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Wasserhaushalt des Körpers

Wie durstig macht Salz wirklich?

Von salzigem Essen muss man mehr trinken? Zwei neue Studien könnten genau das Gegenteil zeigen. (Bild: Shutterstock)

Während einer simulierten Marsmission überprüften Forscher, wie Salz im Essen das Trinkverhalten beeinflusst. Sie kamen auf erstaunliche Ergebnisse. Probanden mit mehr Salz in der Nahrung tranken weniger, erzeugten mehr Wasser im Körper und bekamen Hunger.

Salz macht durstig. Das ist eine Binsenweisheit. In der Raumfahrtforschung ging man bisher davon aus, dass Astronauten deshalb eine möglichst salzarme Ernährung erhalten sollten, um auf ihren langen Reisen Wasser zu sparen. Nun haben Forscher vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max Delbück Centrums für Molekulare Medizin (MDC) und anderer Einrichtungen zwei Studien erstellt, die genau das Gegenteil zeigen könnten.

Für ihre Untersuchungen begleiteten die Forscher eine Langzeitstudie der russischen Weltraumorganisation Roskosmos und ihres europäischen Pendants, der ESA, mit der die Bedingungen einer Marsmission simuliert werden sollten. Über einen Zeitraum von 105 und 205 Tagen wurde nicht nur Nahrungs- und Getränkezufuhr der zehn Probanden genauestens kontrolliert, sondern auch ihre Ausscheidungen überwacht. Die Forscher reduzierten dabei die Menge an Kochsalz nach einem Monat von zwölf Gramm pro Tag auf neun Gramm. Einen weiteren Monat später auf sechs Gramm. Im 205 Tage dauernden Versuch wurde sie dann wieder schrittweise angehoben.

Das Experiment  zeigte, dass salziges Essen nur kurzfristig den Durst verstärkt. Die Probanden tranken insgesamt weniger, wenn sie mehr Salz aßen.

“Unsere Ergebnisse widersprechen der eigenen Intuition“, sagt Friedrich Luft, Professor an der Charité und einer der Studienautoren. “Denn anders als wir es erwartet hätten, blieb die Flüssigkeitsaufnahme bei salzigerem Essen nicht nur konstant, sie ging teilweise sogar etwas zurück. Dafür erhöhte sich der Salzgehalt des Urins.“

Salz ist für den Körper lebenswichtig

Kochsalz, chemisch Natriumchlorid (NaCl), ist für den Körper von großer Bedeutung. Denn das darin enthaltene Natrium ist nicht nur an der Regulierung des Blutdrucks beteiligt, sondern spielt auch bei der Übertragung von Nervenimpulsen eine wichtige Rolle. Eine tägliche Aufnahme ist deshalb essenziell.

Das sprichwörtliche Salz in der Suppe versteckt sich heute bereits in vielen industriell verarbeiteten Lebensmitteln in ausreichender Menge. Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt bei fünf Gramm pro Tag. Nachgewürzt wird trotzdem oft. Ein Zuviel an Salz wird aber nach heutigem Erkenntnisstand mit Bluthochdruck und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems in Verbindung gebracht. Um die Natriumkonzentration im Organismus stabil zu halten, bindet der Körper überschüssiges Salz an Wasser, sodass es über den Urin ausgeschieden wird. Die logische Schlussfolgerung: Es entsteht ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf – salziges Essen macht also durstig.

Dass die Studie zum gegenteiligen Ergebnis kommt, versetzte nicht nur die Wissenschaftler in Erstaunen. Die Daten hätten auch die Gutachter des Fachmagazins Journal of Clinical Investigation, in dem die Studie nun erschienen ist, irritiert, erläutert Luft. Weitere Untersuchungen am Tiermodell waren deshalb nötig.

Salz macht nicht durstig, sondern hungrig

“Wir müssen die Wasserhomöostase, also das Gleichgewicht von Wasser im Körper als eine gemeinsame Anstrengung der Leber, der Muskeln und der Nieren sehen,“ resümiert Studienleiter Jens Titze, Professor am Universitätsklinikum Erlangen-Nürnberg und an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee das Ergebnis der zweiten Studie.

Die weist darauf hin, dass Harnstoff eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Wasserhaushalts spielen könnte. Harnstoff entsteht bei vielen Lebewesen in der Leber und in der Skelettmuskulatur und gilt gemeinhin als ein Abbauprodukt des Stoffwechsels.

Bei den Mäusen, so die Forscher, schien Harnstoff aber noch etwas Anderes zu bewirken. Er löste die Bindung zwischen Natriumchlorid und Wasser. Damit stieg die Salzkonzentration im Urin während ein Teil des Wassers dem Körper wieder zugeführt wurde. “Harnstoff ist nicht nur ein Abfallprodukt, wie wir bisher angenommen hatten,“ erklärt Luft. “Stattdessen erweist er sich als ein sehr wichtiger Osmolyt. Das ist eine Verbindung, die Wasser an sich bindet und so hilft, es zu transportieren. Harnstoff hält das Wasser im Körper, wenn wir Salz ausscheiden.“

Die Harnstoffsynthese ist allerdings sehr energieaufwändig. Das spiegelt sich einerseits in den Aussagen der Studienteilnehmer wider, die bei salzreicher Kost über Hungergefühl klagten. Andererseits musste bei den Versuchstieren die Nahrungszufuhr um 25 Prozent erhöht werden, um das Körpergewicht stabil zu halten.

Bevor man jetzt beherzt zum Salzstreuer greift, ist jedoch Vorsicht geboten. Erst müssen die Ergebnisse in weiteren Studien repliziert werden. Sollten die Forscher mit Ihrer These dann immer noch richtigliegen, wäre der Regelmechanismus für Salz im Körper wesentlich komplexer als bisher gedacht. Dann müssten auch die negativen Wirkungen von zu viel Salz auf Blutdruck und Herz-Kreislaufsystem aus diesem neuen Blickwinkel betrachtet werden.

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