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HELMHOLTZ extrem

Das stärkste Magnetfeld

Ein Techniker bei der Vorbereitung einer der Spulen, die das Magnetfeld erzeugen. Bild: HZDR / Uwe Tölle

Extrem anziehend für Magneten und für Materialforscher aus aller Welt ist das Hochfeld-Magnetlabor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Mehr als 90 Tesla stark ist das Feld, das die Forscher dort für wenige Millisekunden erzeugen. Dabei geht es aber nicht um neue Weltrekorde, sondern um die Materialien der Zukunft

Warnlichter blinken, etwa vierzig Zentimeter dicke Sicherheitstüren schließen sich, ein Warnsignal ertönt. Wenn es ernst wird im Hochfeld-Magnetlabor (HLD) des HZDR, darf sich niemand mehr in der Nähe der eimergroßen Spulen aufhalten, die das mehr als 90 Tesla starke Magnetfeld erzeugen. Die Schutzmaßnahmen sollen aber weniger vor dem Magnetfeld selbst schützen als vielmehr vor den Folgen des möglichen Auseinanderreißens der Spulen. Das kommt zwar äußerst selten vor, doch ausgeschlossen ist es eben nicht. Bei ungefähr 25 Tesla liegt die Grenze, bei der eine Spule aus normalem Kupferdraht schlicht zerreißt. Die Spulen bestehen daher aus einer besonders reißfesten Kupferlegierung und sind obendrein mit Zylon umwickelt - einer Kunstfaser, aus der auch schusssichere Westen gemacht sind.

Um ein starkes Magnetfeld zu erzeugen, muss ein starker Stromstoß erzeugt werden. Ein Blick in die neue Kondensatorbank des HZDR. Bild: HZDR / Oliver Killing

Die Kraft, die hier wirkt, ist den meisten Menschen eher aus dem Physikunterricht als aus eigener Anschauung bekannt: Die Lorentz-Kraft ist immer im Spiel, wenn sich Ladungen im Magnetfeld bewegen. Und ein Magnetfeld entsteht eben auch immer dann, wenn sich Ladungen bewegen, also ein Strom fließt. Je stärker der Strom, desto stärker das Magnetfeld und die Lorentz-Kraft. Sie wirkt auf die sich in den Kupferspulen bewegenden Elektronen zurück und drückt sie an den Rand der Kupferdrähte. "Bei 100 Tesla erzeugt sie im Kupfer einen Druck, der dem 40.000-fachen Luftdruck auf Meereshöhe entspricht", sagt Joachim Wosnitza, Leiter des HLD. Normale Kupferdrähte würden explosionsartig reißen, die speziellen Kupferdrähte in ihrem Zylon-Skelett dagegen halten stand. Die Spulen liegen zudem in einem Bad aus flüssigem Stickstoff, denn der elektrische Widerstand würde die Drähte andernfalls so stark erhitzen, dass der Kleber, der Draht und Zylon-Korsett zusammenhält, versagen würde. Der Strompuls lässt die Temperatur der Drähte dann von minus 196 Grad Celsius auf Raumtemperatur ansteigen.

In den Hochfeld-Magnetlaboren geht es jedoch nicht um Rekorde, sondern um die Erforschung von Materialien und ihrer elektromagnetischen Eigenschaften. Je stärker ein Magnetfeld, desto besser können die Forscher diese Eigenschaften untersuchen und vor allem gezielt beeinflussen. Denn starke Magnetfelder sind in der Lage, auf die Bahnen der Elektronen und ihre magnetischen Spins zu wirken und somit die Eigenschaften des Materials zu verändern. Und genau diese Eigenschaften sind es, die in unserer modernen Welt eine große Rolle spielen. Die Forscher untersuchen neue Halbleiter oder supraleitende Stoffe, die bei niedrigen Temperaturen ihren elektrischen Widerstand verlieren.

Eine Magnetspule. Bild: HZDR / Oliver Killig

Ein Beispiel: Erst vor wenigen Jahren entdeckten britische Forscher Graphen. Der Stoff besteht aus Kohlenstoff-Atomen, die in einem Gitter aus einer einzigen Lage der Atome angeordnet sind. Nachdem die Wissenschaftler Graphen erstmals hergestellt hatten, untersuchten sie es in einem Hochfeld-Magnetlabor und entdeckten seine einzigartigen elektronischen Eigenschaften. Eine Entdeckung, die Sir Konstantin Novoselov und Sir Andre Geim den Physik-Nobelpreis einbrachte und künftig etwa bei der Herstellung biegsamer Handy-Displays helfen könnte.

Weltweit gibt es nur ein knappes Dutzend solcher Hochfeld-Magnetlabore. Daher reisen Wissenschaftler aus aller Welt nach Dresden, um im Stark-Magnetfeld zu experimentieren. Ein besonderer Vorteil der Anlage in Dresden ist die Größe des Hohlraums im Inneren der Spule, in der sich die Proben befinden. Er ist mit 16 Millimetern größer als in vergleichbaren Anlagen. Den Weltrekord halten momentan die Kollegen aus dem amerikanischen Los Alamos. Sie konnten im März 2012 die magische 100-Tesla-Marke knacken. Auch in Dresden wird die 100-Tesla-Marke angepeilt. "Unsere Techniker und Ingenieure arbeiten derzeit an einer neuen Spule - wir sind also dran", verrät Joachim Wosnitza.

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