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Wissenschaftsbild des Monats

Neues vom Nordpol

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Es ist der 22. Oktober: Zwischen der "Polarstern" und ROV-City haben sich Eisschollenteile ineinander geschoben und einen sogenannten Presseisrücken gebildet – wie in unserem Wissenschaftsbild gut zu erkennen ist. Dabei wurden Teile eines Stromkabels vergraben. An dem Abend konnte die Crew das Kabel wieder freilegen und zum Schiff zurückbringen. Auch wenn zwei Tage später die Aufbauphase des Forschungscamps beendet war, richteten die Forscher sich darauf ein, dass die Instrumente immer wieder verlegt werden müssen, da die Eisbewegung innerhalb der Scholle nicht aufhört. Die Sonne schaffte es nun nur noch teilweise über den Horizont zu steigen - die Polarnacht begann, die Dunkelheit wird für die nächsten Monate ein ständiger Begleiter dieser Mission sein. Seit dem 9. Oktober driftet der mit wissenschaftlichen Instrumenten beladene Forschungseisbrecher Polarstern festgefroren an einer Eisscholle durch das Nordpolarmeer.

Diese aufwändige Polarmission ist nötig, weil den Wissenschaftlern weltweit wichtige Daten fehlen, um die Zukunft des Klimas und den Klimawandel besser einschätzen zu können. Die Arktis, die Eisbedeckung des arktischen Meeres, die Temperaturen und Luftströmungen im hohen Norden haben einen enormen Einfluss auf Klima und Wetter in den gemäßigten Breiten und letztlich auf der ganzen Nordhalbkugel. Nur wenn man die Vorgänge in der Arktis wirklich versteht, wird man abschätzen können, wie sich das Klima künftig entwickeln wird. Das Problem: Zwar brechen regelmäßig Eisbrecher in die Arktis auf, um Messdaten zu sammeln. Doch sind diese Expeditionen auf die Sommermonate beschränkt, wenn das Meereis so dünn ist, dass die Schiffe es durchbrechen können. Im eisigen und dunklen Polarwinter aber ist das Eis so dick, dass kein Forschungsschiff in die zentrale Arktis vorstoßen kann. Der Wissenschaft fehlen deshalb entscheidende Messdaten aus dem Winterhalbjahr – und damit versteht man die Vorgänge in der Arktis bis heute nur zum Teil. Das MOSAiC-Projekt will diese Lücke schließen, indem die Arktis jetzt ein ganzes Jahr lang ohne Unterbrechung erforscht wird. Welche Route die Polarstern dabei nimmt, bestimmt allein die Natur.

Mittlerweile steht um das Schiff herum im Umkreis von 700 Metern ein ganzes Netzwerk von Stationen, um Ozean, Eis und Atmosphäre sowie das arktische Leben im Winter zu erforschen. Bei der Station „ROV City“ können Meeresbiologen mithilfe des ferngesteuerten Unterwasserroboter (ROV) Organismen unter dem Eis beobachten oder mit Netzen für weitere Untersuchungen sammeln. In „ICE City“ werden das Meereis und die Schneedeckeneigenschaften genauer untersucht. Bei der „Ocean City“-Station dreht sich alles um die Erforschung des Meereswassers. „Met City“ fällt durch ein Ensemble von Sensormasten auf, mit der die Meteorologen ein extrem breites Spektrum an Daten messen, z.B. den physikalischen Zustand der Atmosphäre sowie Energie-, Impuls- und Feuchteflüsse. Ein weiteres Zelt dient als Hangar für die gefesselten Ballons, die kontinuierlich in etwa 2 km Höhe über dem Forschungslager stehen. Diese Ballons messen direkt die atmosphärischen Bedingungen sowie die Zusammensetzung der Atmosphäre und der Aerosole. Zum Camp soll später auch eine 1.800 Meter lange Start- und Landebahn gehören. Sie soll Polarflugzeugen vom Typ DC 3 ermöglichen zu starten und zu landen und ist für verschiedene luftgestützte Aktivitäten rund um das Hauptlager unerlässlich. Ein weiterer Aspekt, den die Forschungsteams im Fokus haben, ist das neue Eis, das sich Tag für Tag bildet und die alte Eisscholle ergänzt, an der die Polarstern festgemacht ist. Dies führt nicht nur dazu, dass das Forschungsschiff schnell eingefroren wird, sondern auch, dass sich die Scholle ständig ausdehnt.

Auch näherten sich im Laufe der Expedition bereits Eisbären dem Camp, die aber leicht mit Leuchtmunition vertrieben werden konnten – zum Schutz der Forscher und der Tiere, die sich nicht an das Forschungscamp gewöhnen sollen. Ein 360-Grad-Infrarotscanner, der hoch an einem Mast auf der Polarstern montiert ist, überwacht ständig den Horizont. Mehrere Beobachter auf der Schiffsbrücke haben die Umgebung genau im Blick, und wenn sie Eisbären entdecken, die sich der zentralen Zone nähert, werden alle gefährdeten Personen sofort wieder in Sicherheit gebracht. Darüber hinaus wurden rund um das Forschungscamp Stolperdrähte verlegt. Wenn ein Eisbär auf einen tritt, löst er automatisch eine pyrotechnische Vorrichtung aus. Dies schadet den Bären nicht, oft reicht das laute und unbekannte Geräusch aus, um ihn abzuschrecken.

Am Wochenende des 16./17. Novembers kam ein Sturm mit einer Windstärke von 20 Metern pro Sekunde auf. Dabei entstanden neue Risse auf der Scholle. Die Eisbewegungen trennte die Polarstern und drei der wissenschaftlichen Messstationen für einen Tag voneinander. Das gesamte Logistikteam war draußen unterwegs, um die Daten- und Stromkabel einzuholen, die in den Rissen einzufrieren drohten. Am Montagmorgen danach schloss sich die Eisdecke zunächst wieder und einige Eispressrücken entstanden. Doch in der Scholle gab es nun große Dynamik und sie verschob sich deutlich. Aus Nansen-Schlitten und Paletten bauten die Forscher Brücken, um aufgebrochene Schollenbereiche zu überqueren. Auch wenn es keine großen Schäden an den Instrumenten gab, mussten einige ersetzt werden. Durch die Bewegung des Eises hat sich die Lage der Stationen ziemlich verändert, Ocean City musste zum Beispiel um einige Meter verlegt werden.

Trotz der Widrigkeiten gehen die Forschungsarbeiten im Camp weiter. Doch es wird nicht nur geforscht. Auch eine Dokumentarfilm-Crew ist von Anfang an mit an Bord und begleitet die gesamte Expedition durch die surreale arktische Meereislandschaft. Das arktische Klima und die Polarnacht stellen die Filmcrew und vor allem auch ihr Equipment immer wieder vor neue Herausforderungen.

Auf follow.mosaic-expedition.org kann man den Kurs der Polarstern live verfolgen und sogar mit der Route von Fridtjof Nansen vergleichen, der schon vor 125 Jahren mit seinem Segelschiff Fram durch das Nordpolarmeer driftete. Angereichert ist die Seite mit täglichen bebilderten Berichten zu aktuellen Geschehnissen.

Bild: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks (CC-BY 4.0) 

Logbuch: https://follow.mosaic-expedition.org/

Eis-Camp Infografik: https://www.mosaic-expedition.org/expedition/ice-camp/ 

Mehr Links: https://www.awi.de/im-fokus/mosaic-expedition.html

Die Vermessung einer schwindenden Welt

Fridtjof Nansen auf dem Weg zum Nordpol

 

Franziska Roeder

 

 

Franziska Roeder

Multimedia Editor
Helmholtz-Gemeinschaft