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Blick ins All

Das Auge der Menschheit ist eiskalt

Künstlerische Darstellung des James-Webb-Teleskopes. Bild: NASA GSFC/CIL/Adriana Manrique Gutierrez, CC BY 2.0

Das James-Webb-Weltraumteleskop liefert erste Bilder von seinem Standort, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Es soll völlig neue Einblicke in die Tiefen des Weltalls liefern. Damit das funktioniert, muss es auf Temperaturen nahe des absoluten Nullpunktes gekühlt werden.

Am ersten Weihnachtstag des Jahres 2021 hob das James-Webb-Weltraumteleskop mit einer europäischen Ariane-5-Rakete aus Französisch-Guyana ab. Abertausende verfolgten die Liveübertragung des Raketenstarts voller Anspannung – kein Wunder. Die jahrzehntelange Arbeit tausender Forscher:innen und Ingenieur:innen sowie Investitionen in Höhe von rund zehn Milliarden US-Dollar hingen von einem gelungenen Start ab.

Das erste große Aufatmen gab es, als sich das James-Webb-Weltraumteleskop nach 27 Minuten erfolgreich von der Oberstufe der Rakete löste. Erst in den folgenden Tagen wurde bekannt, dass die Ariane 5 das Teleskop mit unerwarteter Präzision auf seine Flugbahn gebracht hatte, sodass es deutlich weniger Treibstoff als geplant für Kurskorrekturen einsetzen musste. Ein Glücksfall, denn der unverhoffte Treibstoffvorrat ermöglicht dem James-Webb-Weltraumteleskop nun deutlich mehr als 10 Jahre Forschung im All.

Besondere Technik für besondere Instrumente

Das nach einem ehemaligen Leiter der NASA benannte Hightech-Gerät ist der Nachfolger des Hubble-Teleskops, welches seit den 90er-Jahren rund 120 Gigabyte Daten zur Erde sendete und die Grundlage für rund 18.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen lieferte. Das „Webb“ ist das leistungsstärkste Teleskop, das jemals gebaut wurde. Sein außergewöhnlicher Aufbau hat ein Ziel: möglichst viel Infrarotstrahlung aus den Tiefen des Universums einzusammeln. Die Astronom:innen wollen vor allem die Infrarotstrahlung auffangen, die von den ersten Himmelskörpern stammt und damit einen Blick in die astronomische Vergangenheit ermöglicht. Ein großer Hauptspiegel von sechseinhalb Metern Durchmesser, bestehend aus 18 sechseckigen Segmenten, sammelt die Strahlung ein. Ein gewaltiges Sonnensegel von der Größe eines Tennisplatzes, bestehend aus mehreren Lagen hauchdünner Metallfolie, schützt das Teleskop vor der Wärme der Sonne.

Eines der ersten MIRI-Testbilder zeigt einen Teil der Großen Magellanschen Wolke. Eine kleine Satellitengalaxie der Milchstraße. Daneben sieht man zum Vergleich eine Aufnahme der gleichen Stelle am Himmel von einem Vorgänger-Infrarotweltraumteleskop namens Spitzer Bild: NASA. CC BY 2.0

Auf den ersten Blick scheint das Weltall vor allem kalt. Doch ein Instrument wie das James-Webb-Weltraumteleskop muss sich ausgerechnet vor Wärme schützen. Denn die Infrarotstrahlung, die es einfangen soll, ist auch als „Wärmestrahlung“ bekannt. Alle Objekte im Universum geben, abhängig von ihrer Temperatur, eine gewisse Menge dieser Strahlung selbst ab. Der Versuch, schwache Infrarotstrahlung aus dem All mit einem zu warmen Teleskop einzufangen entspräche dem hoffnungslosen Unterfangen, in einem hell erleuchteten Fußballstadion den Sternenhimmel zu beobachten.

Am stärksten gekühlt wird das Mid Infrared Instrument (MIRI). Während die übrigen Instrumente dank Sonnensegel und passiver Wärmeabführung bei rund –235 °C gehalten werden, benötigt MIRI unvorstellbar kalte –266 °C. Das sind nur etwa sieben Grad über dem absoluten Nullpunkt, der tiefst möglichen Temperatur im Universum. Erreicht wird dies mit einer Kühlvorrichtung nach dem Prinzip eines Kühlschranks, die jedoch auf flüssiges Helium als Kühlmittel setzt.

„Der Grund dafür ist, dass MIRI bei längeren Wellenlängen als die übrigen Instrumente beobachtet. Je länger die Wellenlänge, desto mehr Kühlung ist erforderlich, um die kalten astronomischen Objekte noch ‚sehen‘ zu können“, erklärt Heinz-Theo Hammes von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Deutsche Beteiligung an Kryotechnik

Das Teleskop ist ein internationales Großprojekt unter der Leitung der NASA. Auch das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg sowie das I. Physikalische Institut der Universität zu Köln sind beteiligt. „Das MPIA hat für MIRI die Kryo-Mechanismen entwickelt und zusammen mit Hensoldt Optronics gebaut und getestet. Mit diesen Kryo-Mechanismen werden die Filter- und Gitterräder von MIRI bewegt“, berichtet Hammes. „Die Universität zu Köln war an der Filter-Entwicklung beteiligt. Sie hat zwei Filter sowie deren Halterungen ausgelegt und gebaut.“

„Beide Institute waren auch stark in die Test-Aktivitäten des MIRI-Instruments eingebunden; sowohl auf System-Ebene, als auch während der Integration des Instruments und später des Satelliten“, so Heinz-Theo Hammes. Eine besondere Herausforderung waren die grundverschiedenen Bedingungen, unter denen das Instrument funktionieren musste, die Hammes aufzählt: „Bei Laborbedingungen von rund 22 °C bei weniger als 40 % Luftfeuchte, während der umfangreichen Vorab-Tests des Teleskops bei 20 °C und 20 bis 50 % Luftfeuchte, während der Tests am tropischen Startplatz mit 25 bis 35 °C und besonders hohen 40 bis 85% Luftfeuchte – sowie schließlich im All bei weniger als –266 °C im Vakuum.“

Die Arbeit hat sich ausgezahlt: Anfang Mai veröffentlichte die NASA eine erste Aufnahme des MIRI-Instruments. Es zeigt eine gestochen scharfe Ansicht eines Teils der Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie unserer Milchstraße, inklusive großer Wolken interstellaren Gases, das den Raum zwischen den Sternen ausfüllt. Nicht nur in Köln und Heidelberg, sondern in aller Welt freuen sich AstrophysikerInnen auf das, was MIRI und das James-Webb-Weltraumteleskop ihnen in Zukunft offenbaren.

Zum Weiterlesen: 

James Webb Weltraumteleskop - Der Blick ins junge Universum (DLR)

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