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H2Atlas-Afrika

Grüner Wasserstoff für die Energiewende

Bild: Forschungszentrum Jülich

Im Energiesystem der Zukunft wird Deutschland grünen Wasserstoff aus anderen Ländern importieren müssen. Welche Potenziale dabei die afrikanischen Staaten südlich der Sahara haben, hat das Forschungszentrum Jülich (FZJ) untersucht und einen Wasserstoffatlas für Afrika erstellt.

Wasserstoff gilt als zentraler Baustein für das Energiesystem der Zukunft. Denn er kann überschüssigen Strom aus regenerativen Quellen speichern, er lässt sich relativ einfach transportieren und er kann wieder in andere Energieformen wie Wärme und Strom umgewandelt werden. Wasserstoff spielt auch in der chemischen Industrie eine große Rolle und wird zum Beispiel bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen verwendet.

Der Bedarf an Wasserstoff wird künftig also enorm steigen. Klar ist, dass wir hierzulande nicht den gesamten Bedarf an grünem, also regenerativ erzeugtem Wasserstoff werden decken können. „Wir schätzen, dass Deutschland etwa die Hälfte des von uns errechneten Wasserstoffbedarfes in Höhe von 12 Mio. Tonnen selbst produzieren kann“ “, sagt Detlef Stolten. Das haben der Leiter des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich (FZJ) und sein Team in einer Gesamtanalyse des deutschen Energiesystems kalkuliert. „Wir haben natürlich auch die Kostenseite beachtet und dabei ist eines besonders interessant: Wir können einen großen Teil unseres Wasserstoffbedarfs in Deutschland billiger selbst herstellen als ihn zu importieren.“ Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir die andere Hälfte eben doch einkaufen müssen. „Ich halte den Import für richtig, wichtig und notwendig“, sagt der Experte für Brennstoffzellen. „Um die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten, muss Wasserstoff ein internationales Handelsgut werden.“

Planspiel für eine optimale Wasserstoffwirtschaft

Um mögliche Partnerländer für den Import von grünem Wasserstoff zu finden, muss man die Potenziale für die Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen kennen. Welche das speziell im südlichen und westlichen Afrika sind, wollte das Jülicher Team im Rahmen des Projektes „H2Atlas-Africa“ im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) herausfinden.

Detlef Stolten leitet das Institut für Energie- und Klimaforschung, Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3). Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Ziel des Projektes ist es, eine Win-win-Situation für die afrikanischen Länder und für Deutschland zu schaffen. Der Atlas ist hierbei eine wichtige Basis, denn er ermöglicht es den lokal agierenden Personen, lohnende Gebiete für die Wasserstofferzeugung schnell zu identifizieren, Investoren zu gewinnen, Demoprojekte zu entwickeln und damit Schritt für Schritt eine eigene, nachhaltige und unabhängige Wertschöpfungskette aufzubauen. Das würde nicht nur die schnell wachsende Wirtschaft in diesen Ländern unterstützen. Es würde gleichzeitig klimaschädlichen Emissionen entgegenwirken, die mit dem schnellen Wachsen von Volkswirtschaften in der Vergangenheit fest verbunden waren. Deutschland, so die Hoffnung in Berlin, würde wiederum von einem wachsenden Wasserstoffweltmarkt profitieren, indem es verlässliche Partner:innen auf Augenhöhe für den Handel mit der wertvollen Ressource gewinnen kann.

„Wir haben das Potenzial für die Wasserstofferzeugung aus den Potenzialen der erneuerbaren Energien an den Standorten errechnet“, erzählt Detlef Stolten. Das passiert alles rein virtuell am Computer mit ausgeklügelten Modellen und Algorithmen, die die Jülicher Wissenschaftler:innen für solche Analysen entwickelt und verfeinert haben. „Unser Ausgangspunkt ist immer die Landfläche der zu untersuchenden Regionen in Quadratkilometern“, erklärt er. „Und da gehen wir mit knapp 30 Ausschlusskriterien heran.“ Das sind all die Stellen, wo definitiv keine Anlagen für erneuerbare Energie platziert werden können. Oder sollten. Siedlungen zum Beispiel. Aber auch Straßen, Stromtrassen und Bahnlinien gehören dazu. „Natürlich auch Naturschutzgebiete“, sagt der Forscher. „Und alles andere, wo man logischerweise einfach nicht bauen kann.“ Wasserflächen, Sümpfe und Wälder werden ebenso ausgeschlossen, wie Gebiete mit mehr als 10 % Steigung. Denn in bergigen Gebieten ist das Bauen einfach schwieriger. Übrig bleibt eine Fläche, die man theoretisch mit Erneuerbaren belegen könnte.

Für Deutschland – das hat er in einem früheren Projekt bereits gerechnet – sind das zum Beispiel 2 % der Festlandsfläche. „Und die bebauen wir dann mit den entsprechenden Erneuerbaren“, sagt er. „Natürlich virtuell durch unsere Algorithmen.“ Daraus ergibt sich ein Potenzial. Das bedeutet: Im Rechner stehen Windräder und Photovoltaikanlagen – durchaus auch in Konkurrenz zueinander. „Dann fügen wir die Wetterdaten hinzu und sehen zum Beispiel, wo ganz wenig Wind weht und der Strom aus Windrädern deshalb recht teuer wird.“ Vielleicht scheint an diesen Orten aber oft die Sonne? Dann bevorzugt der Algorithmus dort die Photovoltaik. Denn die wird da wohl auf Dauer den preiswerteren Strom liefern. „Aus all diesen Informationen entwickelt das Programm nun Gebiete, wo Erneuerbare aufgebaut werden könnten. Damit ergibt sich eine wirklich kostenorientierte, sinnvolle Verteilung in Form eines Atlas.“

Der Physiker Solomon Nwabueze Agbo koordiniert das Projekt „H2Atlas-Africa“ am Forschungszentrum Jülich (Bild: FZ Jülich/Wilhelm-Peter Schneider).

Doch das ist für die Wasserstoffwirtschaft erst die halbe Miete. Denn das gefragte Gas wird gewonnen, indem man Wasser mit regenerativem Strom zerlegt. Elektrolyse nennt sich dieser Vorgang. Das dafür nötige Wasser, das haben Stoltens Teammitglieder untersucht, sollte unbedingt aus der Meerwasserentsalzung kommen. Denn allein ethische Gründe verbieten es, die nicht unerheblichen Mengen aus den Trinkwasserreserven abzuzweigen. „Die Kosten für die Entsalzung haben wir mit unter 0,5 Cent pro Kilowattstunde Strom berechnet“, sagt Detlef Stolten. „Also in einem sehr, sehr kleinen Bereich. Und damit ist das leistbar.“ Zusätzlich haben der Forscher und sein Team alle Daten und Verfahren in ihr System eingegeben, die zum virtuellen Aufbau einer Elektrolyse und eines Transportnetzes nötig sind. Natürlich wurden dabei auch entsprechende Häfen berücksichtigt. Genauso wie die Verflüssigung des Wasserstoffs und den anschließenden Transport – zum Beispiel nach Deutschland.

Vielversprechende Daten und großes Interesse

„Wir haben in mehreren Ländern des westlichen und südlichen Afrikas verschiedene Hotspots für die Wasserstoffproduktion identifiziert“, sagt Solomon Nwabueze Agbo. Der Physiker vom Forschungszentrum Jülich koordiniert das Projekt „H2Atlas-Africa“.

„Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass die Region generell für die Produktion von grünem Wasserstoff attraktiv ist.“ Dabei ist er sicher, dass der Atlas ein sehr wichtiges Instrument für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ist. „Er liefert einen Einblick in die Potenziale und Möglichkeiten auf regionaler, aber auch auf Länderebene.“ Das würde Investoren bei der Standortwahl unterstützen. „Das Engagement zwischen deutschen und afrikanischen Akteuren kann also durch die wissenschaftlich fundierten Fakten des Atlas erheblich erleichtert werden“, sagt Solomon Agbo. „Denn es ist immer gut, wenn politische Maßnahmen und Investitionen auf wissenschaftlich fundierten Fakten beruhen.“

Der Atlas ist im Internet frei zugänglich. „Darüber hinaus haben wir für jedes Land Fact Sheets erstellt, die auf den Ergebnissen des Atlas basieren. Diese sind ebenfalls frei verfügbar.“ Das gilt auch für viele der von den Wissenschaftler:innen verwendeten Werkzeuge, die als Open Source der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Bisher gibt es ein großes Interesse an den bereitgestellten Informationen. „Der Atlas wird sehr intensiv genutzt“, bestätigt der Projektkoordinator. Auch seien auf dieser Grundlage bereits erste bilaterale Gespräche im Gange. „Mehrere Länder in der Region arbeiten an der Entwicklung einer Wasserstoffstrategie“, erklärt er. „Auf der Ebene der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS wird beispielsweise demnächst eine regionale Wasserstoffpolitik auf den Weg gebracht.“

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