Inzwischen passt vieles davon sogar in smarte Ringe, die noch kleiner ausfallen.
Für Makarov und seine Kollegen ist Kleidung der nächste Bereich der Wearables, der mittels Sensoren, den Körper mit der Umwelt kommunizieren lässt. Die Anwendungen könnten vielfältig sein: Im professionellen Bereich etwa bei der Feuerwehr, Polizei, bei Astronauten oder auch im Militärbereich, ebenso wie im Sport oder selbst im Pflegebereich für Senioren. Überall da, wo es notwendig sein kann, zum Beispiel Körperfunktionen oder Bewegungen zu überwachen und an Außenstellen zu übermitteln oder zu interagieren; natürlich auch im Raum der virtuellen Realität, egal ob in Spielen oder in Simulationen.
Die Besonderheit im Fall des weißen Fadens: Der Sensor reagiert auf Magnete, die Spezialität Makarovs. Der Forscher stammt aus der Ukraine, lebt aber schon seit rund zwanzig Jahren in Deutschland. Er hat in Konstanz in Physik promoviert, Magnetismus ist sein Spezialgebiet. Es folgten zwei Jahre als Postdoc an der TU Chemnitz, dann wechselte er nach Dresden, erst an das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung und schließlich, 2015, ans HZDR.
Seit 20215 forscht Dr. Denys Makarov am HZDR. HZDR/R. Weisflog
Magnete haben einen unschlagbaren Vorteil: „Signale können ausgelöst werden, ohne dass die Sensoren berührt werden müssen, touchless”, sagt er. Taktile Sensoren, die auf Druck reagieren, können versehentlich aktiviert werden, wenn sie mit der Umgebung in Kontakt geraten, etwa wenn man an einer Wand entlang schrammt oder über den Boden rollt. „Bei Magnetsensoren ist das sehr viel weniger wahrscheinlich”, sagt Makarov.
Es gibt bereits einige Varianten von Sensoren, die ins Gewebe eingebracht werden: leitfähige Garne; auf den Stoff gedruckte Komponenten; einzeln beschichtete Fasern; starre Bauteile, die auf dem Stoff befestigt werden. Doch diese haben alle ein grundlegendes Manko: Ihre Widerstandsfähigkeit lässt zu wünschen übrig, vor allem bei so simplen Vorgängen wie: Wäsche waschen oder das An- und Ausziehen des Kleidungstücks. Es klingt profan, aber genau das ist es, was von solchen Devices in der Kleidung abverlangt wird, vor allem wenn es sich um Funktionskleidung handelt.
„Wir haben jetzt erstmals zeigen können, dass unsere Magnetfeld-Sensoren, in ein Polymer gegossen und eingewebt in ein Strickarmband regelmäßiges Waschen unter normalen Bedingungen schadlos übersteht”, erklärt Makarov. Weil die Technik sieben Waschgänge bei 30 Grad problemlos übersteht, macht ihr auch feuchte Umgebung oder sogar ein Unterwassereinsatz nichts aus. Hinzu kommt: Der gewebte Faden ist flexibel und lässt sich dehnen und ziehen, genau wie man es von einem Stück Stoff erwartet. Das Strickarmband, das den gesamten Unterarm bedeckt und an dem die Forscher ihre Technologie getestet haben, kann mit Hilfe eines Rings oder eines Handschuhs mit integriertem Minimagneten in den Fingerspitzen vielseitig eingesetzt werden. Die Sensoren sind in das Armband eingestrickt und farbig abgesetzt, damit ihre Position gut sichtbar ist.
Im Frühjahr 2025 hat das Dresdner Team um Makarov, das vor allem für die Sensorik verantwortlich ist, die Ergebnisse im Fachblatt „Communications Engineering” veröffentlicht, gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern der Freien Universität Bozen und der Nottingham Trent University, den Experten für die Textilien.
Aber noch ist das kein Produkt, obwohl das Forschungsteam mit seinen Stresstest einen wesentlichen Schritt in dieser Richtung gemeistert hat. Einer der nächsten wichtigen Schritte: „Das alles muss zertifiziert werden”, sagt Makarov, genau wie eine Smartwatch oder ein Smartphone. „Man muss nachweisen, dass es nicht gefährlich ist, denn da ist ja eine Elektronik drin.” Problem: Es gibt fast keine Regularien für eine solche Zertifizierung. Beispiel Waschen: „Wie viele Waschgänge muss das Device überstehen, um die Sicherheit und Langzeitstabilität im Alltagseinsatz zu belegen? Es gibt verschiedenste Waschmittel, unterschiedlichen Kalkgehalt, das Wasser in verschiedenen Ländern wird unterschiedlich aufbereitet, es gibt unterschiedlichste Waschmittel”, sagt Makarov. Man bekommt fast den Eindruck, als sei das Entwickeln der Regularien komplexer als das Entwickeln einer robusten ins Textil gewebten Sensorik. Wichtig sei, so Makarov, dass nicht überreguliert wird: „Sonst will das keiner herstellen, dann stirbt die Technologie, weil es zu kompliziert ist”.
Die Dresdner haben sich daher mit zwölf Partnern zu einem Konsortium zusammengeschlossen, darunter Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Krankenhäuser. Ziel sind die nächsten Schritte bis zur Kommerzialisierung zu entwickeln und festzulegen, welche Parameter wichtig sind für eine angemessene Zertifizierung. Erst wenn das gelöst ist, werden die Magnetsensoren den Weg in die Funktionskleidung dieser Welt schaffen.
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