Nervenleiden
Was ist ALS?
Die sozialen Netzwerke wimmeln von Menschen, die sich mit Eiswürfeln überschütten. Diese „ALS Ice Bucket Challenge“ hat einer amerikanischen Organisation Dutzende Millionen Euro zusätzliche Spenden beschert, um gegen die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zu kämpfen. Wir erklären, was ALS ist und wie die Spendengelder in der Forschung tatsächlich für Fortschritt sorgen könnten
Das Problem ist, dass man das Problem nicht kennt. Was genau die Amyotrophe Lateralsklerose - kurz ALS auslöst, wissen Forscher bisher noch nicht. Fest steht nur: Es sind die Nervenzellen betroffen, die die Muskelbewegungen kontrollieren, die sogenannten Motorneurone. Bei ALS-Erkrankten fangen diese Nervenzellen aus bisher ungeklärten Gründen an, allmählich zu verkümmern, was zu verschiedensten Beschwerden führen kann.
Die ersten Anzeichen sind meist als Zuckungen an Händen und Füßen zu erkennen. Dort können die Nervenzellen die Muskulatur nicht mehr vollständig kontrollieren. Im Laufe der Zeit lassen die Zuckungen an den Händen und Füßen nach, sie hängen nur noch schlaff herab. Die Krankheit scheint dabei ausschließlich die Nervenzellen zu betreffen, mit denen der Körper die Muskeln kontrolliert. Nervenzellen, die Sinneseindrücke ins Gehirn leiten, sind nicht gestört – der Erkrankte empfindet also noch alle Berührungen und Bewegungen wie ein Gesunder, nur hat er seine Muskeln eben immer weniger unter Kontrolle. Nach den Beeinträchtigungen der Hände und Füße versagen langsam auch die Nervenzellen, die größere Muskeln steuern: Arme und Beine werden schlaff, gelegentlich kommt es auch zu schmerzhaften Krämpfen. Auch die Gesichtsmuskulatur kann bald nicht mehr kontrolliert werden, das Gesicht erscheint zunehmend ausdruckslos und eingefallen. Schließlich versagen auch Zunge, Gaumen, Rachen und Kehlkopf ihre Dienste, bis es zum Tod durch Erstickung oder durch Einatmen eines Fremdkörpers in die Bronchien kommt.
ALS ist extrem selten, nur ein bis drei von 100.000 Menschen erkranken jedes Jahr daran. Die meisten von ihnen sind zwischen 50 und 70 Jahren alt, bei einer noch selteneren Variante sind auch jüngere Patienten zwischen 25 und 35 Jahren betroffen.
Obwohl die Wissenschaft die biochemischen Vorgänge, die sich in den erkrankten Nervenzellen abspielen, bislang nur vage versteht, gibt es immerhin Hinweise, dass in einigen Fällen genetische Faktoren die Krankheit verursachen. Bei etwa zehn Prozent der Erkrankten ist die Krankheit in der Familie schon einmal aufgetreten, was darauf hindeutet, dass ALS in diesen Fällen vererbt wurde. Inzwischen hat man bei diesen familiären Fällen eine Reihe von mutierten Genen identifiziert, auf die ALS womöglich zurückzuführen ist. Bei der großen Mehrheit der Erkrankten, nämlich denjenigen 90 Prozent, bei denen es keine familiäre Häufung gibt, konnte man bislang allerdings noch keinen eindeutigen Auslöser ausmachen. Die mehreren Dutzend Millionen zusätzlichen Forschungsgelder, die man durch die Ice Bucket Challenge eingenommen hat, dürften daher vor allem in die Ursachenforschung fließen. Denn erst wenn das Problem identifiziert ist, lässt es sich auch wirkungsvoll behandeln.
Bis dahin kann die ideale Therapie am ehesten ein interdisziplinäres Team aus Pflegern, Ergo- und Physiotherapeuten und verschiedenen Fachärzten leisten, das individuell auf die einzelnen Lähmungen und Beschwerden eingeht. Doch es ist eine Behandlung der Symptome, ohne Chance auf Heilung. Bestimmte Medikamente können das Fortschreiten der Erkrankung zwar verlangsamen, ganz stoppen lässt sie sich bislang leider nicht. Die meisten Erkrankten sterben innerhalb von fünf Jahren, nur in Ausnahmefällen überleben Patienten zehn Jahre oder mehr.
Auch Sie können spenden, etwa über die Website der Initiative Therapieforschung ALS
In der Helmholtz-Gemeinschaft beschäftigen sich Wissenschaftler des Virtuellen Instituts RNA-Dysmetabolismus bei ALS und FTD mit dem Thema.
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