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Forschung

Im Grenzbereich der Wissenschaft

Strontium-Atomuhr Der komplexe Aufbau aus Lasern, optischen Elementen und einer Vakuumkammer macht die weltweit genaueste Zeitmessung möglich. Bild: Ye group and Baxley/JILA

<b>Strontium-Atomuhr</b> Der komplexe Aufbau aus Lasern, optischen Elementen und einer Vakuumkammer macht die weltweit genaueste Zeitmessung möglich. Bild: Ye group and Baxley/JILA

Ob winzig klein oder riesengroß, ganz nah dran oder sehr weit weg – Wissenschaftler stoßen immer wieder zu Extremen vor. Ausgefeilte Werkzeuge helfen ihnen dabei, die Erkenntnis über unsere Welt Stück für Stück auszuweiten. Eine Exkursion zu den Grenzen der Forschung.

Ticktack

Titelbild: Jede Uhr tickt anders. Ganz genau nimmt es die Strontium- Atomuhr, die derzeit genaueste Uhr der Welt: Sie geht in 15 Milliarden Jahren – das ist mehr als das Alter unseres Universums – um weniger als eine Sekunde falsch. Und sie geht im wahrsten Sinne des Wortes auch auf den Punkt genau: Nach Albert Einsteins Relativitätstheorie vergeht die Zeit mit wachsender Höhe über der Erdoberfläche schneller. Wird die Atomuhr um nur zwei Zentimeter angehoben, misst sie tatsächlich einen Zeitunterschied. Der Kopf ist den Füßen also immer einen Tick voraus.

Elektronenmikroskop PICO Das fast fünf Meter hohe Gerät steht auf einem 200 Tonnen schweren, luftfedergedämpften Betonfundament, damit es vor allen Erschütterungen bis in den Mikrometerbereich geschützt ist - sonst könnten seine ultrahochauflösenden Messergebnisse verfälscht werden. Bild: NRW.invest

Besser als Adleraugen

Mit modernen Elektronenmikroskopen bleibt nichts im Verborgenen: Die derzeit stärksten Modelle haben eine Auflösung von rund 50 Picometern. Das sind 0,00000000005 Meter. Die enorme Vergrößerung lässt damit – wenn gewünscht – sogar den Blick auf die atomare Ebene zu: Es können einzelne Atome und ihre chemischen Bindungsverhältnisse beobachtet werden. Also durchaus etwas für Detailverliebte.

Hört, hört!

Man kann noch so gut die Ohren spitzen – es ist einfach nichts zu hören, absolut nichts für unser menschliches Hörorgan. Das leisestmögliche Geräusch ist das Phonon. Es bleibt aber nicht nur wegen seiner extrem geringen Lautstärke von uns unerhört, sondern auch, weil der Ton rund 500.000-mal höher ist als der für den Menschen höchste wahrnehmbare Ton. Mit dem sogenannten Quantenmikrofon will man dieser schrillen Angelegenheit auf die Schliche kommen. Das extrem sensible Mikrofon ist in der Lage, winzigste Schallwellen zu detektieren, die dem Phonon schon sehr nahekommen.

Tiefe Einsichten

Schon im Sandkasten geht es darum, tiefe Löcher zu buddeln und zu schauen, was es da unten zu entdecken gibt. Diese kindliche Neugierde setzt sich in der Wissenschaft fort: Forscher bohren Löcher, die tiefer sind, als der Mount Everest mit seinen 8848 Metern hoch ist. Das bislang tiefste Bohrloch der Welt ist mit 12.262 Metern die Kola- Bohrung in Russland. Das tiefste Bohrloch, das aktuell für die Forschung genutzt wird, geht in Windischeschenbach östlich von Nürnberg 9101 Meter in den Boden. Und was wurde dort unten bislang entdeckt? Temperaturen von über 280 Grad Celsius und Drücke über 900 bar.

Kälter als das All erlaubt

Im Weltraum ist es mehr als frostig. Es herrschen dort eisigkalte minus 270 Grad Celsius. Es geht aber noch kälter, zumindest ein kleines bisschen: Die theoretisch tiefstmögliche Temperatur liegt bei minus 273,15 Grad Celsius. Das ist der absolute Nullpunkt. Tieftemperaturphysiker pirschen sich an ihn heran. In ihren Laboren können sie Temperaturen erzeugen, die nur noch ein Millionstel Grad wärmer sind.

<b>Andromeda-Galaxie</b> Aus den Daten des Weltraumteleskops Hubble konnten Astronomen ein Bild der Andromeda-Galaxie berechnen, das sogar einzelne Sterne und Sternhaufen zeigt. Bild: ESA/Hubble & Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin (ESA/Hubble)

Scharfer Blick

Seit über 25 Jahren dreht das Weltraumteleskop Hubble in gut 550 Kilometern Höhe seine Runden um die Erde und liefert wertvolle Aufnahmen von Sternen, Planeten und Galaxien. So schoss Hubble über 400 Fotos der rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda- Galaxie, die zu einem einzigen Bild mit sagenhaften 1,5 Milliarden Pixeln zusammengefügt wurden. Das Ergebnis: das bislang größte veröffentlichte Bild von Hubble mit Millionen von Sternen, und das gestochen scharf. Scharfe Himmelsaufnahmen sind auch von der Erde aus möglich: Das Magellan-Teleskop in Chile beispielsweise macht Aufnahmen, auf denen Strukturen auf dem Mond in der Größe eines Baseballfeldes erkennbar sind. Aber natürlich nur, wenn kein Wölkchen am Himmel ist – da ist Hubble klar im Vorteil.

Haarige Angelegenheit

Ein Billiardstel Gramm (0,000000000000001 g) ist gerundet eigentlich gar nicht mehr vorhanden. Für Forensiker jedoch ist eine solch geringe Menge ausreichend, um beispielsweise eine Droge oder K.-o.-Tropfen mithilfe zweier Analysemethoden nachzuweisen: Hochleistungsflüssigkeits-Chromatografie (HPLC) heißt die eine, hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS) die andere. Mit ihnen lässt sich in einem Haar der Hauch einer Substanz herausanalysieren – und das sogar noch Wochen später. Aber nicht nur das: Völlig unbekannt darf die Substanz obendrein auch noch sein. Denn es ist sogar möglich, die Summenformel der aufgespürten Substanz zu ermitteln. Die Stecknadel im Heuhaufen finden – ein Kinderspiel!

Absolute Stille

Bei all dem Trubel jeden Tag wünscht man sich manchmal nichts sehnlicher als Ruhe. In einem Raum der Firma Orfield Laboratories in den US A herrscht extreme Stille. 99,9 Prozent aller Geräusche werden dort absorbiert, übrig bleibt eine Lautstärke von minus neun Dezibel. Zum Vergleich: Das leiseste durch das menschliche Ohr wahrnehmbare Geräusch hat null Dezibel. Eine normale Unterhaltung hat eine Lautstärke von etwa 55 Dezibel, bei einem leisen Flüstern lauschen wir etwa 30 Dezibel. Nirgends auf der Erde ist es so ruhig wie dort. Klingt traumhaft, doch hat es an diesem stillen Örtchen angeblich niemand länger als 45 Minuten ausgehalten.

<b>STED-Mikroskopie</b> Das linke Bild zeigt feinste Fasern des Zellskeletts (Vimentin) und wurde mit der STED-Mikroskopie aufgenommen; zum Vergleich rechts die gleiche Struktur mit einer konventionellen Technik, der konfokalen Mikroskopie. Bild: DKFZ

Spot an

Um das große Ganze zu verstehen, muss man die Dinge manchmal ganz genau unter die Lupe nehmen, besser noch unter ein Mikroskop. Mit einem Lichtmikroskop können beispielsweise so winzige Dinge wie Bakterien beobachtet werden. Bei Strukturen, die kleiner als 200 Nanometer (200 Millionstel Millimeter) sind, stößt das Lichtmikroskop an seine Grenzen. Die größtmögliche Auflösung ist erreicht – Schuld ist die Physik. Ein genauerer Einblick in lebende Zellen ist mit der superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie, der sogenannten STE D-Mikroskopie, möglich: Damit lassen sich Strukturen mit einer Größe von weniger als 20 Nanometern erkennen und sogar molekulare Prozesse beobachten, wie beispielsweise die Entstehung von Proteinen aus Erbinformation oder die Ausschüttung von Botenstoffen zwischen Nervenzellen.

<b>Feinste Waage</b> Das Hauptspektrometer von KATRIN ist 24 Meter lang und hat einen Durchmesser von 10 Metern. Bild: KIT

Die Leichtigkeit des Seins

KATRIN ist extrem empfindlich – sie ist die sensibelste Waage der Welt und soll die Masse von Neutrinos, den kleinsten Bauteilen des Universums, ermitteln. Das Gewicht von Neutrinos wird auf weniger als ein Millionstel der Masse eines Elektrons geschätzt. Dabei wiegt ein Elektron schon so gut wie nichts: rund 10-30 Kilogramm – da stehen hinter dem Komma 29 Nullen, bevor endlich die eins kommt. KATRIN selbst ist übrigens ein Schwergewicht: Über 200 Tonnen bringt sie auf die Waage.

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