EU-Bürgerinitiative
„Wasser ist ein Menschenrecht“
„Right2Water“ ist die erste EU-Bürgerinitiative, die es bis zu einer öffentlichen Anhörung vor der EU-Kommission geschafft hat. Wir sprachen mit Wolfgang Köck, Umweltjurist am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), über die Initiative, die Privatisierung der Wasserversorgung und Wasserknappheit in Südeuropa
Im Europäischen Parlament findet heute erstmals die Anhörung einer Europäischen Bürgerinitiative statt. Die Initiative "Right2Water" setzt sich dafür ein, dass der Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung ein Menschenrecht sein soll. Auch geht es darum, die Liberalisierung des Marktes für die EU-Wasserressourcen zu verhindern. Die Initiative stieß auf große Resonanz: Um überhaupt im EU-Parlament angehört werden zu können, musste sie mehr als eine Millionen Stimmen in sieben Mitgliedstaaten sammeln - insgesamt unterzeichneten schließlich rund 1,9 Millionen Menschen. Wir sprachen mit Wolfgang Köck, Umweltjurist am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ.
Wasser ist eine wertvolle Ressource. Hat denn jeder einen Anspruch auf Trinkwasser?
Nicht im Sinne eines absoluten Rechtsanspruches. Die Bewirtschaftung der Wasserressourcen obliegt in Deutschland dem Staat. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Trinkwasserversorgung bei der Nutzung des Wassers die höchste Priorität erhält. Traditionell kümmern sich darum in Deutschland die Kommunen. Sie haben einen Auftrag zur Daseinsvorsorge, wie es juristisch heißt. Menschen, die in Siedlungen wohnen, haben einen Anspruch darauf, an das Trinkwasserversorgungssystem angeschlossen zu werden; es gibt sogar einen Anschluss- und Benutzungszwang, um die Nutzung dieses Versorgungssystems sicherzustellen. Streiten kann man darüber, bis zu welchem Grade Splittersiedlungen und Einzelgehöfte zwingend anzuschließen sind.
In Europa aber sind laut der Bürgerinitiative zwei bis drei Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. Woran liegt das?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Es gibt in Europa zwar strenge Zielvorgaben, was die Gewässerqualität - vor allem die des Trinkwassers - angeht. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Die Frage ist: Verfügen alle Mitgliedstaaten über geeignete Instrumente, um diese Qualitätswerte zu erreichen? Den Schutz der Trinkwasserressourcen zu gewährleisten, ist besonders schwierig, wenn die Trinkwassergewinnung aus dem Grundwasser nicht mehr ausreicht, sondern auch Oberflächenwasser hinzukommt - denn diese Gewässer sind besonders anfällig und vielfältigen Nutzungsanforderungen ausgesetzt. In Deutschland geht es uns gut - unser Wasser kommt zu knapp 80 Prozent aus dem Grundwasser und das ist natürlicherweise sehr gut geschützt. Und wir haben wirkungsvolle Instrumente, wie etwa die Einrichtung von Wasserschutzgebieten, damit dies auch so bleibt.
Und wie ist es in Europa generell um unsere Wasservorräte bestellt?
In einigen Ländern ist der Zustand besorgniserregend, etwa in Spanien. Aber auch in Zypern sind nur noch 20 Prozent der Grundwasserreservoire in einem guten mengenmäßigen Zustand - selbst in Dänemark sind es nur gut 60 Prozent. Diese Zahlen aus Berichten der Mitgliedstaaten an die EU-Kommission haben auch mich überrascht. Sie deuten auf eine Übernutzung der Grundwasserressourcen hin, sprich: Die Entnahme von Grundwasser ist in mehreren Ländern also höher als die natürliche Neubildung. Das heißt zwar nicht, dass es schon zu Engpässen in der Trinkwasserversorgung kommt, aber schlechte mengenmäßige Grundwasserzustände verschärfen das Risiko.
Welche Konsequenzen wird das in Zukunft haben?
Es könnte zu Knappheit und einer zunehmenden Konkurrenz zwischen Wassernutzern kommen, zwischen Landwirtschaft und Privatpersonen etwa. Hier gilt es, Prioritäten bei der Wassernutzung zu setzen. Sicherlich könnte es da helfen, wenn der Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht international verbindlich anerkannt wäre.
Und wie weit ist die Initiative mit ihren Anliegen schon gekommen?
Ob es schon ein Menschenrecht auf Wasser gibt, ist unter Völkerrechtlern noch umstritten. Argumentationsansätze dafür sind zumindest vorhanden. Unabhängig davon, was die Initiative zukünftig noch bewirken kann, hat sie aber ein Hauptziel schon erreicht.
Sie spielen auf die Pläne der EU zur "Liberalisierung an der Wasserversorgung" an.
Ja, die EU wollte eine Richtlinie einführen, nach der die Kommunen die Wasserversorgung in europaweiten Vergabeverfahren hätten ausschreiben müssen, womöglich zum Vorteil großer Konzerne. Die Initiative hat bewirkt, dass die Kommission die so genannte Konzessionsvergaberichtlinie entschärft und den Wassersektor ausgeklammert hat. Die Angst vor Privatisierung hat die Initiative sicherlich stark beflügelt.
Es heißt: "Wenn die Trinkwasserversorgung privatisiert wird, steigen die Preise, während die Qualität nachlässt." Ist diese Sorge berechtigt?
Das ist schwer zu sagen, das müssen wir stetig beobachten. Jemand, der ein Wasserleitungsnetz privat betreibt, ist ein natürlicher Monopolist und beherrscht den Markt. Er unterliegt aber auch der Missbrauchsaufsicht der Kartellbehörden. Meines Erachtens ist die Frage zweitrangig, ob privater oder öffentlicher Wasseranbieter, solange wir ein funktionierendes Rechtssystem haben, in dem die Anbieter Pflichten haben - etwa flächendeckend zu arbeiten, die Wasserressourcen zu pflegen und angemessene Preise zu verlangen - und staatliche Behörden darüber wachen, dass die Anbieter diesen Pflichten nachkommen. Ich bin optimistisch: In der EU sollten wir in der Lage sein, diese Erfordernisse durchzusetzen und damit den Risiken, die eine Privatisierung mit sich bringen könnte, wirkungsvoll zu begegnen. Wir verfügen ja auch schon über Erfahrungen mit privaten Wasserversorgern in Deutschland. In Entwicklungsländern scheint der private Sektor nach Auffassung vieler Experten gar die einzige Chance zu sein, eine geregelte Wasserversorgung zu etablieren. Allerdings ist es unerlässlich, die Erfahrungen mit diesen Projekten sorgfältig auszuwerten.
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