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Weltwassertag

"Wir müssen das Wasser in den Städten halten"

Bosco verticale in Mailand: Städtische Begrünung unterstützt den natürlichen Wasserkreislauf und schafft ein angenehmes Stadtklima. Bild: Eugenio Marongiu/shutterstock

Bislang wird Regen schnell aus urbanen Räumen herausgeführt. Dabei könnte ein naturnahes Wassermanagement viele Probleme lösen. Warum wir unseren Umgang mit einer regional endlichen Ressource überdenken sollten – ein Interview mit dem UFZ-Biologen Dietrich Borchardt.

In Deutschland genießen wir den Luxus, stets Zugang zu Wasser aus der Leitung zu haben. Trinken Sie Leitungswasser, Herr Borchardt?

In Deutschland trinke ich ohne Bedenken Wasser aus dem Hahn und es schmeckt mir besser als Wasser aus dem Regal. Das Trinkwasser in Deutschland hat eine der höchsten Qualitäten weltweit. Denn es stammt überwiegend aus Grundwasser oder Talsperren und wird streng geschützt. Für die Landnutzung in Wasserschutzgebieten gibt es Beschränkungen, sodass die Rohwasserqualität auf hohem Niveau gesichert wird. In Wasserwerken gibt es Aufbereitungsstufen, die das Wasser so aufbereiten, dass es bedenkenlos getrunken werden kann. Im Vergleich mit der Situation an vielen anderen Orten der Welt ist das eine komfortable Situation.

Prof. Dr. Dietrich Borchardt, Leiter des Departments Aquatische Ökosystemanalyse und Management am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Foto: André Künzelmann/UFZ

Mit welchen Wasserproblemen sehen sich andere Regionen auf der Welt konfrontiert?

In vielen Regionen gibt es enorme Probleme, denken Sie nur an die Dürren in Kalifornien oder Kapstadt. Der Aralsee war einmal der viertgrößte See der Erde. Durch jahrzehntelange Übernutzung für die Bewässerung von Baumwollfeldern ist er quasi komplett verschwunden. In vielen  Regionen haben die Menschen keinen Zugang zu Sanitäranlagen geschweige denn zu sauberem Wasser aus der Leitung. Die UN Agenda 2030 hat Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Eines der Ziele ist, Wassersicherheit für alle zu gewährleisten, also die Verfügbarkeit und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser weltweit. Davon sind wir noch weit entfernt. Wir befinden uns teilweise sogar auf Wegen, die uns von diesem Ziel entfernen.

Der Weltwasserstag steht jedes Jahr unter einem Motto. Dieses Jahr ist es "Nature for Water“. Was können wir uns darunter vorstellen?

Das Thema macht darauf aufmerksam, dass wir beim Wassermanagement nicht nur auf Technologien im klassischen Sinne setzen sollten, sondern auch auf "Nature based Solutions" – also naturbasierte Lösungen. Wir sollten verstärkt auf natürliche und nachhaltige Vorgänge setzen, um Wassersicherheit zu erreichen. Mit technischem Aufwand kann man theoretisch jedes verschmutzte Wasser reinigen, sodass es genießbar wird. Aber das ist technisch, energetisch und finanziell aufwändig. Es ist schlauer, Wasserressourcen zu schonen, natürliche Systeme und deren Regenerationsfähigkeit zu nutzen. Naturbasierte Lösungen sind ressourcenschonend und ökonomisch interessant. Für die Bereiche Hochwasserschutz, Abwassermanagement sowie für städtisches Trinkwasser gibt es beispielsweise solche naturnahen Lösungen.

Was sind denn naturnahe Lösungen? Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Trinkwasserversorgung von New York City erfolgt komplett aus dem Hinterland, überwiegend aus den Catskill Mountains. Das war aber nicht immer so. Die Gegend wurde einst intensiv landwirtschaftlich genutzt, sodass Schadstoffe wie Nitrat ins Grundwasser gerieten. Um die Einwohner New Yorks dauerhaft mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen, gab es mehrere Optionen: Den Bau einer großen Aufbereitungsanlage, die das Wasser wieder reinigt, oder die Umstellung hin zu einer wasserverträglichen Land- und Forstwirtschaft. Die mit Abstand ökonomischste Lösung war letztendlich die Anpassung der Landwirtschaft hin zu niedrigem Düngereinsatz und weniger Viehzucht im Hinterland von New York. Die Wassereinzugsgebiete werden seit 1997 zusätzlich geschützt und sichern durch eine naturnahe Forstwirtschaft eine nachhaltige Trinkwasserversorgung. Das ist eine wichtige "lesson learned", die wir auch auf andere Gebiete anwenden können.

Gibt es auch Ideen für Wassermanagement mitten in der Stadt?

Derzeit haben wir in den meisten Städten eine Strategie des "schnellen Wassers". So wird Regenwasser durch Kanäle so schnell wie möglich aus der Stadt herausgeführt, nur ein kleiner Teil in Becken zwischengespeichert. In Zukunft müssen wir bei uns – bedingt durch den Klimawandel – mit mehr Starkregen rechnen. Um die dabei anfallenden Regenwassermengen aufzufangen und Überschwemmungen zu vermeiden, können wir entweder noch größere unterirdische Betonbecken bauen, um das Wasser aufzufangen und es dann abzuleiten. Oder aber wir halten das Wasser gezielt auf Grünflächen und begrünten Dächern zurück, versickern es dann gezielt und unterstützen so einen naturnäheren Wasserkreislauf. Das Gebot der Zukunft muss eine Annäherung an die naturnahen Abflussprozesse aus Verdunstung, Versickerung ins Grundwasser und Abfluss im Gewässer auch in Städten sein. Das wäre ein völliger Paradigmenwechsel zum heutigen Umgang mit Wasser. Wir müssen das Wasser in den Städten halten.  

Wie würden sich Städte verändern, in denen Wasser länger gehalten wird?

Wir können davon ausgehen, dass der Klimawandel auch häufigere Hitzewellen mit sich bringt. Grüne Infrastrukturen und Wasser könnten in großen Städten Temperaturextreme dämpfen, da die Verdunstung über Pflanzen und offene Wasserflächen einen kühlenden Effekt hat. Für Städte mit gravierenden Wasserproblemen wie Kapstadt wäre die Grundwasseranreicherung ein hilfreicher Beitrag, der bisher aber viel zu wenig verfolgt wurde. Die ganze Trinkwasserversorgung Kapstadts bricht derzeit ab, da mehrere Dürreperioden aufeinander folgten, die Stauseen auch durch verfehltes Management praktisch leer sind und keine anderen natürlichen Süßwasserquellen zur Verfügung stehen. "Day Zero" wird der Tag genannt, an dem die Trinkwasserversorgung der Großstadt aus dem Wasserhahn nicht mehr gewährleistet werden kann. An Kapstadt sehen wir, welche Dimensionen Wasserprobleme annehmen können. Fälle wie dieser werden in Zukunft leider kein Einzelfall bleiben.

In Kapstadt wurde eine Meerwasserentsalzungsanlage gebaut, da mehrere Dürren die Trinkwasserversorgung gefährdeten. Bild: Patrick Foh/Unsplash

Kürzlich wurde medial über den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen in Kapstadt berichtet. Wie schätzen Sie diese Methode der Wasserreinigung ein?

Für Kapstadt bleibt wohl keine andere Wahl als der Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage. Dies bedeutet aber einen enormen Technik- und Energieaufwand sowie hohe Kosten. Die Folge ist: Das technisch aufbereitete Wasser kann sich nur ein Teil der Bevölkerung leisten. Um alle vier Millionen Einwohner Kapstadts mit Wasser zu versorgen, müsste es stark subventioniert werden. Mit einem vorausschauenden Wassermanagement, mit intelligenter Integration naturnaher Lösungen in die bestehenden technischen Infrastrukturen und einer konsequenten Bekämpfung von Wasserverschwendung wäre die jetzige problematische Situation gar nicht erst entstanden.

Der Wasserfußabdruck rechnet das indirekt genutzte Wasser mit ein. Die in Produkten versteckte Wassermenge wird als virtuelles Wasser bezeichnet. Bild: CC0/Pixabay

Sollten wir in Deutschland bewusster mit Wasser umgehen?

Ein sensibler Umgang mit Wasser ist angebracht, da es global gesehen zwar eine erneuerbare, regional aber eine endliche Ressource ist. Wir sollten es daher nicht verschwenden und vor allem nicht unnötig verschmutzen. In Deutschland verbraucht jeder Bürger derzeit täglich rund 120 Liter Wasser. Im Vergleich zu anderen Industrieregionen ist das wenig. In den USA werden beispielweise rund 270 Liter verbraucht. Wir müssen aber bedenken, dass wir auch durch unseren Konsum von Gütern Wasserressourcen beanspruchen. Mit jeder Kaufentscheidung, sei es für Nahrung oder Baumwollkleidung, können wir also unseren Wasserfußabdruck vergrößern oder verkleinern. Tierische Produkte haben beispielsweise einen viel höheren spezifischen Wasserverbrauch als pflanzliche. Lebensmittel regional und saisonal einzukaufen, ist beispielsweise auch bei uns ein guter Weg, um Wasserressourcen zu schonen. Denn die Möglichkeit, sauberes Trinkwasser aus dem Hahn trinken zu können, ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen sensibler, verantwortungsbewusster und nachhaltiger mit dieser Ressource umgehen, wenn das auch in Zukunft so bleiben soll.

Prof. Dr. Dietrich Borchardt ist Biologe, Leiter des Departments Aquatische Ökosystemanalyse und Management am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und Professor an der Technischen Universität Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökologische Wirkungszusammenhänge in Gewässern, hydrologisch-ökologische Gewässermodelle sowie Integriertes Wasserressourcenmanagement (IWRM). Seit 2014 ist er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates für das Internationale Hydrologische Programm (IHP) der UNESCO und das Hydrologische Wasserressourcen-Programm (HWRP) der Weltorganisation für Meteorologie. Er leitet das Europäische Themenzentrum für Binnen-, Küsten und Meeresgewässer der Europäischen Umweltagentur (EEA) und koordiniert das World Water Quality Assessment des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).

Weltwassertag

Seit 1993 wird der Weltwassertag jährlich am 22. März begangen. Er ist ein Ergebnis der UN-Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, auf der er von der UN-Generalversammlung per Resolution ausgerufen wurde. Der Weltwassertag 2018 steht unter dem Motto "Nature for Water". Das Thema des World Water Development Reports, der immer aus Anlass des Weltwassertages von UN Water herausgegeben wird, konzentriert sich ebenso auf die Thematik und lautet für 2018 "Nature-Based Solutions for Water".

Der Weltwassertag 2018 soll für eine stärkere Berücksichtigung naturnaher bzw. die natürlichen Potenziale von Ökosystemen nutzender Lösungen im Gewässermanagement werben. Dabei geht es auch darum, die vielfältigen Leistungen, die solche Ökosysteme bereitstellen, wertzuschätzen und zu nutzen.

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