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Wissenschaftsjournalismus

Ende der Geschichte?

Bild: kallejipp/photocase.de

Der Wissenschaftsjournalismus steckt in der Krise. Viele Redaktionen haben weniger Geld, weniger Personal, weniger Platz - und weniger Leser. Die Branche muss sich neu erfinden

Nachdem das Vorhaben gescheitert war, den deutschen Wissenschaftsjournalismus lässiger, schneller und relevanter zu machen, blieb Ratlosigkeit zurück. Mit großen Verheißungen war der New Scientist im November 2012 an den Start gegangen – ein Wochenmagazin über Wissenschaftsthemen, gefüllt mit aktuellen Nachrichten, aber auch mit akribisch recherchierten Hintergrundstücken. In guten Momenten inspiriert vom britischen New Scientist, dem berühmten Vorbild, das man auf der Insel wegen seiner feinen Ironie liebt. Ausgestattet mit einem finanzstarken Geldgeber im Rücken, namentlich dem Spiegel-Verlag.

Es brachte alles nichts. Ende Mai 2013, ein paar Monate nach seiner Einführung, wurde der New Scientist wieder eingestellt. Die Absätze waren so desaströs, dass die Geschäftsführung die Reißleine gezogen hatte. Von Verkaufszahlen im unteren fünfstelligen Bereich war die Rede.

Das rasante Ableben des New Scientist ist ein Symptom für die Sinnkrise eines ganzen Berufsstands. Ähnlich wie Medienschaffende anderer Fachrichtungen, ob aus Politik, Kultur oder Wirtschaft, ringen Wissenschaftsjournalisten vergeblich um Antworten auf bohrende Fragen: Haben im Internetzeitalter gedruckte Erzeugnisse überhaupt noch eine Zukunft? Und wenn nicht: Wie können dann oberflächliche Online-Medien den Printjournalismus beerben, ohne dass dessen Tiefenschärfe verlorengeht? Neben Debatten dieser Art beunruhigen die nackten Zahlen: Fast alle bekannten Wissensmagazine verzeichnen Auflagenrückgänge, ob populäre Hochglanz-Illustrierte wie Geo und P.M. oder schwarzbrotige Fachblätter wie Bild der Wissenschaft und Spektrum der Wissenschaft. Eine Ausnahme ist Zeit Wissen, 2004 ins Leben gerufen und damit vergleichsweise jung; ein Magazin, das Zuwächse meldet. Andere Neulinge im Zeitschriftenregal verschwinden dagegen gleich wieder, weil sie zu wenige Leser finden – das gilt nicht nur für den New Scientist. Dasselbe Schicksal ereilte vor einigen Jahren auch SZ Wissen, den Wissenschafts-Ableger der Süddeutschen Zeitung. Die Publikation wurde 2009 aufgegeben, nachdem sie gerade einmal fünf Jahre alt war.

Der Befund ist klar: Die Blattmacher finden zu selten ein Rezept, wie man aus ambitionierten Artikeln über die weite Welt der Wissenschaft, mit Strecken über Schwarze Löcher, Glücksforschung, Krebstherapie oder Cyberkrieg, verlässliche Verkaufsschlager strickt. „Die Stimmung unter den Printkollegen ist schlecht“, konstatiert Claudia Ruby, stellvertretende Vorsitzende der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK). Ihre Erklärung für die Absatzprobleme: „Die sinkenden Leserzahlen sind der Ausdruck einer generellen Krise des Printmarkts.“
In der Tat: Egal ob SZ oder FAZ, Stern oder Bunte, Kicker oder Sportbild, es ist heutzutage kompliziert, die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen – jenes Lesers, der gern als medialer Dauerkonsument mit ADHS-Zügen karikiert wird, der also unberechenbar zwischen Smartphone, iPad und Laptop hin- und herspringt. Im Gegensatz zu anderen Fachressorts muss der Wissenschaftsjournalismus dazu noch mit ganz eigenen Herausforderungen kämpfen. Die Sachverhalte, die er sexy machen muss, sind überdurchschnittlich sperrig – einen unterhaltsamen Artikel über Quantenfeldtheorien zu schreiben, erfordert eine aufwendigere und zeitintensivere Transferleistung als ein Porträt über den neuen Bayern-Trainer. Das ist kein geringes Problem – besonders wenn verunsicherte und wirtschaftlich geschwächte Verlage am Personal sparen. Dann wird es zum logistischen Drahtseilakt, fesselnde Geschichten anzufertigen. Focus etwa hat die Größe seines Wissensressorts innerhalb von zehn Jahren halbiert, von 16 auf acht Redakteure. Der Kahlschnitt hat nicht unbedingt zu einer besseren Berichterstattung geführt.

Ein weiteres Ärgernis, mit dem sich Wissenschaftsjournalisten herumschlagen, ist ihr Mauerblümchen-Image in der Branche – nette Gelehrte, deren Fachwissen man bewundert, aber deren journalistische Tugenden, intelligentes Storytelling etwa oder investigativer Spürsinn, immer wieder angezweifelt werden. „Die Wissenschaftsjournalisten haben weiterhin ein Anerkennungsproblem gegenüber den Kollegen aus den klassischen Ressorts. Wissenschaft gilt eben immer noch als Schwellenressort“, findet zum Beispiel Alexander Görke, Kommunikationswissenschaftler an der FU Berlin, der zuletzt an einer Studie über die Medialisierung von Wissenschaft gearbeitet hat. Die Randposition im Machtgefüge der Verlagshäuser ist wenig hilfreich, wenn über Personalkürzungen oder Einstellungen von ganzen Magazintiteln diskutiert wird. Die größten Sorgenkinder sind die Wissenschaftsredakteure der Regionalzeitungen, nicht selten Einzelkämpfer in ihren Pressehäusern, die mit grotesk niedrigen Budgets ihre Seiten bespielen müssen. Die fast unweigerliche Folge dieses Sparkurses: unkritische, fehlerhafte und langweilige Texte. Auf mediendoktor.de, einem Watchblog, das die Qualität wissenschaftsjournalistischer Artikel bewertet, sind Regionalzeitungsbeiträge die Dauerbrenner – meistens, wenn es um Patzer und Pannen geht.

Die WPK schlägt vor, ein Science Media Center einzurichten, eine unabhängige Presseagentur, möglicherweise von Stiftungen oder anderen Institutionen finanziert. Eine ähnliche Einrichtung existiert seit 2000 in Großbritannien. Sie könnte als Vorbild dienen. Die Idee: Das Science Media Center soll Redaktionen kostenlos mit Dossiers, Hintergrundrecherchen und Expertenmeinungen versorgen. Tatsächlich wäre so etwas ein Segen für unterbesetzte Tagesmedien, die in Windeseile wissenschaftliche Einordnungen zu nachrichtenrelevanten Themen liefern müssen, ob zum Influenza-Virus in Delmenhorst oder zum Giftgas-Angriff in Damaskus. In einer Studie hat die WPK bereits die positiven Effekte eines deutschen Science Media Centers skizziert. Ein solches Zentrum könne dazu beitragen, die Qualität im deutschen Wissenschaftsjournalismus zu fördern, heißt es darin.

Nachdem das Vorhaben gescheitert war, den deutschen Wissenschaftsjournalismus lässiger, schneller und relevanter zu machen, blieb Ratlosigkeit zurück. Mit großen Verheißungen war der New Scientist im November 2012 an den Start gegangen – ein Wochenmagazin über Wissenschaftsthemen, gefüllt mit aktuellen Nachrichten, aber auch mit akribisch recherchierten Hintergrundstücken. In guten Momenten inspiriert vom britischen New Scientist, dem berühmten Vorbild, das man auf der Insel wegen seiner feinen Ironie liebt. Ausgestattet mit einem finanzstarken Geldgeber im Rücken, namentlich dem Spiegel-Verlag.

Es brachte alles nichts. Ende Mai 2013, ein paar Monate nach seiner Einführung, wurde der New Scientist wieder eingestellt. Die Absätze waren so desaströs, dass die Geschäftsführung die Reißleine gezogen hatte. Von Verkaufszahlen im unteren fünfstelligen Bereich war die Rede.

Das rasante Ableben des New Scientist ist ein Symptom für die Sinnkrise eines ganzen Berufsstands. Ähnlich wie Medienschaffende anderer Fachrichtungen, ob aus Politik, Kultur oder Wirtschaft, ringen Wissenschaftsjournalisten vergeblich um Antworten auf bohrende Fragen: Haben im Internetzeitalter gedruckte Erzeugnisse überhaupt noch eine Zukunft? Und wenn nicht: Wie können dann oberflächliche Online-Medien den Printjournalismus beerben, ohne dass dessen Tiefenschärfe verlorengeht? Neben Debatten dieser Art beunruhigen die nackten Zahlen: Fast alle bekannten Wissensmagazine verzeichnen Auflagenrückgänge, ob populäre Hochglanz-Illustrierte wie Geo und P.M. oder schwarzbrotige Fachblätter wie Bild der Wissenschaft und Spektrum der Wissenschaft (siehe Grafik). Eine Ausnahme ist Zeit Wissen, 2004 ins Leben gerufen und damit vergleichsweise jung; ein Magazin, das Zuwächse meldet. Andere Neulinge im Zeitschriftenregal verschwinden dagegen gleich wieder, weil sie zu wenige Leser finden – das gilt nicht nur für den New Scientist. Dasselbe Schicksal ereilte vor einigen Jahren auch SZ Wissen, den Wissenschafts-Ableger der Süddeutschen Zeitung. Die Publikation wurde 2009 aufgegeben, nachdem sie gerade einmal fünf Jahre alt war.

Der Befund ist klar: Die Blattmacher finden zu selten ein Rezept, wie man aus ambitionierten Artikeln über die weite Welt der Wissenschaft, mit Strecken über Schwarze Löcher, Glücksforschung, Krebstherapie oder Cyberkrieg, verlässliche Verkaufsschlager strickt. „Die Stimmung unter den Printkollegen ist schlecht“, konstatiert Claudia Ruby, stellvertretende Vorsitzende der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK). Ihre Erklärung für die Absatzprobleme: „Die sinkenden Leserzahlen sind der Ausdruck einer generellen Krise des Printmarkts.“
In der Tat: Egal ob SZ oder FAZ, Stern oder Bunte, Kicker oder Sportbild, es ist heutzutage kompliziert, die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen – jenes Lesers, der gern als medialer Dauerkonsument mit ADHS-Zügen karikiert wird, der also unberechenbar zwischen Smartphone, iPad und Laptop hin- und herspringt. Im Gegensatz zu anderen Fachressorts muss der Wissenschaftsjournalismus dazu noch mit ganz eigenen Herausforderungen kämpfen. Die Sachverhalte, die er sexy machen muss, sind überdurchschnittlich sperrig – einen unterhaltsamen Artikel über Quantenfeldtheorien zu schreiben, erfordert eine aufwendigere und zeitintensivere Transferleistung als ein Porträt über den neuen Bayern-Trainer. Das ist kein geringes Problem – besonders wenn verunsicherte und wirtschaftlich geschwächte Verlage am Personal sparen. Dann wird es zum logistischen Drahtseilakt, fesselnde Geschichten anzufertigen. Focus etwa hat die Größe seines Wissensressorts innerhalb von zehn Jahren halbiert, von 16 auf acht Redakteure. Der Kahlschnitt hat nicht unbedingt zu einer besseren Berichterstattung geführt.

Ein weiteres Ärgernis, mit dem sich Wissenschaftsjournalisten herumschlagen, ist ihr Mauerblümchen-Image in der Branche – nette Gelehrte, deren Fachwissen man bewundert, aber deren journalistische Tugenden, intelligentes Storytelling etwa oder investigativer Spürsinn, immer wieder angezweifelt werden. „Die Wissenschaftsjournalisten haben weiterhin ein Anerkennungsproblem gegenüber den Kollegen aus den klassischen Ressorts. Wissenschaft gilt eben immer noch als Schwellenressort“, findet zum Beispiel Alexander Görke, Kommunikationswissenschaftler an der FU Berlin, der zuletzt an einer Studie über die Medialisierung von Wissenschaft gearbeitet hat. Die Randposition im Machtgefüge der Verlagshäuser ist wenig hilfreich, wenn über Personalkürzungen oder Einstellungen von ganzen Magazintiteln diskutiert wird. Die größten Sorgenkinder sind die Wissenschaftsredakteure der Regionalzeitungen, nicht selten Einzelkämpfer in ihren Pressehäusern, die mit grotesk niedrigen Budgets ihre Seiten bespielen müssen. Die fast unweigerliche Folge dieses Sparkurses: unkritische, fehlerhafte und langweilige Texte. Auf mediendoktor.de, einem Watchblog, das die Qualität wissenschaftsjournalistischer Artikel bewertet, sind Regionalzeitungsbeiträge die Dauerbrenner – meistens, wenn es um Patzer und Pannen geht.

Die WPK schlägt vor, ein Science Media Center einzurichten, eine unabhängige Presseagentur, möglicherweise von Stiftungen oder anderen Institutionen finanziert. Eine ähnliche Einrichtung existiert seit 2000 in Großbritannien. Sie könnte als Vorbild dienen. Die Idee: Das Science Media Center soll Redaktionen kostenlos mit Dossiers, Hintergrundrecherchen und Expertenmeinungen versorgen. Tatsächlich wäre so etwas ein Segen für unterbesetzte Tagesmedien, die in Windeseile wissenschaftliche Einordnungen zu nachrichtenrelevanten Themen liefern müssen, ob zum Influenza-Virus in Delmenhorst oder zum Giftgas-Angriff in Damaskus. In einer Studie hat die WPK bereits die positiven Effekte eines deutschen Science Media Centers skizziert. Ein solches Zentrum könne dazu beitragen, die Qualität im deutschen Wissenschaftsjournalismus zu fördern, heißt es darin.

Fast alle Verlage versuchen sich inzwischen an Tablet-Magazinen. Photo: Franziska Roeder

Am Ende bleibt jedoch eine große, ungeklärte Frage: Wie nachhaltig wird das Internet die Branche verändern? Schon jetzt gewinnen die Online-Wissensressorts von Spiegel, Zeit & Co. rasant an Bedeutung. Ihre Personalstämme wachsen meist, während die Redaktionsgrößen der Print-Ressorts eher stagnieren oder sogar schrumpfen (siehe Grafik). Bleibt überhaupt eine nennenswerte Printsparte übrig? Wird im Web unterdessen der Wissenschaftsjournalismus revolutioniert, weg vom linearen Text hin zum schillernden Multimedia-Angebot? Damit verbunden: Wird man die Nutzer, seit jeher an kostenlose Kreativleistungen im Netz gewohnt, zu zahlenden Kunden umerziehen können?

Ausgerechnet zwei ehemalige Redakteure des gescheiterten New Scientist wagen jetzt etwas – trotz aller Ungewissheiten. Denis Dilba und Georg Dahm arbeiten an einer Web-App, die wissenschaftsjournalistische Stücke multimedial orchestrieren soll, unter Einsatz von Grafiken, Videos, Texten, opulenten Bildern und interaktiven Funktionen. „Wir wollen Geschichten, wie sie sonst in großen Magazinen erscheinen würden, multimedial erzählen. Dabei geht es uns nicht um ein Gratis-Angebot, sondern um bezahlten Qualitätsjournalismus“, erklärt Dilba. Noch ist offen, wie die beiden Pioniere den Start ihres Projekts finanzieren. Sollten sich Geldkanäle öffnen, etwa durch Crowdfunding oder Kooperationen mit Medienunternehmen, könnte das Schule machen – und andere Wissenschaftsjournalisten ermutigen, mit ebenso innovativen Ideen in die digitale Zukunft aufbrechen.

Dass schon heute eine Berichterstattung möglich ist, die die Seriosität traditioneller Holzmedien mit der Spritzigkeit moderner Onlinemedien verbindet, haben deutsche Wissenschaftsjournalisten im Oktober bewiesen. Da wurden die Nobelpreisträger in Physik, Chemie und Medizin  bekannt gegeben, und die Redaktionen überregionaler Titel überboten sich gegenseitig in Themenschwerpunkten zu den Leistungen der ausgezeichneten Koryphäen. Im Netz kredenzten die Ressorts bekömmliche Informationshappen, zum Beispiel Video-Animationen, Livestreams und interaktive Grafiken. In Zeitungen und Zeitschriften folgte später die intellektuelle Reflexion, Futter fürs Hirn, zubereitet aus Porträts, Hintergrund- und Erklärstücken. Mit solchen Brückenschlagen entfacht man Begeisterung für Higgs-Teilchen und andere naturwissenschaftliche Wunder: der Internetauftritt als Lustmacher, das Printprodukt als anschließendes Vertiefungsangebot.

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