Direkt zum Seiteninhalt springen

Helmholtz weltweit

Zwischen heißen Quellen und herbstlichen Stürmen

Bild: Hannes Hofmann

Der Potsdamer Geotechnologe Hannes Hofmann sorgt dafür, dass in Island mehr Strom aus geothermischen Bohrungen gewonnen werden kann. Gleichzeitig hat er im Blick, dass durch die Bohrungen keine Erdbebenrisiken entstehen.

Eine karge Landschaft, die zum Meer abfällt, am Horizont eine Stadt mit bunten Dächern. Das ist der Panoramablick vom rund 800 Meter hohen Berg Esja bei Reykjavik. Er reicht auch bis zum zeitweiligen Arbeitsplatz von Hannes Hofmann: einer Geothermieanlage am Rande der isländischen Hauptstadt. Obwohl nur dreieinhalb Flugstunden von Deutschland entfernt, stellt Island mit seinen Vulkanen und Geysiren eine ganz eigene Welt dar. 

„Wenn man wenig ergiebige Bohrungen verbessern möchte, kann das mit Umweltrisiken einhergehen – etwa leichten Beben.“

Die Forscher konnten mit sogenannten Geophonen Erdbewegungen in einem Kilometer Tiefe messen. Bild: Jochem Kück

Die Erdwärme ist es, die Hannes Hofmann vom Helmholtz-Zentrum Potsdam nach Island gebracht hat. Hier stammt die Energie ausschließlich aus geothermischen Quellen – das heiße Gestein im Untergrund erhitzt die natürlichen Grundwasser-reservoire. Das extrem heiße Wasser wird über Bohrungen nach oben befördert, um daraus Energie zu gewinnen. „Aber nicht jedes Bohrloch ist so lohnend, wie man es sich erhofft hatte“, sagt der Geotechnologe. Seit 2017 plant Hannes Hofmann an verschiedenen Orten im EU-Projekt DESTRESS sogenannte Stimulationsexperimente. Mit seinen Kollegen probiert er Methoden aus, um bei der Effizienz nachzuhelfen und die Bohrungen „zu stimulieren“, daher auch der Name der Experimente. 
„Uns geht es – und das ist wichtig – um sanfte Stimulationsverfahren für Geothermieprojekte. Wenn man wenig ergiebige Bohrungen verbessern möchte, kann das bei manchen Verfahren mit Umweltrisiken einhergehen – etwa leichten Beben. Wir wollen Verfahren erproben, die das vermeiden und die wir besser kontrollieren können.“ Um das zu tun, verbrachte der 34-Jährige im vergangenen Herbst fünf Wochen auf Island, wo er gemeinsam mit einheimischen Kollegen und Forschern von der ETH Zürich arbeitete.

Auf der Halbinsel Geldinganes, nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum Reykjaviks entfernt, lag im vergangenen Herbst der Einsatzort der Wissenschaftler. Neben dem Bohrloch, das 1.500 Meter in die Tiefe reicht, haben sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen – einen Container. Nur ein schmaler Damm führt auf die Halbinsel. Feucht-kühl ist es im Oktober, gerade einmal zwei bis sieben Grad warm, es regnet die Hälfte des Monats. „Es lag aber ein spezielles Licht über der Landschaft, mir hat diese Atmosphäre unheimlich gut gefallen“, erinnert sich Hannes Hofmann. Seit 2001 gibt es hier bereits ein Bohrloch, dessen Potenzial bislang allerdings nicht voll genutzt werden konnte. Hier rüsteten sie nun mit neuer Technologie auf: Aus dem Bohrloch floss auf natürlichem Wege nicht ausreichend heißes Wasser. Sie injizierten deswegen gezielt Wasser in mehrere extra abgetrennte Bereiche des Bohrlochs. „Generell lässt sich die Leistung erhöhen, indem man Wasser in das Gestein verpresst. Dabei kommt es zum Versatz existierender Rissflächen, die dadurch permanent geöffnet bleiben und so einen besseren Zufluss zur Bohrung ermöglichen. Dabei gehen wir nur schrittweise vor, injizieren nur wenig Wasser, beobachten, wie das System darauf reagiert, und treffen Vorhersagen über die weitere Entwicklung. So können wir unser Vorgehen immer wieder anpassen“, sagt Hannes Hofmann. 

„Wir reagieren nicht nur auf Messungen, sondern haben daneben erstmals in Echtzeit Vorhersagen getroffen, wie sich Magnituden entwickeln könnten.“

Sogenannte perforierte Liner, Stahlrohre mit Löchern, werden in das Bohrloch eingebaut, um es stabil zu halten und gleichzeitig einen Wasserzufluss zu ermöglichen. Bild: Hannes Hofmann

Eine effiziente Nutzung der Bohrstellen wird immer wichtiger: Knapp 130.000 der 360.000 Einwohner Islands leben in Reykjavik an der Westküste. Ihre Zahl steigt kontinuierlich, dazu kommen immer mehr Touristen. Der Energiebedarf des Landes steigt deshalb immer weiter. Heizwärme und Warmwasser werden fast ausschließlich über Geothermie abgedeckt. In Reykjavik wird ein Großteil der Gehwege und Straßen so beheizt – sodass ein Winterdienst hier nicht benötigt wird. Der Strombedarf Islands wird zwar zu rund 75 Prozent aus Wasserkraft abgedeckt – doch der Rest wiederum über geothermische Energie. Zuletzt kam es hier jedoch zu Engpässen, sodass die isländischen Projektpartner, unter ihnen der Energieversorger der Stadt, die Produktivität der bestehenden Bohrlöcher erhöhen möchten. Und wegen der dichten Besiedlung gilt es gleichzeitig, ein Augenmerk auf die Seismizität, also Erdbebenerscheinungen, zu legen. Hier kommen Hannes Hofmann und die anderen Partner ins Spiel. Bei jedem Arbeitsschritt prüfen sie, wie sich die Arbeiten auf den Untergrund auswirken, und messen, ob sich Schwingungen des Bodens feststellen lassen. Ist alles unauffällig, kann weiter gepumpt werden. Eine Besonderheit ihrer Methode: „Wir reagieren nicht nur auf Messungen, sondern haben daneben erstmals in Echtzeit Vorhersagen getroffen, wie sich das seismische Risiko entwickeln könnte. Bei diesem Praxistest hat das sehr zuverlässig funktioniert“, sagt Hannes Hofmann.

Und auch sonst lief alles nach Plan: „Die geologische Situation des Standorts ist vorteilhaft. Bei unseren Tests lag die Magnitude unter null – das ist so schwach, dass man diese Seismizität gerade noch so mit Messgeräten aufzeichnen kann.“ Auch für die Betreiber des Bohrlochs ist das also ein sehr gutes Ergebnis, die neue Bohrungen mit dieser Technik verbessern wollen. Die meisten Isländer unterstützen die Nutzung von Erdwärme. Weil sich aber vor einigen Jahren leichtere Beben in der Nähe eines isländischen Hochtemperatur-Geothermiefelds messen ließen, achten sie dennoch kritischer darauf, ob die Anlagen das Erdbebenrisiko erhöhen könnten.

Bei der Einsatzplanung der Forscher wirkten sich nicht nur geologische, sondern auch meteorologische Besonderheiten aus: Der herbstliche Wind ist Hannes Hofmann besonders in Erinnerung geblieben. „Geldinganes ist für seine Windverhältnisse berüchtigt. Es weht hier so stark, dass geplante Häuser vorerst nicht gebaut werden und sogar ein begonnenes Hafenprojekt nicht umgesetzt wird“, sagt er. Auch den Wissenschaftlern machte der Wind immer wieder zu schaffen, etwa beim Aufbau des hohen Bohrgeräts. „Da ging auch mal einen halben Tag nichts. Die schweren, schwingenden Teile hätten einfach eine Gefahr für die Arbeiter dargestellt.“ Weiter ging es trotzdem. „Die isländischen Projektpartner sind unglaublich erfahren. Außerdem waren sie enorm hilfsbereit und haben selbst nachts um zwei Uhr noch kurzfristig fehlende Teile besorgt. Richtige Macher.“ Dass der Partner vor Ort wirklich interessiert ist, sei das Wichtigste bei solch einer Zusammenarbeit. „Es ist schön zu sehen, wie alle Expertisen zusammenfließen. Die planerische Arbeit hat mir bei aller Anspannung viel Spaß gemacht“, sagt Hannes Hofmann. Die meiste Zeit war er an seinem Arbeitsplatz, erinnert er sich an seinen Einsatz in Island – „aber man bekommt ja immer auch ein Gefühl für das Gastland. Für mich war Island ein Traumziel: Es ist so angenehm bodenständig und sehr freundschaftlich zugegangen.“

<p>„Auch sonst waren wir immer auf Abruf. Da kann schon noch mal spät das Telefon klingeln, weil zu entscheiden ist, wie die Injektion weiterlaufen soll.“</p><p></p>

Bild: Hannes Hofmann

Gewohnt hat das siebenköpfige Team verteilt auf mehrere kleine Hotels. Nett und bequem sei das natürlich gewesen, nur „manchmal etwas skurril“ – nämlich dann, wenn Touristen am Frühstückstisch nebenan munter ihren Urlaubs-tag planten, während Hannes Hofmann und seine Kollegen konzentriert ihren Einsatz am Bohrloch durchsprachen. Die Nicht-Isländer aus dem Team fanden sich trotzdem gut ins Inselleben ein: Wann immer es etwas Zeit gab, planten sie Besuche der Thermalquellen ein. Und wenn sie abends gemeinsam aßen, standen Fisch und Meeresgerichte für Hannes Hofmann obenan. Nur Wal habe er doch gemieden, ebenso wie den „verdorbenen Fisch“ – der fermentierte „Hákarl“, übersetzt auch „Gammelhai“, ist eine isländische Spezialität. Am Bohrloch selbst gab es während der langen Arbeitstage statt Traditionsgerichten ohnehin internationale, schnelle Kost: Burger oder Pommes. 

Überhaupt war hier Effizienz wichtig. Die Arbeiten liefen 24 Stunden, aufgeteilt war der Tag in zwei Schichten. „Und auch sonst waren wir immer auf Abruf. Da kann schon noch mal spät das Telefon klingeln, weil zu entscheiden ist, wie die Injektion weiterlaufen soll.“ Weiter pumpen, weil die Daten besser sind als erwartet, oder doch lieber aufhören wie geplant? „Ach, es war ja alles zigmal durchgespielt – dann sind solche Entscheidungen auch mitten in der Nacht machbar“, sagt Hannes Hofmann. Und den Nachtschichten konnte er noch einen Zauber abgewinnen: „Wir konnten sogar Polarlichter über der Bohranlage beobachten.“  

Bild: Hannes Hofmann

Das Projekt DESTRESS

DESTRESS („Demonstration of soft stimulation treatments of geothermal reservoirs“) untersucht, wie sich Geothermieanlagen effizienter nutzen lassen. Es testet neue Verfahren, die das ohne Umweltrisiken ermöglichen sollen. Das von Helmholtz koordinierte EU-Projekt baut auf früheren Projekten auf und ermöglicht nun Tests weltweit: Direkt beteiligt sind 18 Partnerinstitutionen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Litauen, den Niederlanden, der Schweiz und Südkorea. Überall bis auf Großbritannien fanden auch Experimente statt – zudem in Island und Ungarn. Das Projekt hat eine Förderzeit von knapp fünf Jahren und läuft noch bis Ende November 2020.
 

Zum Projekt

Leser:innenkommentare