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Weltnichtrauchertag 2014

So einfach geht Leben retten!

Bild: Photocapy - Flickr, <a external="1" class="external-link" target="_blank" href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de"> CC BY-SA 2.0</a>

Wir brauchen sofort eine Erhöhung der Tabaksteuer, fordert das „Aktionsbündnis Nichtrauchen“. Martina Pötschke-Langer erklärt, warum

Hohe Tabaksteuern retten Leben. Je mehr Geld Raucher für ihr gesundheitsschädliches Verhalten ausgeben müssen, desto weniger rauchen sie. Weniger Menschen fangen an zu rauchen, mehr hören auf damit - und sie alle leben länger.

Ein Effekt, den wir auch in Deutschland schon eindrucksvoll erleben konnten. Als von 2002 bis 2005 die Tabaksteuern jedes Jahr um zehn Prozent angehoben wurden, sank der Tabakkonsum drastisch. Rauchten die Deutschen 2002 noch 145 Milliarden Fabrikzigaretten, so waren es im Jahr 2005 nur noch 96 Milliarden. Zwar verdoppelte sich im gleichen Zeitraum der Konsum von "Selbstgedrehten", die deutlich geringer besteuert und damit billiger sind. Trotzdem lag der Gesamtverbrauch im Jahr 2005 um fast 50 Milliarden Zigaretten unter dem von 2002. Die Zahl der Raucher ging zurück, vor allem aber fingen weniger Kinder und Jugendliche mit dem Qualmen an - so dass der Anteil der Raucher in der Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen besonders stark fiel, von 28 Prozent (2001) auf nur noch 20 Prozent (2005). Die Glimmstängel waren den Kids einfach zu teuer geworden.

Das war ein so beachtlicher Erfolg, dass man denken sollte, die Politik habe in den Folgejahren mit ihrer Steuerpolitik so weitergemacht. Aber nein! Die neue schwarz-rote Regierung mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin verzichtete von 2006 an auf weitere Steuererhöhungen. Die Tabakindustrie freute sich. Sie ist ohnehin der Auffassung, hohe Tabaksteuern führten lediglich dazu, dass mehr geschmuggelte Zigaretten konsumiert würden. Schließlich brächten Schmuggler ihre Ware bevorzugt in Länder, in denen legale Zigaretten besonders teuer sind, weil dann ihre Gewinnspanne größer werde. Nur hat diese Logik eine entscheidende Schwachstelle: Im Gegensatz zum eindeutig positiven Effekt der hohen Steuern lässt sich ein Explodieren des Schwarzmarkts bis 2005 nicht einmal in Ansätzen nachweisen. Im Gegenteil: Zwischen 2002 und 2004 wurden sogar weniger geschmuggelte Zigaretten beschlagnahmt, nur 2005 gab es einen leichten Ausschlag nach oben.

Offenbar sind, was die Attraktivität des Schmugglergeschäfts angeht, andere Faktoren viel bedeutender als die Steuerpolitik: funktionierende Netzwerke des organisierten Verbrechens zum Beispiel, das Ausmaß der Korruption in einem Land oder der Effektivität polizeilicher Verfolgung. Alles Faktoren, die Deutschland nicht zu einem Traumland für den Zigarettenschmuggel machen.

Es wäre unfair zu behaupten, dass die Bundesregierung zwischen 2006 und 2011 gänzlich untätig gewesen sei. Allerdings begnügte sie sich mit der Fortführung von Maßnahmen, die schon parallel zu den Steuererhöhungen eingeführt worden waren: dem Verbot von Tabakwerbung im Kino vor 18 Uhr zum Beispiel, größeren Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen oder dem Verbot von Gratiszigaretten. Ein paar neue Restriktionen kamen hinzu: So muss man seit 2007 mindestens 18 Jahre alt sein, um Zigaretten kaufen zu dürfen, und die Tabakwerbung wurde in Printmedien und im Internet verboten. Das Bundesnichtraucherschutzgesetz von 2007 und die Landesnichtraucherschutzgesetze von 2007 und 2008 verdrängten das Rauchen zunehmend aus dem öffentlichen Bild. Der Erfolg blieb aber überschaubar: 2011 rauchten die Deutschen immer noch 88 Milliarden Zigaretten, gerade mal acht Milliarden weniger als sechs Jahre zuvor.

Das Fazit dieser Analyse könnte eindeutiger eigentlich nicht ausfallen: Höhere Steuern müssen her! Doch die Mini-Erhöhung, zu der sich die Bundesregierung 2011 schließlich durchrang, war eher homöopathischer Natur - und bestenfalls heilsam für das Staatssäckel. Mit knapp fünf Euro Durchschnittspreis pro Zigarettenpackung ist Deutschland weit entfernt von jenen sieben Euro pro Packung, die Raucher laut einer SPIEGEL-Befragung zu einem Rauchstopp bewegen könnten.

Die Quittung dafür hat die Bundesrepublik nun bekommen. Im jüngst veröffentlichten "Tobacco Control Scale in Europe", einer europaweite Rangliste für vorbildliche Tabakkontrollpolitik, belegt sie den vorletzten Platz. Deutschland bleibt ein Märchenland für die Tabakindustrie, wie ein Vergleich mit den Spitzenreitern des Rankings zeigt: Neben Bulgarien sind wir das einzige EU-Land, das großflächige Plakatwerbung erlaubt. Anders als in den meisten Ländern ist in Deutschland der Verkauf von Zigaretten in Supermärkten und Tankstellen erlaubt, in unseren Straßen darf die Industrie immer noch ihre Zigarettenautomaten (350.000 an der Zahl!) aufstellen, in den Läden dürfen Tabakwaren sichtbar für alle Kunden ausgestellt werden. Besonders erschreckend: Während die Spitzenreiter im Ranking mit emotionalisierenden Kampagnen gegen das Rauchen mobil machen, investiert Deutschland gerade einmal eine Million Euro im Jahr in Aufklärungsbroschüren. Zum Vergleich: Die Tabakindustrie lässt sich ihre Werbung 270 Millionen Euro kosten - jedes Jahr.

Lange wird sich die Bundesregierung nicht mehr vor einer erneuten, kräftigen Erhöhung der Tabaksteuer drücken können - eine Erhöhung von mindestens zehn Prozent im Jahr, über mehrere Jahre hinweg. Anders wird es nicht gelingen, den Raucheranteil weiter zu senken. Warum aber handelt die Politik nicht längst?

Genau diese Frage stellt das "Aktionsbündnis Nichtrauchen", in dem führende Gesundheitsverbände und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, darunter das zur Helmholtz-Gemeinschaft gehörende Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Anlässlich des diesjährigen Weltnichtrauchertages am 31. Mai fordert das Aktionsbündnis: "Macht endlich Ernst mit dem vollständigen Verbot von Tabakwerbung, verbietet die Riesenplakate, schreibt Nichtrauchergesetze ohne Hintertürchen wie Raucherräume oder Ausnahmen für Kneipen. Sorgt dafür, dass Schockbilder auf die Vorderseite von Zigarettenpackungen kommen, die die medizinischen Folgen des Rauchens plastisch vor Augen führen. Vor allem aber: Erhöht endlich die Steuern - in einem Zug statt in kleinen Schritten. Und lasst auch hier keine Ausnahmen mehr zu. Selbstgedrehte Zigaretten gehören genauso besteuert wie fabrikfertige.

Schön wäre es, wenn alle zusätzlichen Einnahmen eingesetzt würden, um den Zigarettenschmuggel zu bekämpfen und Programme zur Tabakprävention aufzulegen, etwa, um Rauchern das Abgewöhnen zu erleichtern. So könnte die Tabaksteuer nicht nur einmal Leben retten, sondern gleich zweimal.

Weltnichtrauchertag 2014 - Tabaksteuererhöhungen und Rauchverhalten in Deutschland

Tabakprävention in Deutschland - was wirkt wirklich? (DKFZ)

Gesundheit auf der Kippe - Tabaksteuern rauf, Tabakkonsum runter (Aktionsbündnis Nichtrauchen)

Martina Pötschke-Langer. Bild: Tobias Schwerdt

Martina Pötschke-Langer leitet die 1997 eingerichtete Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ. Die Medizinerin berät das Bundesministerium für Gesundheit, die WHO und die EU-Kommission in Fragen der Tabakprävention. 

Ihre Waffe ist die Wahrheit - Portrait aus den Helmholtz Perspektiven

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