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Interview

Von Qubits und spukhafter Fernwirkung

Bild: shutterstock/BAIVECTOR

Wie funktioniert ein echter Quantencomputer und wie weit sind wir von der Anwendung entfernt? Im Interview spricht Wolfgang Wernsdorfer vom Karlsruher Institut für Technologie über Qubit-Quantenchip und die hohe Erwartungshaltung.

Bereits als Doktorand hat Wolfgang Wersdorfer ein Messinstrument entwickelt, mit dessen Hilfe er die magnetischen Eigenschaften von einzelnen Nanostrukturen und Molekülen untersuchen konnte. Wernsdorfer fand heraus, welche Rolle die Gesetze der Quantenmechanik für molekulare Magnete spielten, und konnte dadurch elektronische Schaltkreise bauen. Seit Anfang 2016 arbeitet er am Karlsruher Institut für Technologie

Herr Wernsdorfer, welche Chancen, die über herkömmliche Elektronik hinausgehen, bietet die Quantentechnologie?

Das ist im Prinzip eine ganz einfache Frage. Die Idee der Quantenelektronik ist, etwas zu machen, was mit klassischer Elektronik nicht möglich ist. Dazu werden Phänomene genutzt, die ein klassisches Objekt nicht zeigt. Drei Effekte sind dabei wichtig: Erstens das Quantentunneln, zweitens die Vermischung oder Überlagerung von Quantenzuständen und drittens die Verschränkung von Quantenbits, kurz den Qubits. Quantenelektronik nutzt alle drei Ansätze und begründet eine neue Rechenlogik, die zum Beispiel eine bessere Kryptographie, die Verschlüsselung von Daten, ermöglicht.

Also Quantenbits oder Qubits statt klassischer Bits. Was ist das besonders an Qubits?

Im Unterschied zu klassischen Bits, die entweder eine Eins oder eine Null speichern, können Qubits unendlich viele Mischzustände zwischen Eins und Null annehmen. trennt man zwei gekoppelte Qubits, zum beispiel zwei Photonen, dann bleibt ein Zusammenhang erhalten, selbst wenn die zwei Photonen Lichtjahre weit voneinander entfernt sind. Sobald man den Zustand des einen Qubits misst, ist direkt auch der Zustand des anderen bekannt. Dieser Effekt nennt sich Verschränkung und Einstein hat es "spukhafte Fernwirkung" genannt.

Haben Sie für die spukhafte Fernwirkung einen Vergleich aus dem Alltag?

Mit Alltagserfahrung kann man das nicht begreifen. Doch Ausrechnen lässt es sich einfach, und eben auch experimentell belegen. Da wird es schnell philosophisch. Weltweit wird heute daran gearbeitet, wie man die Verschränkung nutzen und daraus etwas bauen kann. Im Bereich der Quantenkommunikation wird es sicherlich bald Anwendungen geben. Und in Zukunft vielleicht auch einen sehr leistungsfähigen Quantencomputer, der Probleme parallel sehr schnell lösen könnte.

Aber ein Unternehmen in Kanada, D-Wave Systems, bietet doch heute schon einen Quantencomputer mit 2000 Qubits an?

Ja, die Firma verkauft den ersten Quantencomputer. Allerdings nutzt er nicht alle Quanteneffekte, sondern nur adiabatische Übergänge. Damit lässt sich ein Problem bearbeiten, bei dem das Minimum die Lösung ist. VW etwa soll an diesem System Interesse haben, um Verkehrsflüsse zu optimieren. Doch der D-Wave Quantencomputer ist wahrscheinlich  nicht schneller als ein klassischer Computer. Trotzdem ist dieses D-Wave System interessant, auch wenn dieser Ansatz unter Quantentechnologie-Forschern noch umstritten ist.

Und wie berurteilen Sie den 50-Qubit-Quantenchip von Google?

Google macht etwas ganz anderes als D-Wave. Die wollen die Verschränkung von Qubits nutzen. Verglichen mit D-Wave ist das ein Auto statt einfacher Schuhe. Google will ein spezielles Problem lösen, das kein klassischer Computer mehr rechnen kann. Damit ließe sich erstmals die Überlegenheit von Quantencomputern belegen. Rein intellektuell ist das interessant, selbst wenn dieses spezielle Problem, das Quanten-Chaos, wahrscheinlich keine Anwendung hat. 

Woraus bestehen Qubits eigentlich?

Da gibt es viele Plattformen. Man kann Lichtteilchen mit ihrem Drehimpuls nutzen oder einzelne Ionen. Aber auch Festkörper-Qubits aus Supraleitern gibt es, die sind jedoch relativ groß und könnten in einer Sackgasse enden. Mit meiner Arbeitsgruppe konzentriere ich mich auf den molekularen Bereich. Wir nutzen Quantenzustände von einzelnen Molekülen, wollen sie verändern, kontrollieren und manipulieren. Meine Qubits sind Spinqubits. Da sie so klein sind, bieten sie viel Potenzial. Zudem könnten sie besser vor Störungen von außen geschützt sein. Denn wenn die Umgebung in eine Quantenrechnung hineinpfuscht, wird das Ergebnis zerstört.

Und wann könnten solche Ideen zu konkreten Anwendungen oder gar einem echten Quantencomputer führen?

Quantencomputer werden die klassischen Computer nicht ersetzen aber ergänzen für die Lösung spezieller Probleme. Bevor wir zum Quantencomputer kommen, werden neue empfindlichere Quantensensoren und Quantenuhren gebaut. Und in einigen Jahren könnten Quantenschaltkreise neue Materialien und Moleküle simulieren. Einen universellen Quantencomputer sehe ich erst in ungefähr 20 Jahren. 

Sie sind sich also sicher, dass ein Quantencomputer kommen wird?

Keiner kann dies heute sagen. Aber vor 20 Jahren wurden auch Experimente mit Qubits für Hirnspinnerei gehalten. Also sollte man nicht zu pessimistisch sein. Auf jeden Fall machen wir völlig neue Sachen, eröffnen neue Felder der Wissenschaft. Und selbst wenn das Resultat nicht den Erwartungen entspricht, macht es sehr viel Spaß neue Wege zu ergründen.

Quantum Technologies - How will they change our world?

Kommunikation, Sensorik, Simulation und Computing - das sind die vier großen Bereiche der Quantentechnologien. Um sie geht es auch bei der Brüsseler Helmholtz-Jahresveranstaltung. Viel Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung wird nötig sein, um diese Bereiche weiterzuentwickeln. Die Europäische Kommission hat daher angekündigt, ein große Forschungsinitiative (FET Flagship) zum Thema Quantentechnologien zu lancieren. Wernsdorfer diskutierte am 29. März 2017 mit, als es in Brüssel um die Frage ging, wie Quantentechnologien die Welt von morgen beeinflussen werden.

Quantum Technologies - How will they change the world?

ERC-Grant für Wolfgang Wersdorfer (KIT)

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