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Blickwinkel

Auf Autopilot?

Bild: Jindrich Novotny

Wie von Geisterhand gesteuert scheinen sie sich ihren Weg durch den Verkehr zu bahnen. Einmaligen Komfort auf Autofahrten sollen sie bieten und die Straßen deutlich sicherer machen. Doch sind autonome Fahrzeuge tatsächlich die Zukunft unserer Mobilität? Zwei Blickwinkel

„Bevor Autos autonom auf unseren Straßen fahren, haben wir juristische und ethische Fragen zu klären“, sagt Eric Hilgendorf, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg

Angenommen, Sie fahren in einem technisch hochgerüsteten, mit einem Kollisions-Vermeide- Assistenten versehenen Fahrzeug auf einer Landstraße, und plötzlich springen vor Ihnen drei Kinder aus dem Gebüsch auf die Straße. Ein Mensch könnte in einer solchen Situation nicht mehr willensgesteuert reagieren, doch der mit leistungsfähigen Sensoren und hoher Rechenkapazität ausgestattete Bordassistent steuert den Wagen blitzschnell nach rechts. Dadurch geht dort zwar ein Straßenpfosten zu Bruch, doch die Kinder bleiben unverletzt.

Eine solche Reaktion des Fahrzeugs würde in unserem Kulturkreis sowohl ethisch wie rechtlich positiv eingestuft. Denn wir bewerten damit das Leben von Menschen höher als die Erhaltung einer Sache, hier also des Straßenpfostens. Moral und Recht folgen in der Auseinandersetzung mit Notstandsituationen dem Prinzip des kleineren Übels. Doch im Straßenverkehr sind leider nicht alle Situationen so einfach zu entscheiden – und wenn es darum geht, für autonome Fahrzeuge Handlungsweisen zu programmieren, stellt uns das vor unzählige Problemfälle.

Eric Hilgendorf ist Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik an der Universität Würzburg.

Was soll zum Beispiel gelten, wenn mehrere Leben gegen ein Leben stehen, wenn also etwa das Leben der drei Kinder nur dadurch gerettet werden kann, dass der Wagen nach rechts ausschert und dort einen Fußgänger überfährt? Die deutsche Rechtsprechung steht bisher auf dem Standpunkt, dass das Prinzip des kleineren Übels hier nicht gelten soll. Die Tötung eines Unschuldigen kann also nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie das einzige Mittel ist, um eine größere Zahl anderer Unschuldiger zu retten. Diese Haltung wird häufig auf die Formel gebracht, Menschenleben seien nicht quantifizierbar.

Doch ist Unrecht gleich Unrecht? Kann es uns wirklich gleichgültig sein, ob eine oder drei Personen getötet werden? Müssen wir eine Abstufung im Unrecht treffen, wenn wir die Algorithmen für Notstandsituationen programmieren? Wir werden wohl nicht umhinkommen, dies zu tun. Es bleibt Unrecht, einen Unschuldigen zu töten. Aber ist es nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich vorzugswürdig, so wenige Unschuldige zu töten wie möglich? Zwingt uns der technische Fortschritt, Menschenleben doch zu quantifizieren?

Bevor Autos autonom auf unseren Straßen fahren, haben wir einige wichtige juristische und ethische Grundlagenfragen zu klären.


„Autonomes Fahren wird die Straßen sicherer machen“, sagt Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Schneller als wir denken, sitzen wir mit einer Tasse Kaffee und unserem Tablet hinter dem Steuer und lassen uns von unserem Auto zur Arbeit oder in den Urlaub fahren. Utopie ist das autonome Fahren schon lange nicht mehr! Bei dieser neuen Form der Mobilität geht es auch nicht nur um Bequemlichkeit: Knapp 90 Prozent aller Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Autonom fahrende Autos könnten dieses Problem beheben. Wenn mein Fahrzeug weiß, dass eine gefährliche Situation naht, dann drosselt es automatisch seine Geschwindigkeit. Der Risikofaktor Mensch könnte durch selbstfahrende Autos minimiert werden: Bis zu 100 im Fahrzeug verbaute Sensoren sehen besser als zwei menschliche Augen.

Mit einem autonomen Fahrzeug sind wir in Zukunft sicherer und gleichzeitig energieeffizienter unterwegs. Unnötiges Abbremsen und Gasgeben könnten durch die sogenannte Car- 2-X-Kommunikation verhindert werden: Ampeln, Pylonen, Kreuzungen können untereinander und mit den Autos kommunizieren. Geschieht zum Beispiel im Umfeld einer Kreuzung ein Unfall oder blockiert eine Baustelle einen Fahrstreifen, kann eine intelligente Pylone diese Information an die Ampel schicken, die wiederum den Hinweis an das Fahrzeug sendet. Das Auto wählt dann eine andere Strecke. Eine kluge Vernetzung kann also den Verkehrsfluss insgesamt deutlich verbessern.

Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Bis die Technik marktreif sein wird, die uns in unserem autonomen Auto nur noch Passagier sein lässt, werden vielleicht noch zwischen zehn und 25 Jahre vergehen. Doch die Forschung und Entwicklung beschäftigt sich schon jetzt intensiv damit, die bereits verbauten Sensoren für das autonome Fahren weiterzuentwickeln und zu präzisieren. Die Car-2-X-Technologie wird enorme Datenmengen produzieren, die es zu beherrschen gilt. Natürlich entstehen mit dem steigenden Autonomiegrad der Fahrzeuge auch neue rechtliche und moralische Fragen. Hier sind Politik und Hersteller gefragt. Kein automatisiertes Fahrzeug soll schließlich einen Unfall verschulden. Doch: Autonomes Fahren ist ein Trendthema, das allein in Deutschland auch in Zukunft unzählige Arbeitsplätze sichern wird.

Wenn alle Fragen geklärt sind und die Technologie so weit ist, überwiegen die Vorteile der neuen Mobilität ganz klar: Mehr Komfort für den Einzelnen, steigende Energieeffizienz und hohe Verkehrssicherheit für die Allgemeinheit.

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