Interview
Vulkanismus im Vogtland?
Im Dreiländereck zwischen Bayern, Sachsen und Böhmen steigen immer mal wieder vermehrt Kohlendioxid aus dem Boden auf. Vorzeichen eines wiedererwachenden Vulkans? Horst Kämpf vom GeoForschungsZentrum Potsdam und Karin Bräuer vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung erklären, was dort vor sich geht.
Interview mit Horst Kämpf vom Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ und Karin Bräuer vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig/Halle.
Steigt im Vogtland derzeit tatsächlich mehr Gas an die Oberfläche?
Kämpf: Das ist schwer zu beantworten, weil es keine Langzeitmessungen des CO2-Flusses gibt, wir also den Normalzustand oder die üblichen Schwankungen der Werte nicht kennen. Eine Veränderung im CO2-Fluss im Zusammenhang mit Schwarmbeben wurde wiederholt an der Wettinquelle in Bad Brambach registriert.
Bräuer: Die aufsteigenden Gase werden ja schon seit Jahrhunderten von den dortigen Kurbädern genutzt. Wenn man da aber kein Messgerät drüber hält oder eine Auffangglocke, dann bekommen Sie auch nicht mit, ob zeitweise mehr Gas aufsteigt. 2014 wurde offenbar gerade vor und während des Schwarmbebens der CO2-Fluss gemessen und ein deutlicher Anstieg festgestellt. Dass während eines Bebens Wegsamkeiten entstehen, ist jedoch nichts Besonderes. Woher das vermehrte CO2 stammt, kann man durch diese Flussmessungen nicht sagen.
Steigt dort denn nur Kohlendioxid auf?
Bräuer: Zu 99 Prozent. Das restliche Prozent besteht im Wesentlichen aus Stickstoff, Sauerstoff und Argon sowie geringen Anteilen von Helium Neon, Methan und höheren Kohlenwasserstoffen.
Sind die aufsteigenden Gase denn irgendwie gefährlich?
Bräuer: Zunächst einmal nicht – Kohlendioxid ist in jeder Sprudelflasche. Aber wenn Sie direkt den Kopf reinhalten oder ein Kleinlebewesen auf der Bodenoberfläche sind, würden Sie an Sauerstoffmangel ersticken, weil CO2 schwerer ist als Luft und sich in Bodennähe ansammelt.
Den Schwarmbeben und dem aufsteigenden Gas liegen doch aber Magmabewegungen in der Erdkruste zugrunde. Könnte dort ein Vulkan vor dem Ausbruch stehen?
Kämpf: Die Isotopenzusammensetzung von Gasen und Flüssigkeiten in der Erdkruste unterscheidet sich von der im Erdmantel, am Helium sieht man das besonders deutlich. Durch die Analyse der Isotopenzusammensetzung von Helium und Kohlenstoff wissen wir, dass das meiste Gas aus dem Erdmantel stammt. Detaillierte, mehrjährige Zeitreihenuntersuchungen der Isotopenzusammensetzung der Gase haben gezeigt, dass es unter diesem Gebiet verdeckte magmatische Intrusionen gibt. Intrusion heißt: Magma steigt aus 25 bis 80 Kilometer Tiefe auf in Richtung Oberfläche, bleibt aber irgendwo in der Kruste stecken. Es gibt inzwischen auch erste seismologische Indizien dafür, dass die Magmen eventuell sogar in die Tiefen der Schwarmbebentätigkeiten aufsteigen könnten, also in elf bis sechs Kilometer.
Bräuer: Bei aktivem Vulkanismus tritt das Magma an der Erdoberfläche aus.
Könnte nicht aus dem aufsteigenden Magma eines Tages Vulkanismus werden?
Kämpf: Wir müssen uns als Naturwissenschaftler abgrenzen gegen Aussagen, die dem Sensationsjournalismus geschuldet sind. Ich kann nicht sagen: „Es droht Vulkanismus“, weil wir die Phänomene noch nicht richtig einordnen können. Aber ich erkenne ein potenzielles zukünftiges vulkanisches Risiko und die Notwendigkeit einer verstärkten Überprüfung. Nur gibt es für Deutschland zurzeit noch keine Forschung in Bezug auf magmatische bzw. potentiell vulkanische Gefährdung.
Wer wäre denn dafür verantwortlich?
Kämpf: Das müssen eigentlich die Länder mit ihren geologischen Diensten machen, beginnend in einer Bund-Land-gestützten Forschung. Aber die Länder haben nach meiner Information noch keine Isotopengeochemie-Spezialisten, die diese Art der Forschung betreiben können. Was auf Länderebene existiert, ist die Zusammenarbeit mit Seismologen, die die Erdbebentätigkeit überwachen. Damit allein kommen Sie aber im Dreiländereck zwischen Bayern Sachsen und Böhmen oder in der Eifel nicht weiter.
Wie müsste diese Forschung ausstehen?
Kämpf: Wir brauchen eine permanente, langfristig angelegte Überwachung mit Gas- und Isotopenuntersuchungen so wie es die Seismologen zur Überwachung der Erdbebentätigkeit seit mehr als 100 Jahren machen. Wie bei den Seismologen auch muss die Überwachung der Gefährdung in Phasen der Ruhe beginnen, nicht erst im Krisenfall.
Müssen sich die Bewohner im Vogtland jetzt Sorgen machen (weil die Regierung nichts unternimmt?)
Kämpf: Aus wissenschaftlicher Sicht sehen wir Handlungsbedarf in Bezug auf die oben skizzierte potentielle Gefährdung, wobei zurzeit noch keine direkten Anzeichen für eine drohende Vulkaneruption in Westböhmen, Westsachsen und NE-Bayern vorliegen.
Leser:innenkommentare