Serie: 25 Jahre Mauerfall
„Das Gefühl der Freiheit war unbeschreiblich“
Sebastian M. Schmidt erlebte in seinem Sommerurlaub 1989 in Ungarn, wie die ersten DDR-Bürger über die grüne Grenze in den Westen flohen. Die Hoffnung, dass sich dadurch in der DDR etwas ändern würde, starb schnell. Als sich im Herbst die Grenzen öffneten, konnte er es erst nicht fassen
Von Sebastian M. Schmidt
„Der Mauerfall ist – neben der Gründung meiner Familie – das wichtigste Ereignis in meinem Leben.“
Ich bin 1967 in Greifswald, in der DDR, geboren und aufgewachsen in dem Bewusstsein, immer zwei Meinungen haben zu müssen. Meine Familie hatte nicht direkt Schwierigkeiten, aber wir gehörten zu einer Opposition, die Zuhause andere Ansichten hatte, als die, die man nach außen vertreten durfte. Es wurde bald klar, dass dies viele Möglichkeiten für den persönlichen Lebensweg ausschloss.
1989 war ich im zweiten Studienjahr Student der Physik in Rostock. Im Sommerurlaub in Ungarn erlebte ich, wie die ersten DDR-Bürger abhauten und sich die Grenze dort öffnete. Die Hoffnung, es könnte sich nun auch in der DDR etwas ändern, starb schnell. Die DDR schloss als Reaktion darauf die Grenze zur Tschechoslowakei. Dann begannen die Friedensgebete in Leipzig und Berlin. Als die Bewegung größer wurde, hatte ich den Mut, mitzumachen. Wir Studenten verteilten Flugblätter, gingen zum Friedensgottesdienst, der in Rostock auch vom heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck gehalten wurde, und nahmen an den Demos teil.
Am 9. November 1989 löste ich Übungsaufgaben, als ich im Radio hörte, dass die Grenze offen wäre. Ich konnte es, wie alle anderen, nicht fassen. Am nächsten Tag setzte ich mich in den Zug und fuhr nach Hamburg zu Verwandten. Das Gefühl der Freiheit war unbeschreiblich.
Mein Professor schickte mich im Frühjahr 1990 zu einer Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft nach Regensburg, wo ich als junger Student interessanterweise auf die Jülicher Wissenschaftler Professor Treusch und Professor Urban traf. 1991 konnte ich ein Praktikum bei DESY in Hamburg machen und wollte dort auch meine Diplomarbeit schreiben. Dass ich das nicht getan habe, lag an einem anderen Auslandsaufenthalt, der ohne die Wende ebenfalls nicht möglich gewesen wäre: das siebte Semester verbrachte ich am Kernforschungszentrum in Dubna/Russland. Als latent kritischer, der Kirche angehörender DDR-Bürger, der weder Parteimitglied war noch drei Jahre Wehrdienst vorweisen konnte, wäre ich zu DDR-Zeiten für einen Forschungsaufenthalt im Ostblock kaum in Frage gekommen.
Durch die Wende hatte ich alle Möglichkeiten im Osten und im Westen. Und ich habe sie ergriffen. Dieses Gefühl der Freiheit ist - auch nach 25 Jahren - immer noch schön. Die Erfahrung, erlebt zu haben, dass Menschen ohne Gewalt etwas ändern können, was nicht veränderbar scheint, werde ich nie vergessen.“
„Der Mauerfall ist – neben der Gründung meiner Familie – das wichtigste Ereignis in meinem Leben.“
Ich bin 1967 in Greifswald, in der DDR, geboren und aufgewachsen in dem Bewusstsein, immer zwei Meinungen haben zu müssen. Meine Familie hatte nicht direkt Schwierigkeiten, aber wir gehörten zu einer Opposition, die Zuhause andere Ansichten hatte, als die, die man nach außen vertreten durfte. Es wurde bald klar, dass dies viele Möglichkeiten für den persönlichen Lebensweg ausschloss.
1989 war ich im zweiten Studienjahr Student der Physik in Rostock. Im Sommerurlaub in Ungarn erlebte ich, wie die ersten DDR-Bürger abhauten und sich die Grenze dort öffnete. Die Hoffnung, es könnte sich nun auch in der DDR etwas ändern, starb schnell. Die DDR schloss als Reaktion darauf die Grenze zur Tschechoslowakei. Dann begannen die Friedensgebete in Leipzig und Berlin. Als die Bewegung größer wurde, hatte ich den Mut, mitzumachen. Wir Studenten verteilten Flugblätter, gingen zum Friedensgottesdienst, der in Rostock auch vom heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck gehalten wurde, und nahmen an den Demos teil.
Am 9. November 1989 löste ich Übungsaufgaben, als ich im Radio hörte, dass die Grenze offen wäre. Ich konnte es, wie alle anderen, nicht fassen. Am nächsten Tag setzte ich mich in den Zug und fuhr nach Hamburg zu Verwandten. Das Gefühl der Freiheit war unbeschreiblich.
Mein Professor schickte mich im Frühjahr 1990 zu einer Tagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft nach Regensburg, wo ich als junger Student interessanterweise auf die Jülicher Wissenschaftler Professor Treusch und Professor Urban traf. 1991 konnte ich ein Praktikum bei DESY in Hamburg machen und wollte dort auch meine Diplomarbeit schreiben. Dass ich das nicht getan habe, lag an einem anderen Auslandsaufenthalt, der ohne die Wende ebenfalls nicht möglich gewesen wäre: das siebte Semester verbrachte ich am Kernforschungszentrum in Dubna/Russland. Als latent kritischer, der Kirche angehörender DDR-Bürger, der weder Parteimitglied war noch drei Jahre Wehrdienst vorweisen konnte, wäre ich zu DDR-Zeiten für einen Forschungsaufenthalt im Ostblock kaum in Frage gekommen.
Durch die Wende hatte ich alle Möglichkeiten im Osten und im Westen. Und ich habe sie ergriffen. Dieses Gefühl der Freiheit ist - auch nach 25 Jahren - immer noch schön. Die Erfahrung, erlebt zu haben, dass Menschen ohne Gewalt etwas ändern können, was nicht veränderbar scheint, werde ich nie vergessen.“
Prof. Sebastian M. Schmidt ist studierter Physiker und Mitglied des Vorstands für den Wissenschaftlichen Geschäftsbereich im Forschungszentrum Jülich.
Seine Erzählung ist Teil unserer Serie zum Mauerfall, in der Helmholtz-Forscher von ihren persönlichen Geschichten berichten. Eine Übersicht aller bisher erschienen Berichte gibt es hier: www.helmholtz.de/mauerfall
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