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Biogas

Die Energiewende en miniature

In Biogasanlagen werden Abfälle aus der Landwirtschaft wie Gülle, Klärschlamm oder Mist verarbeitet. (Bild: shutterstock)

Auf dem Weg zur Klimaneutralität hat das Helmholtz-Zentrum Berlin einen weiteren Meilenstein erreicht: Nach der Stromversorgung läuft nun auch ein Großteil der Wärmeversorgung CO2-neutral. Wie wurde das geschafft? Ein Interview über die Herausforderungen und Perspektiven des Projekts.

3.500 Tonnen CO2 – so viel schädliches Klimagas spart das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) jährlich ein, weil es seine Wärmeversorgung umgestellt hat: Seit Januar setzt es am Standort Wannsee Biomethan ein, dazu werden weitere Umbaumaßnahmen an dem Heizkraftwerk umgesetzt. Das neue Energiekonzept hat das HZB gemeinsam mit dem Versorger Vattenfall entwickelt. Wir sprechen mit den Ideengeber:innen dieses Umbaus: Carina Hanke und Bernd Rech vom HZB sowie Carolin Süß und Christian Feuerherd der Vattenfall Wärme Berlin AG.

Ein Blick in das Innere der Erzeugunsanlage am Helmholtz-Zentrum Berlin. (Bild:HZB)

Frau Hanke, Sie sind Energie- und Klimamanagerin am HZB und haben dort den Wechsel in der Wärmeversorgung vorangetrieben. Warum war dieser Schritt notwendig?

Carina Hanke: In erster Linie weil das HZB sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt hat: Wir wollen ab 2035 treibhausgasneutral arbeiten. Am Standort Wannsee nutzten wir bislang noch fossile Energieträger fürs Heizen, vor allem Erdgas. Das auf unserem Gelände stehende Heizkraftwerk gehört Vattenfall, deshalb haben wir gemeinsam nach neuen Lösungen gesucht und uns für Biomethan entschieden – damit läuft die Anlage jetzt seit Anfang Januar. Unsere Energie beziehen wir heute also nahezu komplett CO2-neutral, denn bei der Elektrizität haben wir bereits 2020 auf Ökostrom umgestellt. Geplant sind trotzdem noch zwei weitere Schritte: Zum einen wird Vattenfall in Wannsee ein Blockheizkraftwerk in Betrieb nehmen, das neben Wärme zusätzlich auch Strom produziert. Zum anderen werden auf dem Dach des Gebäudes Solarzellen installiert, die vor allem für die Pumpen der Heizkessel Strom liefern werden. Der Überschuss wird in das öffentliche Netz eingespeist. Insgesamt ist diese Umstellung deshalb ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur Klimaneutralität.

Carolin Süß, Leiterin Business Solutions Germany/Vattenfall. (Bild:E-world 2020)

Frau Süß, Sie haben schon zahlreiche Energieprojekte bei Vattenfall betreut, sind dort Leiterin Business Solutions  Germany. War die Umstellung am HZB dennoch eine Herausforderung für Sie?

Carolin Süß: Technologisch haben wir mit dem Projekt kein Neuland betreten, schließlich nutzen wir dort bewährte Anwendungen wie Photovoltaik und Kraft-Wärme-Kopplung, also die parallele Gewinnung von Strom und Wärme im Blockheizkraftwerk. Herausfordernd ist aber die Menge an Biomethan, die das HZB jetzt von uns benötigt: ausreichend für etwa siebzehn Gigawattstunden Wärme pro Jahr. Hier sind besondere Strategien notwendig, um diese Menge einzukaufen und abzusichern.

Was ist das Problem?

Carolin Süß: Biogas wird meist in eher kleinen Anlagen gewonnen, klassischerweise stehen sie in landwirtschaftlichen Betrieben. In ihnen werden der Mist aus Hühner- und Schweineställen, aber auch pflanzliche Reste vergoren, wobei Biogas entsteht. Wird dieses Gas aufbereitet, kann es genauso genutzt werden wie Erdgas. Doch solche Mengen, wie wir sie jetzt für das HZB benötigen, produziert keine dieser Anlagen allein. Deshalb mussten wir das Volumen europaweit ausschreiben und über unsere Zulieferer bündeln.

Christian Feuerherd, Geschäftsführer von Vattenfall Energy Solutions. (Bild: privat)

Viel Arbeit also auch für Sie als Geschäftsführer von Vattenfall Energy Solutions, Herr Feuerherd. Ist das Projekt deshalb für Sie etwas Besonderes?

Christian Feuerherd: Ja, denn es zeigt Lösungen auf, wie wir sie künftig viel häufiger entwickeln wollen. Schließlich steht der Energiemarkt vor gewaltigen Veränderungen: Biogase, aber auch Wasserstoff, werden künftig eine viel größere Rolle spielen. Insofern ist das HZB unter unseren Kunden da schon ein Pionier. Wenn Sie so wollen, haben wir gemeinsam eine Energiewende en miniature umgesetzt: Wir haben am Forschungszentrum eine ganze Vielzahl von Technologien und Energieträgern eingesetzt – Solarzellen, Biogas, Blockheizkraftwerk. Dazu außerdem auch Deponiegas, das wir von einer nahegelegenen Mülldeponie erhalten. Solche kleinteiligen, dezentralen Lösungen zur Energieversorgung brauchen wir, wenn wir die Klimawende schaffen wollen. Und in Wannsee produzieren wir mit diesem Mix heute sogar schon Überschüsse, die an die benachbarten Haushalte im Süden Berlins gehen. Insofern kann unsere Anlage am HZB als Leuchtturm wirken: Im Idealfall animiert es andere Organisationen und Unternehmen, ebenfalls im Sinne der Energiewende aktiv zu werden.

Bernd Rech, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). (Bild: HZB/Phil Dera)

Herr Rech, Sie sind nicht nur Geschäftsführer des HZB, sondern auch international anerkannter Experte für Energiefragen. Der Umbau der Wärmeversorgung war Ihnen deshalb wahrscheinlich auch persönlich ein ganz besonderes Anliegen?

Bernd Rech: Das stimmt, denn wir sparen damit beachtliche 3.500 Tonnen CO2 pro Jahr ein – so viel verbraucht ein kleines Dorf jährlich. Und natürlich passt die Umstellung ideal zu unserer Forschungsstrategie, schließlich entwickeln wir zahlreiche Ideen zur Produktion und Nutzung von grünen Gasen, insbesondere auch von Wasserstoff und arbeiten dazu an neuen Katalysatoren. Und das lässt sich noch weitertreiben: Wenn im Herbst die Photovoltaikanlage den Betrieb aufnimmt, könnten wir dort neue Solarzellen testen, die wir entwickelt haben und die deutlich effizienter arbeiten. Unser Campus wandelt sich durch die Umstellung also zu einem interessanten Versuchsfeld für alternative Energiequellen.

Welches Potenzial bergen Biogase wie Biomethan generell für die Klimawende?

Bernd Rech: Sie leisten eindeutig einen wertvollen Beitrag und ergänzen den Energiemix sehr sinnvoll. Allerdings nur, wenn sie hauptsächlich aus Abfallprodukten gewonnen werden, also aus Mist, Klärschlamm und so weiter. Weniger günstig ist die Klimabilanz, wenn für Biogas eigens Nutzpflanzen angebaut werden, etwa Mais. Denn der Anbau verbraucht sehr viel Energie und Ressourcen, er schadet zum Teil auch den Böden. Für Biogas aus Reststoffen aber ist die Bilanz eindeutig positiv.

Der prozentuale Anteil von Biogas an der Wärmeversorgung ist aber in Deutschland immer noch nur einstellig. Woran liegt das?

Christian Feuerherd: Das ist auch eine soziale Frage, Biogas ist vergleichsweise teuer. Das müssen wir als Versorger bedenken, denn derzeit erleben wir ja schon, wie hart steigende Heizkosten viele Menschen treffen. Der Preisunterschied wird sich aber in Zukunft etwas abschwächen, weil auf die konventionellen Heizgase künftig die CO2-Abgabe gezahlt werden muss.

Carina Hanke: Langfristig ist es deshalb in unseren Augen nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein finanzieller Vorteil, dass wir am HZB auf Biomethan umgestiegen sind: Weil das Gas klimaneutral ist, müssen wir darauf keine CO2-Abgabe zahlen. Und die Kosten für die Basisversorgung sind durch die Umstellung nur unwesentlich gestiegen. Insofern kommen sich hier Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit entgegen.

Bernd Rech: Als Geschäftsführer, der die Kosten am HZB genau im Blick haben sollte, muss ich sogar sagen: Alles, was nicht nachhaltig ist, wird in Zukunft nicht wirtschaftlich sein.

Frau Süß, wenn sie heute zurückblicken auf das Projekt mit dem HZB: Ist es besonders einfach mit Kunden zusammenzuarbeiten, die selbst Experten in Energiefragen sind? Oder eher besonders kompliziert?

Carolin Süß: Für uns war das sehr anregend! Natürlich ist ein Partner wie das HZB, mit viel Know-how in den eigenen Reihen, herausfordernd: Da wurden Ideen in Frage gestellt, Konzepte neu entwickelt – aber eben gemeinsam und mit großer Offenheit. Besonders wertvoll war der Gedankenaustausch für uns darüber hinaus, weil wir auch selbst forschen und entwickeln. Vattenfall versucht derzeit zum Beispiel, Biomethan aus Pappelresten zu gewinnen. Insofern denke ich, dass wir unsere Gespräche ganz sicher über das aktuelle Projekt hinweg fortsetzen werden. Und ich freue mich schon jetzt drauf.

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