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Kernphysik

Die Suche nach dem unbekannten Element

Blick in den 120 Meter langen Linearbeschleuniger. Bild: Gaby Otto / GSI

Eine Handvoll Atome, künstlich erzeugt, die für Millisekunden existieren und sofort wieder zerfallen: Wissenschaftler, die neue Elemente aufspüren wollen, müssen für dieses flüchtige Ereignis einen großen Aufwand betreiben. Wie entstehen künstlichen Elemente und warum wird nach ihnen gesucht?

Um neue Elemente zu finden, lassen Forscher bestehende Atome mit hoher Energie aufeinanderprallen. Dabei kann es passieren, dass für kurze Zeit Elemente entstehen, die vorher noch nie zu sehen waren. Darunter können auch schwere Elemente mit einer hohen Anzahl von Protonen im Kern sein, die aufgrund der abstoßenden Wirkung der positiv geladenen Protonen untereinander instabil sind und wieder zerfallen. Ein Team um Dirk Rudolph von der Universität Lund (Schweden) hat am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt Calcium-Ionen (20 Protonen) auf eine Folie mit Americium (95 Protonen) geschossen. Was sie dann nachweisen konnten, sind die Spuren des Zerfalls des Elements mit der Ordnungszahl 115 und seiner Töchter – darunter Element 113 – die für wenige Millisekunden existiert haben müssen.

"Obwohl es bereits Berichte über den Nachweis der beiden Elemente in Beschleunigerexperimenten am russischen Kernforschungszentrum in Dubna gibt, steht die offizielle Anerkennung der Elemente 113 und 115 durch internationalen Gremien noch aus", so Rudolph. "Dies liegt daran, dass die bisherigen Studien keinen direkten Beweis für die Ordnungszahl der beobachteten Elemente erbringen konnten", so Christoph Düllmann, der an der GSI und am Helmholtz-Institut Mainz Arbeitsgruppen leitet, die sich der Erforschung der superschweren Elemente widmen. In ihrem neuen Experiment hat das Team nun eine Art Fingerabdruck des Elements 115 messen können: Photonen, deren Energie den theoretischen Erwartungen beim Zerfall von Element 115 entsprechen.

Die Entdeckung sorgte für ein großes Medienecho. Unter anderem der New Yorker widmete Ununpentium - so der Name des Elements 115 - einen längeren Artikel (Ununpentium, the Newest Element). Dabei hat die Entdeckung eines neuen Elements wie die Entdeckung eines neuen Planeten zunächst keine direkten Auswirkungen auf unser Leben. "Es handelt sich hier um Grundlagenforschung, wobei sich die Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse gerade nicht stellt", sagt Rudolph. Es ist die berühmte und in diesem Fall nicht nur sprichwörtliche Frage nach dem, was die Welt im Innersten zusammen hält. Dennoch gibt es viele Beispiele in der Wissenschaft, die zeigen, dass Grundlagenforschung zu völlig unvorhergesehen technischen Anwendungen führen kann. "Das beste Beispiel ist das World Wide Web", so Rudolph. "Es wurde einst am CERN für den verbesserten Austausch von Daten und Forschungsergebnissen entwickelt und ist heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken."

Die experimentelle Kernphysik dient natürlich auch dazu, die Annahmen der theoretischen Kernphysik auf die Probe zu stellen. Und die Ergebnisse der Experimente fließen wiederum in die Theorie ein. Theoretisch denkbar ist eine sogenannte "Insel der Stabilität". Je mehr positiv geladene Protonen in einem Atomkern auf engstem Raum zusammenkommen, desto instabiler wird er normalerweise. Dennoch ist es möglich, dass gewisse besonders schwere Atomkerne wieder einen stabileren Zustand erreichen: eine Konstellation im Atomkern also, die das Element nicht sofort wieder zerfallen lässt. Diese Elemente könnten dann vielleicht für Minuten oder sogar noch deutlich länger existieren. Das wäre eine Zeitspanne, die eine praktische Anwendung nicht mehr völlig abwegig erscheinen lässt.

Pressemitteilung des GSI

 FAQs zum Element 115 (Lund University)

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