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Blickwinkel

Sind E-Fuels eine sinnvolle Alternative?

Bis zu 200 Liter synthetisches Kraftstoffgemisch pro Tag produziert die Containeranlage im Energy Lab 2.0 (Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT)

Seit Monaten wird in Deutschland und Europa darüber diskutiert, ob und wie synthetische Kraftstoffe wie E-Fuels eine klimaneutrale Alternative zu Benzin und Diesel sein könnten. Wir haben bei unseren Experten Maximilian Fichtner und Olaf Toedter nachgefragt. Zwei Blickwinkel.

Maximilian Fichtner ist Chemiker und Geschäftsführender Direktor des Helmholtz Instituts Ulm. Copyright © KIT

„Für mich sind E-Fuels für bestimmte Anwendungen unverzichtbar, aber leider auch eine sehr aufwendige Lösung."

In Zeiten knapper Energie aus Erneuerbaren sollte man sich prinzipiell fragen, ob es nicht sinnvoll ist, E-Fuels in klimatisch bevorzugten Gegenden wie in Südamerika herzustellen und sie dann nach Europa zu bringen. Porsche plant eine solche Anlage in Chile, die bisher weltgrößte Anlage. Dort sollen, wenn sie irgendwann fertig gestellt sein wird, pro Jahr 550 Millionen Liter E-Fuels erzeugt werden. Das hört sich viel an, ist aber nur etwas mehr als 1 Prozent des jährlichen Kraftstoffbedarfs für PKWs in Deutschland. Wir bräuchten - nur für Deutschland - also sehr viel mehr als die derzeit 60 weltweit geplanten E-Fuels Projekte, die bis 2035 angegangen werden sollen und von denen nur ein kleiner Bruchteil finanziert ist.

Konkret sehe ich zwei Herausforderungen: Zum einen die Frage, woher der Strom kommen soll. Große Mengen von Strom sind notwendig, um über Elektrolyseure Wassermoleküle zu spalten und so Wasserstoff zu erzeugen. Die chilenische Regionalregierung hat den Ausbau der Windkraftanlagen vor Ort aber erstmal gestoppt. Das könnte auch anderen ähnlichen Projekten passieren, bei denen in globalen Klimagunstregionen Strom erzeugt werden soll und wo der Nutzen vor Ort in Frage gestellt wird. Wollte man eine ausreichende Menge an Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland erzeugen, bräuchte man mehrere hundert solcher Windparks, doch wo sollen sie stehen und wer soll die betreiben? Schnelle Lösungen bei der Genehmigung solcher Anlagen sind in Deutschland nicht zu erwarten. Um bald positive Klimaeffekte zu erzielen, braucht es jedoch rasche Entscheidungen.

Zum anderen ist mir nicht klar, woher das CO2 kommen soll, das für die E-Fuels notwendig ist: Porsche will dafür auf Direct Air Capture setzen – ein Verfahren, bei dem CO2 direkt aus der Umgebungsluft gewonnen wird, doch das ist sehr energieaufwendig. Auf der weltweit größten CO2-Filteranlage in Island werden momentan jährlich 4.000 Tonnen CO2 gewonnen. Die Anlage in Patagonien würde aber 600.000 Tonnen CO2 pro Jahr benötigen. Man bräuchte also 150 derartiger Anlagen. Eine derzeit diskutierte Alternative, wie zum Beispiel flüssiges CO2 aus Industrieprozessen des Nordens per Tanker nach Patagonien zu transportieren, wäre in keinster Weise klimaeffizient. Das CO2 würde lediglich von einem großen Schornstein in viele Auspuffrohre umgeleitet.

Trotzdem halte ich Forschung und Entwicklung zu E-Fuels sinnvoll, denn E-Fuels werden gebraucht werden. Mit der Anlage in Patagonien wird eine Laboranlage auf industrielle Skala gesetzt, das ist schon mal der Anfang einer Lernkurve. Vor allem für den Schiffs- und Flugverkehr werden E-Fuels benötigt. Große Reedereien wie Maersk haben ja bereits angekündigt, bei neuen Schiffen mit umweltfreundlicherem E-Methanol fahren zu wollen. Als wenig effektiv halte ich dagegen den Einsatz von E-Fuels im Verbrennungsmotor von PKWs. Sie könnten, da nur wenig verfügbar, gegebenenfalls vergleichbar den Biokraftstoffen dem konventionellen Kraftstoff beigemischt werden. Aber andere Probleme bleiben, etwa der um Drittel höhere CO2-Ausstoss im Vergleich zu einem batteriebetriebenen Fahrzeug. Weiter wird dadurch der Ausstieg aus den fossilen Kraftstoffen verzögert, und die Städte leiden weiterhin, denn wir hätten auch mit E-Fuels einen Ausstoß von Ruß, NOx, den Lärm und die Vibrationen. Für mich sind E-Fuels für bestimmte Anwendungen unverzichtbar, aber leider auch eine sehr aufwendige Lösung.

Olaf Toedter koordiniert das Projekt reFuels und forscht am Institut für Kolbenmaschinen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). (Copyright © KIT)

„Insgesamt sehe ich die Entwicklung der E-Fuels optimistisch, denn es gibt eine große Anzahl internationaler Projekte, in denen Demoanlagen aufgebaut werden."

E-Fuels können durchaus eine klimafreundliche Alternative zu Benzin und Diesel in PKWs mit Verbrennungsmotor sein. Wir forschen am KIT zu reFuels, das ist ein von uns bewusst gewähltes Kunstwort, bei dem „re“ für regenerativ steht. Wir wollen damit zeigen, dass sich regenerativ hergestellte Kraftstoffe wie zum Beispiel E-Fuels in Flugzeugen, Schiffen, der Eisenbahn und eben auch in PKWs einsetzen lassen und bestehende Kraftstoffnormen eingehalten werden. In unseren Forschungslaboren Energy Lab 2.0 und bioliq® erzeugen wir beispielsweise E-Fuels aus der Elektrolyse von Wasser mithilfe von regenerativ gewonnenem Strom und CO2. Unser Anspruch ist, für die regenerativen Kraftstoffe direkt oder indirekt aus der Atmosphäre entnommenes CO2 als Baustein für den Kohlenstoff zu nehmen, also entweder indirekt über Pflanzen, über Rest- und Abfallstoffe, aus Industrieabgasen oder über das Verfahren Direct air capture.

In unserer Pilotanlagen ist es uns gelungen, mehrere tausend Liter dieser Kraftstoffe zu synthetisieren. Dafür hatten wir uns verschiedene Synthesepfade angeschaut, diese effizienztechnisch optimiert und die damit hergestellten Kraftstoffe als Normkraftstoffe getestet. Alle Tests verliefen positiv, die Prozesse funktionieren, sodass man sie bis zum industriellen Maßstab skalieren könnte. Für diese großindustrielle Umsetzung  brauchen wir als Zwischenschritt eine Demoanlage in der Größenordnung mehrerer 10.000 Tonnen/Jahr. Planung und Umsetzung würden drei bis vier Jahre dauern, das wäre der nächste Schritt der Industrialisierung. Darauf basierend ließen sich im Folgeschritt eine Anlage im großen Maßstab größer 500.000 Tonnen synthetische Kraftstoffe jährlich umsetzen.

Als Produktionsstandort für Kraftstoffe mit Elektrolyse-Wasserstoff käme wegen des hohen Strombedarfs jedoch nicht Deutschland infrage, sondern es müssten Regionen mit viel Wind- und Sonnenergie wie etwa Spanien, Griechenland oder Portugal sein. Sinnvoll wäre es, in diesen Gunstregionen den E-Fuels-Prozess bis zu einem Zwischenprodukt zu fahren, also zum Beispiel bis zur Herstellung von Methanol. Dies wäre der Teil des Prozesses, für den viel Energie notwendig ist. Die Aufbereitung in das Zielprodukt, also das Up-Grading zum Kraftstoff, könnte aber in Deutschland stattfinden, zum Beispiel in umfunktionalisierten Raffinerien. Das wäre eine nachhaltige Nutzung der bisherigen Raffinerie-Infrastruktur.

Insgesamt sehe ich die Entwicklung der E-Fuels optimistisch, denn es gibt eine große Anzahl internationaler Projekte, in denen Demoanlagen aufgebaut werden. Geht dieser Trend so weiter, stellt sich für mich nicht die Frage, ob die regenerativen Kraftstoffe eine Zukunft haben, sondern eher, ob wir in Europa überhaupt welche bekommen, denn die Nachfrage danach wird weltweit sehr groß sein – und die Staaten, die Zugriff auf solche Gunststandorte haben, werden das ökonomisch zu ihrem Vorteil nutzen. Wir haben in unserem Projekt auch den Kosteneffekt untersucht: Insgesamt liegen die Synthesekosten für diese Kraftstoffe an geeigneten Standorten in einer ähnlichen Größenordnung wie die Produktionskosten konventioneller Kraftstoffe heute. Und auch bei den System-Wirkungsgraden sehen wir keinen großen signifikanten Unterschied im Vergleich zu einem batteriebetriebenen Fahrzeug, wenn wir alle Prozesse, also etwa Energietransport, Energiespeicherung und Klimaeffekte, einbeziehen. Berücksichtigen wir, dass wir schon heute mehr als 70 Prozent unserer Energieträger importieren, ist es der Ansatz notwendig, fossile Kraftstoffe durch regenerative erzeugte wie etwa E-Fuels zu ersetzen. Das ist ein weiterer Schritt Richtung CO2-neutraler Mobilität.

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