Standpunkt

Wenn globale Beschlüsse vage bleiben, gewinnt lokales Handeln an Gewicht

Katja Matthes ist Direktorin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Koordinatorin der Dialogplattform Helmholtz KLIMA. Bild: Marie Becker, GEOMAR

Trotz der wenig konkreten Abschlusserklärung zeigt die COP30, dass der Multilateralismus trägt. Gleichzeitig gewinnt eine gemeinsame europäische Stimme an Gewicht.

Die Weltklimakonferenz hat verheißungsvoll begonnen: Eine engagierte brasilianische Präsidentschaft setzte mit dem Tropenwaldfonds und dem „Global Mutirão“, der weltweiten Kraftanstrengung, deutliche Signale. Die Blue Zone in Belém vibrierte: Umweltorganisationen, indigene Gruppen, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und nicht zuletzt die Forschung nutzten die Bühne, um Perspektiven, Forderungen und wissenschaftliche Evidenz in die Debatten einzuspeisen. Diese Vielfalt an Stimmen ist ein Reichtum – und war ein spürbarer Gegenpol zu den politischen Blockaden, die sich im Laufe der Verhandlungen abzeichneten.

Die Abschlusserklärung enthält ein klares Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen, das sich in diesem Jahr zum zehnten Mal jährt. Dieses Jubiläum hätte Anlass sein können – und müssen –, die bisherigen Fortschritte kritisch zu bilanzieren und einen starken Impuls zu setzen: Denn entschlossenes Handeln in diesem Jahrzehnt ist vermutlich unsere letzte Chance, die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen. Doch das Bekenntnis bleibt abstrakt. Angesichts der vorliegenden Daten und Modelle wäre es dringend notwendig gewesen, die Abschlusserklärung mit konkreten Fahrplänen zu versehen.

Beispiel fossile Energien: In vier Jahren wird das verbleibende CO₂-Budget für das 1,5-Grad-Ziel aufgebraucht sein, das zeigt das jüngst veröffentlichte Global Carbon Budget. Ein verbindlicher Fahrplan für den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist unverzichtbar auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität. Trotz eines breiten Bündnisses von über 80 Staaten konnte sich die Forderung nicht im Konsens durchsetzen. Das Wort „fossil“ findet sich in der Abschlusserklärung nicht einmal wieder.

Beispiel Ozean: 90 Prozent der überschüssigen Wärme und rund ein Viertel des anthropogenen CO₂ nimmt der Ozean auf. Ohne diese gigantische natürliche Klimaanlage wäre der Klimawandel bereits erheblich weiter fortgeschritten. Dennoch spielt der Ozean im Abschlussdokument nur eine marginale Rolle. Dabei wäre eine klare Agenda für Meeresschutz und -beobachtung sowie ozeanbasierte Klimalösungen dringend geboten, um diese lebenswichtige Ressource zu erhalten und ihr Potenzial in der Bewältigung der Klimakrise auszuschöpfen.

Die Abschlusserklärung selbst ist also nicht der Erfolg dieser COP. Ich sehe jedoch einen anderen, leiseren Erfolg: Trotz globaler Krisen verhandelte die Welt in Belém gemeinsam über eine der größten Herausforderungen unserer Zeit – und kam zu einem Konsens. Das mag in seiner Substanz hinter den wissenschaftlichen Erfordernissen und den Erwartungen der globalen Gesellschaft zurückbleiben. Doch wenn sich während der Verhandlungen immerhin 80 Staaten hinter einem Fahrplan für den fossilen Ausstieg versammeln und konkrete nächste Schritte skizzieren, dann zeigt das: Der Multilateralismus trägt. Gleichzeitig gewinnt eine gemeinsame europäische Stimme an Gewicht – gerade dann, wenn andere Akteure den Verhandlungstisch verlassen.

Ich hoffe sehr, dass aus Belém die Erkenntnis bleibt, dass strategische Allianzen jene Themen voranbringen können, die nicht an das Konsensprinzip gebunden sind. Mit ihrer lösungsorientierten Forschung kann die Helmholtz-Gemeinschaft hierzu einen entscheidenden Beitrag leisten. Das hat die Helmholtz-KLIMA-Kampagne zum zehnjährigen Jubiläum des Pariser Abkommens in den vergangenen Wochen eindrücklich gezeigt. Wissenschaft kann Orientierung geben, Optionen aufzeigen und Wege zur Umsetzung sichtbar machen. Gerade wenn globale Beschlüsse vage bleiben, gewinnt evidenzbasiertes regionales Handeln an Bedeutung.

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