Präsidentschaftswahl
Die Wahl und die Wissenschaft
Stimmt es, dass im US-Wahlkampf die Fakten immer mehr in den Hintergrund treten? In einer Serie haben wir die Positionen der Kandidaten zu ausgewählten Themen gegenübergestellt. Und die Sicht der Wissenschaft dazu ergänzt. Unser erstes Thema: Impfen.
In den USA ist die Fraktion der Impfgegner deutlich stärker als etwa in Deutschland. Impfen ist zwar nur ein Randthema im Wahlkampf, dennoch haben beide Kandidaten sich geäußert.
Donald Trump spricht in einem Tweet vom 28. März 2014 über eine Verbindung von Impfungen und Autismus. Zitat von Trump: "Healthy young child goes to doctor, gets pumped with massive shot of many vaccines, doesn't feel good and changes - AUTISM. Many such cases!" Während der Debatten der republikanischen Kandidaten bekräftigte er diese Aussage, die auf einer von Andrew Wakefield veröffentlichen Studie beruht, die inzwischen eindeutig wissenschaftlich widerlegt ist.
Hillary Clinton bezieht klar Stellung für das Impfen. Unter anderem in einem Tweet vom 3. Februar 2015. Darin heißt es: "The science is clear: The earth is round, the sky is blue and vaccines work".
Wenn man sich den Erfolg anschaut, den Impfungen im Vergleich zu anderen medizinischen Maßnahmen haben, die wir einsetzen, dann sind sie die Maßnahme, die am meisten Menschenleben überhaupt gerettet haben. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keine guten Argumente gegen Impfung. Es gibt allerdings immer wieder populistische Argumente von Seiten der Impfgegner. Jeder Versuch, eine wissenschaftliche Evidenz für diese Argumente zu finden, ist aber bisher gescheitert.
Keine Studie konnte einen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus belegen. Es handelt sich bei der ersten Studie, auf die Donald Trump sich bezieht, nachweislich um einen Betrug, mit dem Herr Wakefield versuchte, einen von ihm entwickelten Impftsoff ins Geschäft zu bringen. Die Zeitschrift Lancet, in der die Studie publiziert wurde, hat sie im Nachhinein zurückgezogen.
In Deutschland sind Impfungen zwar dringend empfohlen, es besteht aber kein Impf-Zwang. Wir setzen auf das Verständnis mündiger Bürger für die Notwendigkeit, Infektionserkrankungen durch Impfungen zu verhindern. In anderen Ländern vor allem in Skandinavien, aber auch in den USA gibt es viel striktere Regeln. Für Kinder, muss dort ein bestimmter Impfstatus nachgewiesen werden, bevor sie in die Schule oder in den Kindergarten gehen dürfen. Die weniger drastischen Regeln in Deutschland führen aber auch zu einer vergleichsweise niedrigen Impfrate.
Außerdem bemerkt man in vielen Ländern regionale Unterschiede. Vor allem Leute, die in wohlhabenden Gegenden leben, sehen weniger die Notwendigkeit sich impfen zu lassen. Das hat viel damit zu tun, dass Infektionskrankheiten heute nicht mehr so präsent sind. Früher hat man täglich Menschen an diesen Krankheiten sterben sehen, deshalb war klar, warum man impfen muss. Heute sind diese Erkrankungen durch die Impferfolge nicht mehr jedem vor Augen. Sobald Menschen die Krankheit nicht mehr als lebensbedrohlich im täglichen Umfeld erleben, nehmen sie sie auch nicht mehr Ernst. Ein Trugschluss, aber wir sind in unserer Wahrnehmung einfach manchmal etwas kurzsichtig.
Trotzdem glaube ich nicht, dass wir einen Impfzwang brauchen. Ich bin der Überzeugung, dass die Menschen in einer aufgeklärten Gesellschaft im Stande sein sollten, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen und den Fachleuten zu glauben.
Menschen sind aber sehr empfänglich für Stimmung gegen Impfung. Die Prozedur ist ja per se nicht besonders angenehm. Man muss dafür zum Arzt gehen, der Nadelstrich pickt und das Ansprechen unseres Immunsystems auf die Impfung bemerken wir als erkältungsähnliche Symptome, auch wenn sie ungefährlich sind. Wir drücken uns eben gerne vor Dingen, die wir als unangenehm empfinden. Und das obwohl die Risiko-Nutzen-Rechnung ganz klar für die Impfung spricht. Gerade deshalb halte ich es für unverantwortlich, wenn führende Politiker wissenschaftlich klar widerlegte Fakten nutzen, um Meinung zu machen und sich zu profilieren.
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