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Portrait

An der Grenze von Chemie und Physik

Bild: Forschungszentrum Jülich

James Eills forscht zur Hyperpolarsiation – einer Technik, die verborgene Strukturen sichtbar macht. Jetzt wird der Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich mit dem Heinz Maier Leibnitz-Preis ausgezeichnet.

Drei Versuche hat er gebraucht, bis er den richtigen Weg raushatte. Morgens in seiner Kölner Wohnung hatte James Eills sein Rennrad genommen, in volle Sportmontur gekleidet, und wollte den besten Weg nach Jülich finden. 46 Kilometer sind das je Richtung, soviel weiß er inzwischen, aber am Anfang musste er die schönste Strecke finden: liebliche Ausblicke links und rechts, das war ein Kriterium, aber vor allem wenige Autos und kaum Kreuzungen. „Einmal pro Woche fahre ich mit dem Rad ins Büro“, sagt James Eills, der im vierten Anlauf endlich die perfekte Route von Tür zu Tür gefunden hatte: „I can use the Landstraße!“

Seine Leidenschaft für den Sport, besonders den Triathlon, begleitet den Chemiker durch die Welt: In Southampton, in Berkeley, in Mainz, Barcelona, Ulm und jetzt eben in Jülich hat er schon geforscht – eine Menge Stationen für die kurze akademische Karriere des gerade einmal 32-Jährigen, der am Forschungszentrum Jülich eine Arbeitsgruppe zu Methoden der Hyperpolarisation leitet. In diesem Jahr bekommt James Eills für seine Arbeit eine der prestigeträchtigsten Auszeichnungen für junge Wissenschaftler, den Heinz Maier Leibnitz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Dass er sein Fachgebiet erklären muss, daran hat sich James Eills längst gewöhnt. Bei der Hyperpolarisierung wird, kurz gesagt, die magnetische Resonanz von Molekülen verändert. Auf diesen magnetischen Eigenschaften beruhen wichtige Bildgebung- und Analyseverfahren, wie die aus der Medizin bekannte Magnetresonanztomographie (MRT). Sie ist der Schlüssel für alle diese Fragen, denn kernmagnetische Messverfahren wie MRT und NMR-Spektroskopie können dadurch viel genauer in die Materie schauen. „Dank der Hyperpolarisation können wir tiefere Einblicke in die Struktur von Materialien, die chemische Zusammensetzung von Stoffgemischen und Prozesse im menschlichen Körper gewinnen“, sagt er dann gern. Drei völlig unterschiedliche Anwendungsgebiete für die Hightech-Methode, mit der er sich beschäftigt.

Am liebsten verwendet er die Medizin als Beispiel. Bei Krebspatienten etwa lässt sich bislang nur mit großer Verzögerung ermitteln, ob eine Chemotherapie angeschlagen hat – es dauert danach lang, bis sich die Krebszellen so verändern, dass beispielsweise in der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) Änderungen erkennbar sind. An der Stelle setzt die Hyperpolarisation ein: Bekommt ein Patient eine Substanz wie Brenztraubensäube injiziert, die vorher hyperpolarsiert wurde, dann wird diese Substanz von den Tumorzellen aufgenommen, dabei bildet sich Laktat. „Und dank der Hyperpolarisation lässt sich dieser Prozess im MRT sichtbar machen“, sagt James Eills: „Wenn man auf den Aufnahmen viel Laktose sieht, kann man daraus schließen, dass sich in der betreffenen Region Tumorzellen befinden.“ Die Hyperpolarisation dient in solchen Fällen dazu, Zellen und Reaktionen im Körper sichtbar zu machen, die ansonsten unentdeckt bleiben würden.

Was James Eills dabei fasziniert, ist der Prozess der Hyperpolarisation. Seit Ende der 1950er Jahre gibt es in der Forschung immer wieder Experimente dazu, aber erst in den vergangenen 20 Jahren nahm das Thema so richtig an Fahrt auf – und seit zehn Jahren ist Eills dabei. Er stieß schon früh auf jene Fragen, die ihn bis heute begleiten: während der Bachelor-Arbeit an der Universität in Southampton, nicht weit weg von seinem Geburtsort. „Ich bin zu meinem Professor Malcolm Levet gegangen. Der ist ein großartiger Forscher im Bereich der physikalischen Chemie, und dieses Feld hat mich interessiert. Also fragte ich ihn, ob er ein Bachelor-Projekt für mich hätte.“ Der Professor überlegte einen kurzen Moment, dann nahm er den wissenshungrigen Studenten mit in sein Labor und gab einen kurzen Überblick über die Hyperpolarisation. James Eills muss heute lachen, wenn er daran zurückdenkt: „Ich habe fast nichts davon verstanden, was er mir erzählt hat.“ Trotzdem sagte er zu – oder gerade deshalb.

Damals war es noch ein Feld, das unter Chemikern kein allzu großes Interesse weckte. „Alles rund um die Kernspinresonanz ist für die meisten Chemiker einfach nur eine Analysemethode. Man schickt eine Probe ein, sie wird untersucht und man kriegt die Ergebnisse zurück“, so umreißt es James Eills. Dass aber viel mehr in dieser Methode steckt, dass man sich dank Hyperpolarisation ganz neue Informationsebenen erschließen kann – das hat er schnell erkannt und sich ganz diesem Thema verschrieben.

Seine nächsten Karriereschritte plante er danach, wo er tiefer in das Feld eintauchen konnte. Den Master machte er in Berkeley, kehrte dann für die Doktorarbeit nach Southampton zurück, wechselte 2018 nach Mainz ans dortige Helmholtz-Institut, heuerte drei Jahre danach in Barcelona an, mischt in Ulm bei einem medizinischen Start-up mit, das sich mit der Hyperpolarisation beschäftigt, und ist jetzt seit 2024 am Forschungszentrum Jülich.

In diesen Jahren zeigte sich, dass er auf das richtige Thema gesetzt hatte: Die Forschung macht gewaltige Fortschritte, entdeckt immer neue Aspekte, immer neue Zusammenhänge, immer neue Techniken. So gibt es Methoden, die nur für eine geringe Polarisation sorgen und entsprechend weniger effektiv sind. Andere Methoden funktionieren nur mit speziellen Chemikalien; zudem entstehen neue Techniken, wie sich Chemikalien polarisieren lassen, bei denen es früher nicht ging. Gleichzeitig tauchen immer neue Anwendungsfelder auf. Und James Eills ist mit seinem Team mittendrin.

Derzeit ist er noch dabei, seine Mannschaft in Jülich weiter aufzubauen – und auch sein Labor zu verbessern. Vieles von der Ausrüstung zur Hyperpolarisation, die er dort hat, ist selbst gebaut – er kauft handelsübliche Geräte und baut sie dann genau so zusammen, wie er es für seine Forschung braucht. Dieses Basteln, dieses Experimentieren gehört zu seiner Arbeit – „manchmal macht es richtig Spaß“, sagt er, „aber manchmal ist es auch unheimlich frustrierend und kostet enorm viel Zeit.“

Für James Eills liegt darin übrigens einer der Vorteile des Triathlons: Unterwegs kommt er auf neue Gedanken. Bei seiner wöchentlichen Rennrad-Tour von Köln nach Jülich und zurück. Oder im Wasser: Gerade hat er die Saison eröffnet, der Otto-Maigler-See in Köln liegt ein paar Radel-Minuten entfernt von seiner Wohnung – „der perfekte Ort für das Schwimmtraining!“

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