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5 Fragen an...Nico Döttling

„Ich habe geschrieben, gelöscht, neu geschrieben“

Nico Döttling forscht am CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit in Saarbrücken. (Bild: CISPA/Tobias Ebelshäuser)

Wie man selbst große Mengen digitaler Forschungsdaten von verschiedenen Stellen zusammenführen kann, ohne Persönlichkeitsrechte zu verletzen, weiß Nico Döttling. Für seine Arbeit erhielt er einen ERC Starting Grant. Wir sprachen mit ihm über sein Erfolgsrezept.

Herr Döttling, Sie haben einen ERC Starting Grant in Höhe von knapp 1,5 Millionen Euro für Ihre Forschung zur „Laconic Cryptography“ erhalten. Was kann man sich darunter vorstellen?

Die lakonische Kryptografie ist ein Kunstwort, das ich zusammen mit einigen Koautoren vor ein paar Jahren geprägt habe. Im Englischen verwendet man „laconic“ immer dann, wenn jemand nur sehr wenig Worte braucht, um etwas auszudrücken. Und das streben wir auch in der Kryptografie an. Dazu vielleicht ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine künstliche Intelligenz so programmieren, dass sie auf MRT Aufnahmen einen Tumor erkennen kann. Dazu benötigen Sie sehr viele Trainingsdaten – also reale MRT-Aufnahmen. Wir nennen das Feld „Federated Analysis“. Das heißt, wir benutzen weit verteilte Datenquellen für das maschinelle Lernen. Damit stehen Sie vor einer großen Herausforderungen. Denn die Aufnahmen liegen bei medizinischen Institutionen in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichsten Datenschutzvorschriften. Wenn Sie darauf zugreifen, müssen sie sicherstellen, dass keine personenbezogenen Daten eingesehen werden können. Der Empfänger soll mit den Daten zwar lernen, einen Tumor zu erkennen, sonst aber keinerlei andere Informationen herauslesen können. Das geht zwar mit heutiger Kryptografie sehr gut, allerdings müssen Sie dazu Datenmengen über das Netz austauschen, die fast so groß sind wie die Originaldaten. Die liegen bei einem MRT Bild schon im Gigabytebereich und Sie benötigen Tausende für das Training der KI. Die wichtigsten Fragen sind also: Wieviel Rechenzeit kostet es, die Informationen zu verschlüsseln und wie hoch sind die Kommunikationskosten, die dadurch entstehen. In der lakonischen Kryptografie wollen wir die Daten, die bei solchen Suchanfragen übermittelt werden, auf ein Minimum reduzieren.

Wie sind Sie eigentlich zur Kryptographie gekommen?

Was mich zur Kryptografie gebracht hat, ist die Schönheit der Mathematik, die da auftaucht. Zum ersten Mal bin ich 2007 darauf gestoßen. Da war ich Student und hatte mein Diplom noch nicht gemacht. Ich war fasziniert vom Zusammenspiel zwischen der aus meiner damaliger Sicht doch sehr abstrakten und fortgeschrittenen Mathematik und einem tatsächlichen denkbaren praktischen Einsatz. Denn in den meisten anderen fortgeschrittenen Konzepte der Algebra, die ich als Student aufgesogen hatte, ging es vor allem darum, die Schönheit der Theorie weiterzutreiben. Aber Kryptografie vereint aus meiner Sicht zwei Welten. Wir untersuchen schöne Strukturen in der Mathematik und wir verwenden sie, um einen gesellschaftlichen Nutzen zu erzeugen. Und das reizt mich bis heute. Ich habe dann am KIT promoviert und anschließend als Postdoc in Aarhus in Dänemark und in Berkeley in den USA weiter an der Kryptografie geforscht. Bis 2018 war ich Juniorprofessor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und nun bin ich hier am CISPA.

Die Kryptografie ist also der rote Faden, der sich durch Ihre Forscherkarriere zieht. Wie hilft Ihnen nun der ERC Starting Grant?

Meine Forschungsgruppe und ich haben in den letzten Jahren einige Grundlagen für die lakonische Kryptografie geschaffen. Wir konnten zeigen, dass kryptografische Verfahren mit minimalem Datenaustausch grundsätzlich möglich sind. Die Protokolle, die wir dafür geschrieben haben, funktionieren im Labormaßstab sehr gut – sind aber für eine Anwendung in der Praxis noch nicht wirklich praktikabel. Mit dem ERC Starting Grant werden wir diese Herausforderung annehmen und Protokolle finden, die prinzipiell auch für den praktischen Einsatz denkbar sind. Doch dafür müssen einige grundlegende Dinge komplett neu gedacht werden. Deshalb ist das Projekt auch auf ganze fünf Jahre angesetzt.

Wieviel Arbeit steckt eigentlich in einem Antrag für ein ERC Starting Grant?

Zuerst einmal sollte man sich eines vor Augen führen: Den Antrag für ein ECR Grant schreibt man nicht einfach mal so. Der Antrag muss mit dem eigenen Lebenslauf verflochten sein. Ihre ganze bisheriger Forschung ist darin kumuliert. Man bringt einen ERC Track Record mit, heißt es im Englischen. Bei mir war es eben die „Laconic Cryptography“, da sie sich wie ein roter Faden durch meine Wissenschaftskarriere zieht. Also habe ich mir mehrere Monate Gedanken gemacht, in welche Richtung mein Projekt nun konkret gehen könnte. Als das Grobkonzept stand, ging es ans Schreiben – das hat bei mir dreieinhalb Monate gedauert. Ich habe geschrieben, gelöscht, neu geschrieben – man bringt etwas zu Papier, gibt es anderen Leuten zu lesen und überarbeitet es. Diesen Prozess halte ich für enorm wichtig. Denn ohne Feedback läuft man Gefahr, sich in Ideen zu verrennen, die am Ende nicht viel bringen. Bei all dem hat man natürlich immer im Hinterkopf, dass die Erfolgschancen bei weniger als 10 Prozent liegen. Denn von den rund 4.500 Anträgen wurden nur 400 ausgewählt. In der ersten Runde begutachtet die Jury eine fünfseitige Kurzfassung der Anträge. Danach fliegen schon zwischen 60 und 70 Prozent der Bewerber raus. Hat man es in die zweite Runde geschafft, steht ein Interview an. Das findet normalerweise in Brüssel statt. Pandemiebedingt war es diesmal eine Videokonferenz. Jeder Bewerber muss dann vor das Panel treten und sein Vorhaben in zehn Minuten präsentieren. Danach stellt er sich dann weiteren 10 Minuten den Fragen der Jury. Man weiß, dass nur 2 bis 3 der Leute aus dem Panel sich den eigenen Antrag gut durchgelesen haben. Jetzt muss man auch noch die anderen 15 bis 16 davon überzeugen, dass man förderwürdig ist. Das ist mit einer enormen Anspannung verbunden. Ich habe die Nacht davor kaum geschlafen und – wie viele andere auch – meinen Vortrag auswendig gelernt.

Was bedeutet die Förderung für Sie persönlich und für Ihre weitere Wissenschaftskarriere?

Da der Grant so kompetitiv ist, hat er auch ein sehr hohes Renommee. Er ist schon so etwas wie ein Gütesiegel für Forscher. Damit wird er für viele zu einem Pfund, mit dem man wuchern kann, um eine Dauerstelle zu erhalten. Bei mir war das ein wenig anders. Ich habe bereits einen Monat vor Bekanntgabe der Gewinner meine Entfristung erhalten. Trotzdem ist der Grant nicht nur für meine Forschung, sondern auch für mich selbst sehr bedeutend. Denn er zeigt, dass die Wissenschaftscommunity meine Forschungsagenda anerkennt und zu schätzen weiß.

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