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Helmholtz Horizons

"Von Stanford lernen"

Bild: Dagmar Jarek

In Berlin trafen sich Spitzenforscher aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, um über ihre Forschung zu berichten. Auf dem Symposium ging es nicht nur um den Austausch, sondern auch um die Frage, wie die besten Köpfe aus aller Welt nach Deutschland gelockt werden können.

Die Tiefsee ist nicht nur eine faszinierende Welt, bevölkert von einer Vielzahl interessanter Lebewesen – sie ist leider auch eine Müllkippe. Über die Hälfte dieses Unrats besteht aus kleinen und kleinsten Plastikteilchen. Die Meeresbiologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, erforscht dies in ihrem Projekt „Litter and Microplastics invade the Arctic Ocean“. Bergmann und ihre Kollegen fanden durch Probebohrungen im arktischen Eis heraus, dass Hunderttausende oder sogar Millionen von Mikroplastikpartikel im Eis enthalten sind. Plastikteile, die beispielsweise in England ins Meer gelangen, benötigen etwa 20 Jahre, bis sie in der Arktis landen. Um die Vermüllung zu stoppen, braucht es nach Meinung der Forscherin schlüssige Konzepte für eine umweltschonende Entsorgung von Plastikmüll und mehr Investitionen in die Entwicklung alternativer, schneller abbaubarer Stoffe.

Bild: Dagmar Jarek

Melanie Bergmann eröffnete mit ihrem Thema am 23. September in Berlin bei dem Symposium „Helmholtz Horizons“ eine Reihe von insgesamt 16 Vorträgen über aktuelle Forschungsprojekte, die das breite Spektrum der Helmholtz-Forschung widerspiegeln. „Helmholtz-Brainpower in voller Dosis“ - so kündigte der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar Wiestler, die Beiträge an, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen in der Medizin, Umwelt-, und Energieforschung, Astronomie oder Robotik beschäftigten und zu lebhaften Diskussionen anregten. Am Rednerpult standen sowohl Nachwuchsforscher als auch Senior Researchers und Abteilungsleiter, die während der Vortragspausen dann zwanglos zum Austausch und zum Netzwerken zusammenfanden.

Interessante Perspektiven für die Behandlung von Patienten bietet das Projekt der Informatikerin Stefanie Speidel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT): „Computerbased Assistence for the Operation Room of the Future“. 3D-Modelle der zu operierenden Organe sollen die Mediziner als computergestützte Navigationshilfe bei der OP-Planung unterstützen.

Der Plasmaphysiker Prof. Thomas Klinger, Direktor des Projektes „Wendelstein 7-X“ am Max-Planck-institut für Plasmaphysik Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald, widmet sich dem spannenden Feld der Kernfusion und ihren Möglichkeiten als Energiequelle. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Fusionsanlage „Wendelstein 7-X“, die weltweit größte Anlage vom Typ des „Stellarator“. Schon bei ersten Experimenten waren Klinger und sein Team erfolgreich und konnten Helium-Plasma erzeugen – die notwendige Vorstufe zur Kernfusion. Gelingt diese, wäre es möglich, große Mengen an vergleichsweise klima- und umweltfreundlicher Energie zu produzieren.

Rolf Müller, Geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken, beschäftigt sich mit Mikroorganismen als Quelle für dieEntdeckung und Entwicklung neuer Antibiotika („Innovative Antibiotics from Microorganisms: Some Case Studies“). Zahlreiche Krankheitserreger bilden Resistenzen gegen Medikamente wie Antibiotika aus und schützen sich so vor ihrer Bekämpfung – die bisherigen Waffen gegen gefährliche Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Tuberkulose werden somit stumpf. Hilfe könnte von sogenannten Sekundärmetaboliten bodenbewohnender Myxobakterien kommen. Die Bakterien stellen die Stoffe her, um sich in ihrem natürlichen Lebensraum im Konkurrenzkampf gegen andere Organismen einen Wachstumsvorteil zu verschaffen. Müller zeigte an zwei Beispielen auf, dass so neuartige und viel versprechende Wirkstoffe nicht nur identifiziert, sondern auch in ihrer Wirkweise aufgeklärt werden können. Diese Substanzen unterliegen nicht den bekannten Resistenzmechanismen. Erste Versuche in Infektionsmodellen zeigten erfreulicherweise eine gute Wirksamkeit. In Zukunft hoffen Müller und seine Kollegen die Substanzen zum klinischen Einsatz zu führen.

Bild: Dagmar Jarek

„Helmholtz Horizons“ brachte jedoch nicht nur exzellente „Brainpower“ aus Helmholtz-Zentren zusammen. Bei einer Po-diumsdiskussion ging es auch um Strategien für die wissenschaftliche Nachwuchsförderung und generell den „Brain Gain“. Wie kommen neue Themen durch neue kluge Köpfe in die Ge-meinschaft? Wie steuert man die Erneuerung durch Rekrutierung, vor allem auch aus dem Ausland? Die US-amerikanische Elite-Uni Stanford ist für Helmholtz-Präsident Otmar Wiestler ein Best Practice-Beispiel: Bis zu 90 Prozent des wissenschaftlichen Personals werden dort aus dem Ausland rekrutiert. Die Helmholtz-Gemeinschaft investiert in die Internationalisierung und in die Rück- bzw. Neugewinnung von herausragenden Forschern aus dem Ausland und will ihr Engagement in diesem Bereich weiter ausbauen. Darüber diskutierte Wiestler mit den Helmholtz-Forschern Liane Benning, Abteilungsleiterin am Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungszentrum GFZ, Juliane Winkelmann, Direktorin des Instituts für Neurogenomik am Helmholtz-Zentrum München Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in München, und Benedikt Geiger, Nachwuchsgruppenleiter am IPP in Greifswald. 

Liane Benning und Juliane Winkelmann sind beide selbst gute Beispiele für gelungenes und nachhaltiges Recruiting aus dem Ausland: Die Geochemikerin Benning war zuvor Professorin an der britischen University of Leeds, die Medizinerin Winkelmann bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland Professorin für Neurologie und Neurowissenschaften an der amerikanischen Stanford Universität. Was beide nach Deutschland zurück und in ein Helmholtz-Zentrum brachte: Die Möglichkeit, interdisziplinär, in einem exzellenten Forschungsumfeld mit guter Ausstattung und mit langfristiger Perspektive zu arbeiten.

„Helmholtz ist im Ausland selbstverständlich ein Begriff, meine Kollegen dort sind alle neidisch auf meine Arbeitsbedingungen in Potsdam“, sagte Liane Benning und riet: Helmholtz solle deshalb seine Headhunting-Aktivitäten deutlich ausbauen, man werde auf offene Ohren treffen. Und Juliane Winkelmann bestätigte: „Als ich meinem Team in Stanford sagte, dass ich das Angebot aus München annehmen wolle, waren meine Mitarbeiter alle sofort bereit mitzukommen, nicht nur die deutschen.“ Sie sieht dies als einen Beleg für die Bereitschaft, sich aus dem Ausland abwerben zu lassen – wenn die Bedingungen stimmen.

Eine ebenso große Rolle, darüber waren sich die Podiumsteilnehmer einig, spielt die gezielte Förderung des Nachwuchses. Dazu gehören Instrumente wie Graduiertenschulen an nahezu allen Helmholtz-Zentren, Laufbahnberatung, die mittlerweile fast 200 geförderten Helmholtz-Nachwuchsgruppen, Rekrutierungsprogramme für Professoren und speziell auch für Professorinnen sowie die Helmholtz-Akademie für Führungskräfte.

Benedikt Geiger war Teilnehmer der Akademie und sagt: „Abgesehen von dem sehr nützlichen Input, der mich gut auf meine Aufgabe als Helmholtz-Nachwuchsgruppenleiter vorbereitet hat, bieten sich großartige Möglichkeiten zwischen den Forschungszentren stabile und interdisziplinäre Netzwerke zu bilden.“ Auch von dem Helmholtz-Symposium in Berlin ist er sicherlich mit etlichen Visitenkarten anderer Forscher im Gepäck nach Greifswald zurückgekehrt.

15 Referenten und ihre Vorträge haben wir für Sie mit der Kamera festgehalten und die Videos können Sie sich hier anschauen:

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