Standpunkte
Lässt sich der Wert der Natur in Euro messen?
Lassen sich Umweltgüter wie Auen, die vor Überschwemmungen schützen, in Geldwerte umrechnen? Ist das Erfassen von Naturleistungen vielleicht sogar eine gesellschaftliche Aufgabe? Oder sollten wir erst in die in die Natur eingreifen, wenn die Folgen absehbar sind? Zwei Blickwinkel
Die Natur spielt bei den meisten unserer Entscheidungen keine Rolle. Wir berücksichtigen sie allenfalls, wenn es um unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln, Holz oder Trinkwasser geht - oder wenn wir uns an ihrer Schönheit erfreuen. Dass die Natur aber weitere zentrale Leistungen erbringt, übersehen wir allzu oft: Flächen werden für Industrie oder Siedlungen freigegeben, ohne dass die Wirkungen auf das Mikroklima, den Wasserhaushalt oder die biologische Vielfalt berücksichtigt werden. Dass Auen vor Überschwemmungen schützen können, registrieren wir erst, wenn unsere Keller wieder einmal unter Wasser stehen. Und dass eine Stadt ohne Grün auch einen Verlust von Wohlbefinden und Lebensqualität bedeutet, merken wir dann, wenn es im Sommer unerträglich heiß wird und wir uns kaum noch draußen bewegen können.
Die vielfältigen Leistungen der Natur zu erfassen, ihren Wert für den Menschen - seine Gesundheit und sein Wohlbefinden - aufzuzeigen und in Entscheidungen zu integrieren, ist daher eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Eine ökonomische Betrachtung kann da sehr hilfreich sein. Es geht dabei nicht um Monetarisierung, darum, Bäumen und Tieren Preisschilder aufzudrücken; das ist zweitrangig. Viel wichtiger ist es, eine Übersicht zu bekommen: Welche Leistungen erbringt die Natur? Wer profitiert von ihnen in welcher Form? Und was passiert, wenn die Leistungen verloren gehen? Dafür braucht man eine ökonomische Bewertung, eine sachliche Kosten-Nutzen-Analyse. Durch sie werden bessere Entscheidungen möglich.
Diese Sicht verfolgt auch die internationale TEEB-Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“. Zahlreiche Beispiele in dieser Studie zeigen: Der Schutz der Natur lohnt sich auch ökonomisch. Allein dafür ist es wichtig, dass eine wirtschaftliche Bewertung von Naturgütern überhaupt stattfindet - einfach, damit der Nutzen des Schutzes nachweis- und belegbar ist. In Deutschland haben wir dies bereits für Moorgebiete, artenreiches Grünland oder die Wirkungen des urbanen Grüns auf Gesundheit und Wohlbefinden aufgezeigt. Als Studienleiter des deutschen Vorhabens „Naturkapital Deutschland - TEEB DE“ versuche ich mit meinem Team, weitere Beispiele zu finden, die zeigen: Eine volkswirtschaftliche Perspektive hilft dabei, die Umwelt zu bewahren.?
Um ein anderes Beispiel zu nennen: Eine neue Start- und Landebahn an einem Flughafen führt zu mehr Lärm, möglicherweise eröffnen sich aber auch Nischen für seltene Arten, die sich vorher dort nicht ansiedeln konnten. Der Lärm erzeugt Gesundheitsschäden bei Anwohnern und zugleich neue Arbeitsplätze in der Region. Wie sollte man all das messen, bewerten und gegeneinander aufwiegen?
Statt einer Monetarisierung von Umweltgütern ziehe ich eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips vor: In ein System sollte nur eingegriffen werden, wenn man die Folgen absehen kann – was zum Beispiel beim Einsatz von Gentechnik noch nicht der Fall ist. Ist die Umwelt betroffen, so müssen Grenzen gesetzt werden, die sich an außerökonomischen, naturwissenschaftlichen Kriterien orientieren. Hierfür braucht man aber keine Umweltbewertung. Hilfreich sind stattdessen Umweltindikatoren – etwa die Entwicklung der Gewässerqualität. Ergänzt werden können diese durch monetäre Indikatoren, wenn sie geeignet sind – wie die Kosten, die anfallen würden, wenn man sich für weniger umweltschädigende Maßnahmen entscheiden würde. Dominieren dürfen diese Indikatoren aber nicht.
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