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Helmholtz weltweit

Unterwegs mit der fliegenden Sternwarte

Klare Luft und lange Winternächte sind die optimalen Bedingungen für das Infrarotteleskop SOFIA an Bord einer umgebauten Boeing 747. Dafür, dass das Forschungsgflugzeug wie geplant abheben kann, sorgt Clemens Plank. Der DLR-Raumfahrttechniker begleitete SOFIA zwei Monate nach Neuseeland.

In einigen Minuten soll das Flugzeug starten, die Anspannung ist mit Händen zu greifen. Clemens Plank und seine Kollegen gehen in der neuseeländischen Bodenstation die neuesten Wetterdaten durch: Sollte es tatsächlich regnen, wäre die wochenlange Vorbereitung für den Flug vergeblich gewesen. „Wenn es bei der Landung auch noch regnet, ist das ein Risiko für die sensible Elektronik“, sagt er. „Unser Flugzeug hat eine riesige Teleskoptür im Dach, die während des Fluges aufgeht, und wenn sie nicht richtig schließt, kann tonnenweise Wasser eindringen.“ Ein paar Minuten später atmet er auf: Die Wettervorhersage bessert sich, das Flugzeug kann doch noch wie geplant in den Himmel über Neuseeland starten. 

Clemens Plank, Raumfahrttechniker am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist Adrenalinstöße wie diesen gewohnt: Als Projekt-ingenieur kümmert er sich um ein fliegendes Observatorium, das in einen Jumbojet eingebaut ist und von einem Forscherteam an Bord bedient wird. „Ich bin dafür da, die Bedingungen zu schaffen, die die Wissenschaftler brauchen“, sagt Clemens Plank – und dafür ist er regelmäßig in der Welt unterwegs. Einer der häufigsten Aufenthaltsorte des fliegenden Observatoriums ist Neuseeland; im vergangenen Jahr war Clemens Plank für zwei Monate bei der Mission dabei.

Clemens Plank stellt sicher, dass die fliegende Sternwarte SOFIA einwandfrei funktioniert. Bild: Jan Brandes

„Üblicherweise pendle ich zwischen Bonn und Kalifornien“, sagt der 31-jährige Österreicher und schmunzelt, wenn er an seine Wege zur Arbeit denkt: In Bonn arbeitet er im DLR-Raumfahrtmanagement, das zusammen mit der NASA das SOFIA-Projekt betreibt – jenes Projekt mit der besonderen Boeing 747 SP, die üblicherweise im kalifornischen Palmdale stationiert ist. SOFIA steht für „Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie“. Die Infrarotstrahlung wird vom Wasserdampf in der Erdatmosphäre absorbiert – „vom Boden aus wäre ein Infrarot-Observatorium praktisch blind“, sagt Clemens Plank. Aber jenseits von 13 Kilometern Höhe ist kaum mehr Wasserdampf in der Atmosphäre, und das ist der Einsatzort des fliegenden Observatoriums. Für die Wissenschaft liefert das unschätzbare Einblicke, sagt Clemens Plank: „Etwa die Hälfte der astronomischen Informationen bleibt im optischen Licht verborgen und ist nur im Infrarotlicht erkennbar.“

„Etwa die Hälfte der astronomischen Informationen bleibt im optischen Licht verborgen und ist nur im Infrarotlicht erkennbar.“

Warum aber startet der Forschungsjumbo so oft ausgerechnet in Neuseeland? Clemens Plank muss nicht lange nachdenken: „Wir haben einen Standort gesucht, der uns im Juni und Juli gute Bedingungen bietet, wenn in Kalifornien die Nächte am kürzesten sind. Und in Neuseeland herrscht zu dieser Zeit gerade Winter.“ Außerdem kommen nicht viele Flughäfen als Heimatbasis in Betracht: Die Landebahn für den Jumbojet muss mindestens 3,5 Kilometer lang sein, es muss einen passenden Parkplatz geben und eine gute Infrastruktur, damit für die zwei Monate währende Mission das ganze Team untergebracht werden kann – eine Mannschaft von immerhin rund 50 Mitarbeitern, die in der Regel zur Halbzeit ausgewechselt wird. Die Stadt Christchurch in Neuseeland bringt alle diese Vorteile mit, urteilten Clemens Plank und seine Kollegen: Eine Großstadt zwar mit 400.000 Einwohnern, zugleich aber auf einer Insel gelegen. „Links und rechts vom Flughafen ist man gleich über dem offenen Meer“, schwärmt Clemens Plank: ein Segen für die Piloten, die in Kalifornien wegen der dichten Besiedelung und des eng getakteten Luftverkehrs manchmal Konflikte ausstehen müssen, wenn sie ihre besondere Route auf der exakt richtigen Höhe fliegen wollen, damit die Forscher beste Bedingungen bekommen. Ganz anders in Neuseeland: „Dort sind wir am Himmel fast allein“, sagt Plank: „Und der Flughafen hat eine lange Start- und Landebahn, zugleich aber vergleichsweise wenige Passagiere.“

„Das raue Inselwetter hielt Neuseeland voll im Griff und verhinderte allein in der zweiten Woche unserer Mission zwei der vier geplanten Flüge.“

Das GREAT-Spektrometer ermöglicht Beobachtungen im Ferninfrarotbereich. Damit es einwandfrei beobachten kann, muss der Sensor mithilfe von flüssigem Stickstoff und Helium heruntergekühlt werden. Bild: DLR (CC-BY 3.0)

An den Moment, als er im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach Christchurch kam, erinnert er sich noch gut – vor allem daran, wie er über die Bedingungen vor Ort gestaunt hatte: Am Flughafen in Christchurch nämlich hat ein Antarktisprogramm aus den USA seine Basis. Dessen Forscher haben dort voll ausgestattete Büros, Technikräume, Labors, einen passenden Parkplatz – „das ist eine ideale Infrastruktur!“ Und vor allem: Die Antarktisforscher sind fast nur im Sommer unterwegs, während des neuseeländischen Winters im Juni und Juli werden die Räumlichkeiten kaum benötigt. In dieser Zeit können Clemens Plank und seine Kollegen von der SOFIA-Mission die Büros und Labors in Beschlag nehmen.

Das fliegende Observatorium während eines Testflugs mit geöffneter Teleskoptür. In der Öffnung im

Beste Bedingungen also – wenn nur der ständige Regen nicht wäre. „Das raue Inselwetter hielt Neuseeland voll im Griff“, erinnert sich Clemens Plank an seinen Aufenthalt vor einem Jahr, „und verhinderte allein in der zweiten Woche unserer Mission zwei der vier geplanten Flüge.“ Wenn das fliegende Observatorium erst einmal über den Wolken ist, stellt der Regen zwar kein Problem mehr dar – die Schwierigkeit liegt aber anderswo: In das Dach des Spezialflugzeugs ist eine riesige Luke von vier Metern Breite und sechs Metern Höhe geschnitten, die sich hydraulisch öffnen und schließen lässt. Sie schützt den darunterliegenden Spiegel des Teleskops: Dieses eigentliche Herzstück von SOFIA misst 2,70 Meter im Durchmesser und wiegt 800 Kilogramm – und ist vor allem so empfindlich, dass die Luke sicherheitshalber nur geöffnet wird, wenn das Flugzeug mehr als zwölf Kilometer über der Erde fliegt, denn in dieser Höhe ist die Luft besonders rein. „Das Risiko ist, dass sich die Luke aus irgendeinem Grund nicht mehr schließen lässt“, sagt Clemens Plank.

„Das ist für das ganze Team ein Auslandsaufenthalt, deshalb herrscht gleich eine ganz andere Stimmung.“ 

Obwohl das statistisch gesehen zwar nur in einem von 1.000 Fällen vorkomme und bislang nur einmal auf einem Testflug passiert sei und noch nie bei einem Wissenschaftsflug, will das Team kein Risiko eingehen: Mit offener Klappe könnte der Regen ungehindert ins Innere der hochkomplexen Technik eindringen, sobald das Flugzeug im Landeanflug unter die Wolkendecke taucht – da könnten schnell mehrere Tonnen Wasser zusammenkommen. Dies würde alle weiteren Wissenschaftsflüge auf Wochen hinaus unmöglich machen. Ist also Regen vorhergesagt, bleibt das Flugzeug vorsichtshalber am Boden – und wenn die Schlechtwetterfront aufzieht, während das Flugzeug schon in der Luft ist, muss die Crew am Boden rasch einen Plan B entwickeln – „neben Christchurch haben wir eigentlich zu jedem Zeitpunkt das Wetter in Auckland und Ohakea im Blick. Je nach Flugplan auch das Wetter in Sydney, Melbourne, Cairns oder Hobart“, sagt Clemens Plank.

Im Bauch des Flugzeugs sind die Arbeitsplätze für die Wissenschaftler sowie die gewaltige Mechanik des Teleskops untergebracht. Bild: DLR (CC-BY 3.0)

Solche Belastungsproben gelängen gut, weil im gesamten Team eine tolle Atmosphäre herrsche, sagt Clemens Plank: Während im kalifornischen Palmdale die einheimischen Techniker auf anreisende Ingenieure und Wissenschaftler treffen, sei es in Neuseeland anders – „das ist für das ganze Team ein Auslandsaufenthalt, deshalb herrscht gleich eine ganz andere Stimmung“, sagt der Raumfahrttechniker begeistert. Alle seien mit besonders viel Enthusiasmus an der Arbeit, selbst wenn es regelmäßig sehr spät werde: „Dieses Gefühl, dass wir alle an einem Strang ziehen, ist dort ganz besonders ausgeprägt.“ Die Ergebnisse dieses ganz besonderen Teamgeists lassen sich sehen: Im vergangenen Jahr ist es zum Beispiel gelungen, die Regentage fast komplett auszugleichen, obwohl die Möglichkeiten wegen der gesetzlichen Ruhezeiten für die Luftfahrt stark eingeschränkt sind. „Nach der verhexten zweiten Woche, in der einige Flüge ausgefallen sind, ist SOFIA in der darauffolgenden Woche gleich fünfmal in Serie geflogen und hat damit einen neuen Rekord aufgestellt“, erinnert sich Clemens Plank.

Bei den Flügen selbst ist er üblicherweise nicht dabei. Zwischen 12 und 20 Leute umfasst die Crew auf Wissenschaftsflügen; wenn alle zusammenrücken, passen bis zu 38 Passagiere ins Flugzeug. Meistens ist auf den Flügen Zeit für die Behandlung von bis zu zehn wissenschaftlichen Fragestellungen. Während der Zeit in Neuseeland drehen die sich häufig um das Zentrum der Milchstraße und die große und kleine Magellansche Wolke – die sind nämlich in der nördlichen Hemisphäre unterhalb des Äquators versteckt. Von Neuseeland aus können sie hingegen besonders gut beobachtet werden. „Das ist schon ein besonderes Erlebnis“, sagt Clemens Plank. Für ihn sei die Aufgabe bei SOFIA ein absoluter Traumjob: „Seit dem Kindergarten begeistere ich mich für Astronomie und für Technik – beides kann ich hier wunderbar zusammenbringen!“

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