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Erd-Umlaufbahn

Bremsen, um Gas zu geben

Annäherung eines Raumtransporters an die Raumstation ISS. Bild: ESA

Im Weltall herrschen andere Bedingungen als auf der Erde. Das führt zu scheinbar paradoxen Phänomenen. In dem Film "Gravity" bremsen die Astronauten ab, um schneller zu werden. Experten nennen es das Orbit-Paradoxon

Falls Buzz Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond, gerne ins Kino geht, hätte er an Gravity mit Sicherheit seine Freude. Nicht nur die Bilder und 3 D-Effekte des Hollywood-Streifens, der Sandra Bullock und George Clooney als verlorene Astronauten im Weltall zeigt, sind beeindruckend. Insbesondere die Szenen, in denen die Astronauten Andockmanöver planen, um sich zu retten, dürften Aldrin interessieren. Er hat im Januar 1963 seine Doktorarbeit zu genau solchen Rendez-Vous im All verfasst.

Um an einer Raumstation anzudocken, müssen die Astronauten zunächst die Umlaufbahn der Raumstation erreichen. Ein Pilot, der auf einer niedrigeren Umlaufbahn um die Erde kreist, sich der Station nähern und dabei langsamer werden möchte, muss "Gas geben". Ein Phänomen, dass man auch als "Orbit-Paradoxon" bezeichnet: Astronauten, Satelliten und alle anderen Himmelskörper werden langsamer, trotz einer beschleunigten Bewegung entlang der Flugrichtung, die eigentlich zu einer höheren Geschwindigkeit führen müsste. Umgekehrt führt ein Abbremsen dazu, dass sich ein Raumfahrzeug auf einer niedrigeren Umlaufbahn mit höherer Geschwindigkeit wiederfindet.

Das scheinbar Widersprüchliche lässt sich mit den Gesetzen der klassischen Physik leicht erklären: Will man einen Himmelskörper, beispielsweise einen Satelliten, auf eine stabile Umlaufbahn - einen Orbit - um die Erde oder ein anderes Gestirn zwingen, so muss ein Kräftegleichgewicht herrschen. Denn einerseits zieht die Erde mit ihrer Schwerkraft den Satelliten an sich. Andererseits treibt der Satellit durch die Zentrifugalkraft, die aus seiner Bahngeschwindigkeit entsteht, nach außen von der Erde weg. Nur wenn diese beiden Kräfte sich genau die Waage halten, fliegt der Satellit immer wieder um die Erde.

Die Gesamtenergie, die ein Satellit auf einem Orbit hat, besitzt zwei Anteile: Der erste - die kinetische Energie - steigt mit der Geschwindigkeit, mit der der Satellit die Erde umkreist. Der zweite - die potentielle Energie - erfasst, wie viel Energie nötig ist, um den Satelliten auf Abstand zu halten und wächst mit dem Abstand zur Erde.

"Soll der Satellit nun in eine höhere Umlaufbahn gelangen, muss Energie aufgewendet werden, denn die Gesamtenergie auf einem ferneren Kreisorbit ist größer als auf einem näheren", erklärt Michael Kirschner, Raumfahrt-Ingenieur vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen bei München.

Beschleunigt der Satellit beispielsweise langsam entlang seiner Kreisbahn, sollte man meinen, dass seine Geschwindigkeit und damit seine kinetische Energie wächst. Ein Großteil der Energie des Treibstoffs aber, der für die Beschleunigung verwendet wird, sorgt für ein Anwachsen der Gesamtenergie des Satelliten. Dieser Zuwachs wandelt sich sofort in potentielle Energie um, denn die Beschleunigung trägt den Satelliten immer weiter nach außen. Mehr noch: Die kinetische Energie eines Satelliten auf einer höheren kreisförmigen Umlaufbahn ist geringer als auf einer niedrigeren, denn er muss sich dort gegen eine kleinere Schwerkraft wehren. Diese sinkt mit dem Abstand zur Erde.

Folglich wird ein Satellit, der aus einem Kreisorbit heraus in Flugrichtung beschleunigt, weiter von der Erde weggetrieben und gleichzeitig langsamer - trotz Beschleunigung. Buzz Aldrins Doktorarbeit zu diesem Thema dient Raumfahrt-Ingenieuren bis heute dazu trotz des Orbit-Paradoxons Rendez-Vous im Weltall zu ermöglichen.

Links:

How realistic is "Gravity"?, Jean-Luc Margot, Dept. of Earth, Planetary, and Space Sciences, Dept. of Physics and Astronomy, University of California, Los Angeles

Line-of-sight guidance techniques for manned orbital rendezvous, Doktorarbeit von Buzz Aldrin

Buzz Aldrin: Orbital Rendezvous, The science of two crafts docking in space

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